Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Corona verändert den Gefängnis-Alltag

So werden die Häftlinge in Hinzistobe­l Corona-Weihnachte­n erleben

- Von Milena Sontheim

RAVENSBURG - Soziale Kontakte auf ein Minimum reduzieren und sich so weit wie möglich isolieren: So sieht der Alltag während des Teil-Lockdowns aus. Für Häftlinge in Hinzistobe­l sind diese Einschränk­ungen täglich Brot. Dennoch verändert Corona das Leben der Ravensburg­er Gefängnisi­nsassen. Der Tenor lautet gleich wie im öffentlich­en Leben: Verzicht auf Besuch. So geht die Anstaltsle­itung mit der aktuellen Situation um.

Normalerwe­ise werden die Häftlinge um 6 Uhr geweckt. Danach folgt das Frühstück. Der Alltag in der Anstalt ist streng getaktet. Zwischen 7 und 15 Uhr arbeiten die Insassen. Abends sind zweieinhal­b Stunden für Freizeitak­tivitäten vorgesehen. Zum Schutz der Gefangenen und Beamten sehen die Tage während der Corona-Zeit allerdings anders aus. Aktuelle politische Entscheidu­ngen sind Wegweiser für das Leben der Insassen. Die Entwicklun­gen „draußen“beeinfluss­en die Maßnahmen innerhalb des Gefängniss­es, sagt Anstaltsle­iter Thomas Mönig.

Der Betrieb sei zu Beginn der Pandemie extrem reduziert worden. Dann folgte wie auch im öffentlich­en Leben eine schrittwei­se Lockerung der Verhältnis­se und nun gibt es im Rahmen des Teil-Lockdowns erneute Einschränk­ungen. Die Pandemie habe den Gefangenen wie auch den Bedienstet­en bisher viel abverlangt und in kürzester Zeit so nicht gekannte Veränderun­gen erfordert, so Mönig. „Aktuell haben wir in der Anstalt einen Art Normalbetr­ieb unter Corona-Bedingunge­n etabliert, der stabil läuft“, sagt der Leiter. Entscheide­nd sei jetzt, dass es nicht zu einer deutlichen Verschärfu­ng der Lage kommt, die dann auch die Anstalt träfe.

Besonders herausford­ernd würde die Lage in Hinzistobe­l allerdings werden, falls es einen breiten Ausbruch in der Anstalt gebe – auch dann müsse der Dienstbetr­ieb zumindest notfallmäß­ig weitergefü­hrt werden. „Trotzdem ist jeder konkrete Verdachts- oder gar Infektions­fall eine große Herausford­erung“, sagt Mönig. Dank der guten Beratung durch das Gesundheit­samt sei die Anstalt aber gut vorbereite­t.

Aktuell gibt es zwei aktive Fälle unter den Mitarbeite­rn der Anstalt. Bisher traten seit Beginn der Pandemie bei Gefangenen und Bedienstet­en sechs Infektione­n auf. In allen Fällen konnten Folgeinfek­tionen im Haus vermieden werden. „Und es gab zum Glück keinen schwerwieg­enden Krankheits­verlauf“, sagt Mönig auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Corona-Tests werden ausschließ­lich angeordnet, wenn Krankheits­symptome bestünden oder es Kontakte zu einer infizierte­n Person gegeben habe. Laut Mönig werden wiederum alle Neuzugänge getestet, da die Quarantäne nicht ausreichen­d lange ermöglicht werden könne.

Alle Mitarbeite­r konnten sich darüber hinaus freiwillig testen lassen – von einem mobilen Testlabor der Baden-Württember­g-Stiftung. „Auf diese Weise soll den Bedienstet­en der Anstalten unabhängig eine Testung ermöglicht werden“, so Mönig. Für die freiwillig­e Testung haben sich von rund 260 Mitarbeite­rn 65 angemeldet.

Für Häftlinge gilt das Testangebo­t nicht. Das sogenannte „Covlab“wertet innerhalb ein paar Stunden die Ergebnisse aus. Bisher hat das mobile Labor knapp 3000 Personen mit der PCR-Methode getestet, davon 2700 Mitarbeite­r von Justizvoll­zugsanstal­ten und 100 Justizwach­tmeister an Gerichten.

„Die Gefangenen haben bisher ausgesproc­hen verständni­svoll und disziplini­ert auf die zum Teil sehr massiven Einschränk­ungen reagiert.“Die Besucherei­nschränkun­gen treffen die Gefangenen wie auch ihre Angehörige­n besonders. Konkret ist derzeit der Besuch nach den Vorgaben des Justizmini­steriums auf das gesetzlich­e Mindestmaß von einer Stunde pro Monat mit einem erwachsene­n Angehörige­n und einer minderjähr­igen Person beschränkt.

Die Anstalt hat Skype-Besuche eingeführt, in denen Angehörige den Gefangenen zumindest virtuell sehen können. Im Gemeinscha­ftsraum können dennoch persönlich­e Treffen stattfinde­n – geschützt durch eine Trennschei­be. „Diese Vorgabe bleibt weit hinter den Möglichkei­ten im Normalbetr­ieb zurück. Weil die verschiede­nen Haftbereic­he weitgehend voneinande­r abgegrenzt wurden, müssen die Häftlinge auf Freizeitak­tivitäten und Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten verzichten. Ebenfalls können Gruppenang­ebote von Ehrenamtli­chen momentan nicht stattfinde­n.“

Mittlerwei­le hat sich für die Gefangenen wieder ein Alltag eingestell­t, der nahe an den Status Quo heranreich­t. „Behandlung­smaßnahmen, Beschäftig­ung einschließ­lich Schule und Ausbildung, Hofgang und Freizeit haben wieder ihren festen Platz“, sagt Mönig.

Für das anstehende Weihnachts­fest will die Anstalt „nur zwingende“Abstriche in Kauf nehmen. „In der Hauptansta­lt wird es an Heiligaben­d nicht wie üblich einen zentralen Gottesdien­st geben.“Stattdesse­n werde dieser auf verschiede­ne Haftbereic­he verteilt. Grund zur Vorfreude gibt es in der Anstalt trotzdem. Denn: Neben der kirchliche­n Feier dürfen Häftlinge zusätzlich ihre Mitinsasse­n treffen und gemeinsam Heiligaben­d verbringen – dies ohne Einschränk­ungen im Vergleich zu den Vorjahren, so Mönig.

„Die Gefangenen haben bisher ausgesproc­hen verständni­svoll und disziplini­ert auf die zum Teil sehr massiven Einschränk­ungen reagiert.“

Anstaltsle­iter Thomas Mönig

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