Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Klimaliste macht den Grünen Konkurrenz
Neue Umweltpartei stellt eigene Landtagskandidatin für Ravensburg auf – Was die Aktivisten erreichen wollen
RAVENSBURG - Auch in Ravensburg bekommen die Grünen bei der Landtagswahl Konkurrenz: Die „Klimaliste Baden-Württemberg“hat für den Wahlkreis 69 eine eigene Kandidatin aufgestellt: die 28-jährige Ärztin Saskia Mayer. Den fünf hiesigen Mitgliedern der neuen Partei sind die Grünen nicht mehr grün genug. Der Vorwurf: Sie seien zu autofreundlich und zu wenig konsequent bei der Bekämpfung des Klimawandels. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann sei sogar „bis tief ins schwarze Spektrum wählbar“, findet Gründungsmitglied Klaus Schulz. Er schwächele aber in Fragen des Klimaschutzes“.
Die Klimaliste verfolgt dasselbe große Ziel wie die überparteiliche „Fridays-for-Future“-Bewegung: eine Begrenzung des menschengemachten globalen Temperaturanstiegs auf maximal 1,5 Grad, wie es im Pariser Klimaabkommen festgeschrieben wurde. Um das zu erreichen, müssten weit größere Anstrengungen unternommen werden, als das bislang der Fall ist. „Die Grünen fordern zum Beispiel die Besteuerung einer Tonne CO2 mit 50 Euro. Nötig wären 180 Euro. Bei einem Kompromiss mit der CDU kommen aber vielleicht nur 30 Euro heraus“, meint Schulz.
Aber lebt die Politik nicht von Kompromissen? Und würde es nicht sogar eher der CDU nutzen, wenn die Grünen durch die neue Klimaliste geschwächt werden, die ja im gleichen Wähler-Teich fischt wie die etablierte Umweltpartei? Ähnlich wie die SPD durch die Linke geschwächt wurde und die CDU durch die AfD? „Darüber haben wir uns natürlich auch Gedanken gemacht“, sagt Schulz, der bei der Kommunalwahl 2019 noch auf der Liste der Grünen für den Ravensburger Gemeinderat kandidiert hatte, ohne jedoch selbst Mitglied zu sein. „Aber wir glauben, dass wir eher Nicht-Wähler ansprechen. Also Leute, die sagen: Ich weiß gar nicht, wen ich diesmal wählen soll. Wir sehen uns nicht als Konfrontation, sondern als nötige Ergänzung zu den Grünen.“
Sollte die neue Partei in den Landtag einziehen, wolle sie Impulse für eine Stärkung erneuerbarer Energien setzen, die in den vergangenen zehn Jahren unter Ministerpräsident Kretschmann nicht in dem Maße gefördert worden seien wie erhofft. „Auch eine Verkehrswende ist nicht in Sicht“, wirft Schulz den baden-württembergischen Grünen eine zu autofreundliche Politik vor. „Bei den Grünen traut sich ja nicht mal mehr jemand zu sagen: Esst weniger Fleisch.“Dabei wäre ein wichtiges Klimaziel schon erreicht, wenn die Menschen wie früher nur sonntags einen Braten essen würden, glaubt er. Von einer grün-grünen oder grün-grün-roten Koalition auf Landesebene zu träumen, hält Schulz für vermessen. „Grundsätzlich können wir mit allen anderen demokratischen Parteien zusammenarbeiten – aber selbstverständlich nicht mit der AfD.“
Die Ravensburger Kandidatin Saskia Mayer möchte sich nicht nur für das globale Klima, sondern auch für regionale Themen stark machen. Als Beispiel nennt sie die Ausweisung des Altdorfer Waldes als Naturschutzgebiet, einen sinnvoll getakteten, bezahlbaren Nahverkehr und den Ausbau des Radwegenetzes. „Klimagerechtigkeit hat für mich ein Kommunikationsproblem. Wir als Klimaliste möchten erreichen, dass mehr Menschen erkennen, was für eine große Herausforderung der Klimawandel für jeden Einzelnen bedeutet. Ich fordere sozial-ökologisches Handeln in der Industrie und Wirtschaft, das sich am Gemeinwohl orientiert.“
Anders als die ÖDP, die in manchen Landstrichen Baden-Württembergs – wie dem Kreis Ravensburg – ebenfalls auf respektable Ergebnisse vor allem bei Kommunalwahlen kommt, scheint die Klimaliste den baden-württembergischen Grünen tatsächlich Angst zu machen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann äußerte sich kürzlich im Gespräch mit der Deutschen PresseAgentur besorgt: „Das ist eine ernste Angelegenheit. Es kann gravierende Folgen haben – zum Beispiel, dass es nicht für eine Regierung reicht, weil es sich zersplittert.“Nach Angaben Kretschmanns wollen die Grünen auf die neue Bewegung zugehen: „Wir werden sicher mit den Leuten reden, ob das nicht am Ende alle schwächt“, sagte er.