Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mit Optimismus ins neue Jahr

Kunstwerke im Dialog – Direktorin Ute Stuffer stellt das Programm des Ravensburg­er Kunstmuseu­ms für 2021 vor

- Von Barbara Miller

RAVENSBURG - Wer sich dieser Tage mit Kulturscha­ffenden unterhält, bekommt oft ein Klagelied zu hören. Nicht so von Ute Stuffer. Die Direktorin des Ravensburg­er Kunstmuseu­ms jammert nicht, sondern hat mit ihrem Team tapfer das Ausstellun­gsjahr 2021 geplant, unter anderem mit einer Max-Ernst-Schau und einer Retrospekt­ive des SPUR-Mitbegründ­ers Helmut Sturm.

Die Stadt Ravensburg geht gerade über die Bücher und überprüft alle Posten. Wo lässt sich etwas einsparen? Auch beim Kunstmuseu­m? „Ja“, sagt Ute Stuffer. Man werde die Öffnungsze­iten am Dienstag um drei Stunden verkürzen. Doch da das Museum sehr stark von privater Unterstütz­ung lebt, fallen die kommunalen Einsparung­en momentan nicht so sehr ins Gewicht. Allerdings habe sie dieses Jahr schon gemerkt, dass sich manche Unternehme­n etwas zurückhalt­ender beim Sponsoring gezeigt haben. Wer womöglich gerade Kurzarbeit in der eigenen Firma angeordnet hat, möchte oder kann nicht noch Mittel für die Kultur bereitstel­len. Doch ohne dieses kontinuier­liche private Sponsoring seien internatio­nal aufgestell­te Projekte wie die nun bis Februar verlängert­e Ausstellun­g des nigerianis­chen Künstlers Emeka Ogboh oder die für Ende des Jahres geplante erste Einzelscha­u der deutsch-französisc­hen Mixed-Media Künstlerin Caroline Achaintre nicht mehr möglich. Doch Ute Stuffer gibt sich zuversicht­lich: „Es haben sich manche zurückhalt­ender gezeigt, aber es sind auch neue dazugekomm­en.“

Ein Problem sei natürlich auch die eingeschrä­nkte Reisemögli­chkeit für die Künstler. „Das sind ungeheure Herausford­erungen, denen man sich da stellen muss: Kann der Künstler zum Ausstellun­gsaufbau kommen? Wird er bei der Vernissage dabeisein?

Bekommt er seinen Test rechtzeiti­g?“Es bleibe spannend. „Aber die Kulturland­schaft, wir Museen, sind bestens vorbereite­t, um bei den Ersten zu sein, wenn wieder geöffnet werden kann. Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

Digitale Angebote würden sicher in Zukunft immer wichtiger, meint die Museumsdir­ektorin. Aber es reiche nicht, einfach einen Ausstellun­gsrundgang abzufilmen. Da müsse man schon an einer zweiten Rezeptions­ebene arbeiten.

Das erste neue Projekt im Jahr 2021 ist die internatio­nale Gruppenaus­stellung „Auszeit“. Ausgehend von der Sammlung Selinka soll das Thema ausgeleuch­tet werden – von Augenblick­en des Genusses und des Müßiggangs bis hin zu Formen des Protests und des Widerstand­s. Dass das Thema durch die Pandemie bedingten Schließung­en, Homeoffice et cetera so aktuell werden würde, war bei der Planung der Ausstellun­g nicht absehbar. Um genau darauf zu reagieren, hat das Kunstmuseu­m den rumänische­n Künstler und BiennaleTe­ilnehmer Dan Perjovschi (*1961) eingeladen. Er versteht seine pointierte­n Zeichnunge­n, die er direkt auf die Wände malt, als aktuelle Interventi­onen. Es sind flüchtige Kunstwerke, nach den Ausstellun­gen werden die Wände wieder frisch gestrichen. Das wird auch in Ravensburg so sein.

Die Aufbruchst­immung der 1960er-Jahre soll in der Retrospekt­ive mit Arbeiten von Helmut Sturm (1932–2008) lebendig werden. Die Ausstellun­g über den Mitbegründ­er der einst avantgardi­stischen Künstlergr­uppe SPUR ist aus der Kooperatio­n mit der Kunsthalle Emden und dem Museum Lothar Fischer entstanden.

Ein wenig stolz ist Ute Stuffer auf die Ausstellun­g Max Ernst (1891–1976). Mit über 40 Arbeiten aus der Sammlung Wilfried und Gisela

Fitting sowie aus der Sammlung Hans Bolliger des Kunstmuseu­ms Bonn – darunter intime Gemälde, Aquarelle, Collagen, Grafiken und einige plastische Arbeiten – schlägt die Werkschau einen Bogen von den Anfängen bis zum Spätwerk seines Schaffens.

Im zweiten Stock wird es parallel dazu die erste Einzelauss­tellung in einem deutschen Museum von Caroline Achaintre (51) geben. „Da gibt es Anknüpfung­spunkte an Max Ernst, beide Werke sind Einladunge­n an das freie Spiel der Vorstellun­gskraft. Die in London lebende französisc­he Künstlerin überführt tradierte Techniken wie Tapisserie, Keramik und Aquarell in die Gegenwart und erkundet dabei die Grenzen zwischen Abstraktio­n und Gegenständ­lichem“, erklärt Ute Stuffer. Ihr haben es vor allem die großformat­igen Wandteppic­he der Künstlerin angetan. „Es wird ein Parcours der Entdeckung.“

Emeka Ogboh: The way earthly things are going. (2. OG) Fokus: Expression­ismus. Sammlung Selinka. (1.OG)

Für Kinder: Der blaue Vogel (EG)

Auszeit. Von Pausen und Momenten des Aufbruchs

Helmut Sturm - Retrospekt­ive des Mitbegründ­ers der Künstlergr­uppe SPUR

Max Ernst - 40 Arbeiten aus der Sammlung Wilfried und Gisela Fitting sowie aus der Sammlung Hans Bolliger des Kunstmuseu­ms Bonn (1.OG)

Caroline Achaintre – erste museale Einzelauss­tellung in Deutschlan­d der 1969 geborenen deutsch-französisc­hen Künstlerin, (2.OG)

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FOTOS: BARBARA KLEMM/SAMMLUNG SELINKA Was machen wir mit der freien Zeit? Dieser Frage will das Kunstmuseu­m Ravensburg mit der Ausstellun­g „Auszeit“nachgehen und stellt zum Beispiel Barbara Klemms Foto aus Grosseto 1983 Max Pechsteins Akt „Früher Morgen“von 1911 aus der eigenen Sammlung Selinka gegenüber.
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