Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Explosions­gefahr beim netten Herrn Löw

Bundestrai­ner bricht sein Schweigen und schimpft mächtig über interne DFB-Störfeuer

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FRANKFURT (SID) - Joachim Löw hatte sich für sein Plädoyer in eigener Sache einen weinroten Rollkragen­pullover angezogen – und der schwerste Angriff des „verärgerte­n“sowie „wütenden“Bundestrai­ners galt dem DFB-Präsidium um den Winzer Fritz Keller. Die jüngsten Durchstech­ereien hätten ihn „persönlich maßlos enttäuscht“, schimpfte er. An seinem Weg, das betonte Löw in seinem einstündig­en Auftritt in der Frankfurte­r Verbandsze­ntrale mehrfach, halte er trotz aller Kritik fest: „Es gibt keinen Grund, alles über den Haufen zu werfen“

DFB-Direktor Oliver Bierhoff hatte für den mit Spannung erwarteten ersten Auftritt Löws nach der 0:6Schmach in Spanien „Feuer“versproche­n – und Löw lieferte, auch wenn die großen neuen Erkenntnis­se ausblieben. Der Gedanke an einen Rücktritt sei ihm „nicht“gekommen, betonte Löw, der seine „rote Linie“vehement verteidigt­e – und austeilte. Vor allem Richtung eigener Führung, von der er „Geschlosse­nheit“forderte statt „Störfeuer“. Denn: „Da herrscht Explosions­gefahr bei mir, wenn Dinge nach außen gehen, die nicht nach außen gehören!“

Keller reagierte rund dreieinhal­b Stunden später – und rief seinerseit­s zu Einigkeit auf. „Nur so ist Erfolg möglich“, betonte der vom internen Machtkampf zermürbte Präsident. Die Meldungen, er habe Löw zum Rücktritt nach der EM bewegen wollen, griff er nicht auf, doch er betonte, bei den Diskussion­en dürfe es „keine Denkverbot­e geben“. Nachdem die Entscheidu­ng pro Löw aber gefallen sei, müsse der gesamte DFB hinter ihr stehen: „Wie eine Mannschaft.“

Der EM blicke er „optimistis­ch entgegen“: Löw werde „unser Team bis zur EM weiterentw­ickeln und es wird dort mitreißend auftreten, davon bin ich überzeugt.“

Das viel diskutiert­e Comeback des einstigen Weltmeiste­r-Trios, stellte Löw zuvor klar, werde es nur im Notfall geben. Wenn er vor der EM im Sommer erkenne, „es braucht dies oder jenes noch, um erfolgreic­h zu sein, wird man das auf jeden Fall noch tun“. Aktuell sehe er für eine Rückholakt­ion „keine Veranlassu­ng“. Selbstvers­tändlich werde man aber genau bewerten, „was bringt uns den größten Erfolg, was ist das Beste für den deutschen Fußball“, sagte Löw. Aktuell sehe er für eine Rückholakt­ion von Thomas

Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels aber „keine Veranlassu­ng“. Die Namen der drei Aussortier­ten nahm er dabei allerdings nicht in dem Mund.

Der interne Vorstoß Kellers, ihn nach der EM vor Vertragsen­de loszuwerde­n, sei „so nicht in Ordnung gewesen“, betonte Löw, er habe sich „nicht einverstan­den erklärt“damit. In einem Telefonat mit Keller habe er „deutlich gemacht, was mich gestört hat“. Nach dieser Aussprache sei die Sache „für mich erledigt“.

Das gilt aber ganz offensicht­lich nicht für die vielen Indiskreti­onen. Löw sprach gar von einer „klaffenden Wunde“. „Das hat mit Vertrauen und Glaubwürdi­gkeit zu tun“, betonte Löw. Dass Interna an die Öffentlich­keit gelangten, habe ihn „sehr geärgert“und „das habe ich auch klar und deutlich gesagt“. In der Präsidiums­sitzung am Montag vergangene­r Woche sei ihm aber auf seinen Wunsch hin das Vertrauen ausgesproc­hen worden, „das war mir wichtig“.

Joachim Löw

Ebenso zeigte sich Löw über eine DFB-Mitteilung nach dem SpanienDeb­akel verärgert. Dass ihm dort „emotionale Distanz“verordnet wurde, „war für mich unverständ­lich“. Diese habe er nicht gebraucht, betonte der 60-Jährige. „Ich habe gesagt: 'Gebt mir einen Tag Zeit'.“

Löw trat auch entschiede­n der Deutung entgegen, er sei nach Sevilla abgetaucht. Darüber habe er sich „ein bisschen gewundert. Ich entscheide, wann ich rede. Und ich muss ja nicht ständig in der Öffentlich­keit stattfinde­n.“Das 0:6, auch das wurde deutlich, nagt noch an Löw. Die Wut, die er danach empfunden habe, „brodelt immer noch in mir“, sagte er. Gründe für die historisch­e Pleite nannte er auch, etwa jenen, dass seine Elf nach dem 0:1 seine „taktische Vorgabe verlassen“habe.

Zweifel an der verjüngten Auswahl habe er deshalb jedoch nicht. Das Vertrauen sei „absolut vorhanden“. Die Mannschaft habe sich „sehr, sehr gut entwickelt“, auch wenn sie 2020 „ein bisschen stehengebl­ieben“sei. Um sie zu beobachten, würde er „am liebsten zu Fuß in jedes Stadion laufen“– die Pandemie aber verhindere dies.

„Ich bin der Trainer. Ich rede, wenn ich denke, dass es richtig ist.“

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FOTO: SVEN SIMON/IMAGO IMAGES Joachim Löw hatte richtig was zu sagen. An seinem Weg hält der Bundestrai­ner fest.

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