Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Corona verändert den Gefängnis-Alltag
So werden die Häftlinge in Hinzistobel Corona-Weihnachten erleben
RAVENSBURG - Soziale Kontakte auf ein Minimum reduzieren und sich so weit wie möglich isolieren: So sieht der Alltag während des Teil-Lockdowns aus. Für Häftlinge in Hinzistobel sind diese Einschränkungen täglich Brot. Dennoch verändert Corona das Leben der Ravensburger Gefängnisinsassen. Der Tenor lautet gleich wie im öffentlichen Leben: Verzicht auf Besuch. So geht die Anstaltsleitung mit der aktuellen Situation um.
Normalerweise werden die Häftlinge um 6 Uhr geweckt. Danach folgt das Frühstück. Der Alltag in der Anstalt ist streng getaktet. Zwischen 7 und 15 Uhr arbeiten die Insassen. Abends sind zweieinhalb Stunden für Freizeitaktivitäten vorgesehen. Zum Schutz der Gefangenen und Beamten sehen die Tage während der Corona-Zeit allerdings anders aus. Aktuelle politische Entscheidungen sind Wegweiser für das Leben der Insassen. Die Entwicklungen „draußen“beeinflussen die Maßnahmen innerhalb des Gefängnisses, sagt Anstaltsleiter Thomas Mönig.
Der Betrieb sei zu Beginn der Pandemie extrem reduziert worden. Dann folgte wie auch im öffentlichen Leben eine schrittweise Lockerung der Verhältnisse und nun gibt es im Rahmen des Teil-Lockdowns erneute Einschränkungen. Die Pandemie habe den Gefangenen wie auch den Bediensteten bisher viel abverlangt und in kürzester Zeit so nicht gekannte Veränderungen erfordert, so Mönig. „Aktuell haben wir in der Anstalt einen Art Normalbetrieb unter Corona-Bedingungen etabliert, der stabil läuft“, sagt der Leiter. Entscheidend sei jetzt, dass es nicht zu einer deutlichen Verschärfung der Lage kommt, die dann auch die Anstalt träfe.
Besonders herausfordernd würde die Lage in Hinzistobel allerdings werden, falls es einen breiten Ausbruch in der Anstalt gebe – auch dann müsse der Dienstbetrieb zumindest notfallmäßig weitergeführt werden. „Trotzdem ist jeder konkrete Verdachts- oder gar Infektionsfall eine große Herausforderung“, sagt Mönig. Dank der guten Beratung durch das Gesundheitsamt sei die Anstalt aber gut vorbereitet.
Aktuell gibt es zwei aktive Fälle unter den Mitarbeitern der Anstalt. Bisher traten seit Beginn der Pandemie bei Gefangenen und Bediensteten sechs Infektionen auf. In allen Fällen konnten Folgeinfektionen im Haus vermieden werden. „Und es gab zum Glück keinen schwerwiegenden Krankheitsverlauf“, sagt Mönig auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Corona-Tests werden ausschließlich angeordnet, wenn Krankheitssymptome bestünden oder es Kontakte zu einer infizierten Person gegeben habe. Laut Mönig werden wiederum alle Neuzugänge getestet, da die Quarantäne nicht ausreichend lange ermöglicht werden könne.
Alle Mitarbeiter konnten sich darüber hinaus freiwillig testen lassen – von einem mobilen Testlabor der Baden-Württemberg-Stiftung. „Auf diese Weise soll den Bediensteten der Anstalten unabhängig eine Testung ermöglicht werden“, so Mönig. Für die freiwillige Testung haben sich von rund 260 Mitarbeitern 65 angemeldet.
Für Häftlinge gilt das Testangebot nicht. Das sogenannte „Covlab“wertet innerhalb ein paar Stunden die Ergebnisse aus. Bisher hat das mobile Labor knapp 3000 Personen mit der PCR-Methode getestet, davon 2700 Mitarbeiter von Justizvollzugsanstalten und 100 Justizwachtmeister an Gerichten.
„Die Gefangenen haben bisher ausgesprochen verständnisvoll und diszipliniert auf die zum Teil sehr massiven Einschränkungen reagiert.“Die Besuchereinschränkungen treffen die Gefangenen wie auch ihre Angehörigen besonders. Konkret ist derzeit der Besuch nach den Vorgaben des Justizministeriums auf das gesetzliche Mindestmaß von einer Stunde pro Monat mit einem erwachsenen Angehörigen und einer minderjährigen Person beschränkt.
Die Anstalt hat Skype-Besuche eingeführt, in denen Angehörige den Gefangenen zumindest virtuell sehen können. Im Gemeinschaftsraum können dennoch persönliche Treffen stattfinden – geschützt durch eine Trennscheibe. „Diese Vorgabe bleibt weit hinter den Möglichkeiten im Normalbetrieb zurück. Weil die verschiedenen Haftbereiche weitgehend voneinander abgegrenzt wurden, müssen die Häftlinge auf Freizeitaktivitäten und Beschäftigungsmöglichkeiten verzichten. Ebenfalls können Gruppenangebote von Ehrenamtlichen momentan nicht stattfinden.“
Mittlerweile hat sich für die Gefangenen wieder ein Alltag eingestellt, der nahe an den Status Quo heranreicht. „Behandlungsmaßnahmen, Beschäftigung einschließlich Schule und Ausbildung, Hofgang und Freizeit haben wieder ihren festen Platz“, sagt Mönig.
Für das anstehende Weihnachtsfest will die Anstalt „nur zwingende“Abstriche in Kauf nehmen. „In der Hauptanstalt wird es an Heiligabend nicht wie üblich einen zentralen Gottesdienst geben.“Stattdessen werde dieser auf verschiedene Haftbereiche verteilt. Grund zur Vorfreude gibt es in der Anstalt trotzdem. Denn: Neben der kirchlichen Feier dürfen Häftlinge zusätzlich ihre Mitinsassen treffen und gemeinsam Heiligabend verbringen – dies ohne Einschränkungen im Vergleich zu den Vorjahren, so Mönig.
„Die Gefangenen haben bisher ausgesprochen verständnisvoll und diszipliniert auf die zum Teil sehr massiven Einschränkungen reagiert.“
Anstaltsleiter Thomas Mönig