Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Erster schwarzer US-Verteidigungsminister
Joe Biden will Ex-General Lloyd Austin zum Pentagon-Chef berufen
WASHINGTON - Lloyd Austin soll der erste schwarze Verteidigungsminister der USA im Biden-Kabinett werden. Biden nominierte den pensionierten Vier-Sterne-General am Dienstagabend für das Amt. Mit dem Kandidaten versucht der designierte Präsident vielen Erwartungen gerecht zu werden.
Es ist noch keine vier Wochen her, da schien alles auf die erste Frau an der Spitze des Pentagon zuzulaufen. Michèle Flournoy, die unter Barack Obama bereits Staatssekretärin in dem fünfeckigen Gebäude am Potomac River war, schien so gut wie gesetzt. Nun ist es doch wieder ein Mann, der den Zuschlag bekommt, allerdings einer, der genauso für eine historische Premiere steht, wie das bei Flournoy der Fall gewesen wäre. Lloyd Austin, aufgewachsen im ländlichen Georgia, wird der erste schwarze Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten.
Noch ist er nicht am Ziel, zumal noch zwei Hürden zu nehmen sind. Zum einen muss der pensionierte Viersternegeneral eines der oft knochenharten Bestätigungsverfahren im Senat überstehen, zum anderen bedarf es einer Sonderregelung. Theoretisch müssen seit dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst mindestens sieben Jahre vergangen sein, ehe ein Ex-Militär für das Amt infrage kommt. Austin hat seine Uniform erst 2016 an den Nagel gehängt, ergo muss der Kongress eine Ausnahme genehmigen.
Die digitale Zeitung „Politico“, berichtete als erstes Medium über die Personalie. Biden habe Austin auserkoren, heißt es bei „Politico“, weil der sich nicht in den Vordergrund dränge und dabei über viel Erfahrung in Krisengebieten verfüge. Das Wichtigste: Beide Männer vertrauen einander, seit sie sich eines schwierigen Kapitels amerikanischer Außenpolitik anzunehmen hatten.
Im Jahr 2011 war es Biden, der im Auftrag Obamas die Modalitäten des Abzugs aus dem Irak aushandelte. Austin kommandierte damals die US-Streitkräfte im Zweistromland. Nach seinen Plänen sollte ein Restkontingent, maximal 20 000 Soldaten, dort stationiert bleiben, um die irakische Armee auszubilden und das Wiedererstarken extremistischer Gruppen zu verhindern. Da sich Washington und Bagdad nicht auf die Bedingungen für eine fortdauernde Truppenpräsenz einigen konnten, endete es damit, dass Austin den vollständigen Rückzug zu organisieren hatte. Erst im Sommer 2014, nachdem der „Islamische Staat“die Großstadt Mosul erobert hatte, entsandte die US-Armee wieder GIs. Austin war zu der Zeit Befehlshaber des Central Command, kurz Centcom, des für Nahost und Zentralasien zuständigen Zentralkommandos. Damit war er der General,
bei dem die Fäden der Gegenoffensive gegen die Terrormiliz zusammenliefen. Unter seiner Führung begann eine Militärkoalition, auf das syrische Rakka, die Hauptstadt des IS-Kalifats, vorzumarschieren. Von ihm stammte der Vorschlag, das Herrschaftsgebiet der Fanatiker vom türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik aus zu bombardieren. In die Schlagzeilen geriet er selten, zumal er ausgesprochen diplomatisch agierte. James Mattis, sein Vorgänger auf dem Centcom-Posten, später von Donald Trump zum Verteidigungsminister befördert, hatte sich mit dem Weißen Haus überworfen, weil man dort einen Interessenausgleich mit Iran anstrebte, während Mattis für eine härtere Linie plädierte. Austin vermied es tunlichst, sich mit der politischen Führung in Washington anzulegen.
Bei alledem macht die Personalentscheidung deutlich, welchen Balanceakt Biden bei der Bildung seines Kabinetts zu leisten hat. Der Veteran muss manövrieren, weil verschiedene Fraktionen seiner Partei sehr klare Vorstellungen haben, wer welches Amt bekommen soll. Die Linke erinnert daran, dass sie ihn im Duell gegen Trump ohne Abstriche unterstützte, was sich 2016 vom Duell Hillary Clintons mit Trump nicht sagen ließ. Biden soll sich revanchieren, indem er den linken Senator Bernie Sanders zum Arbeitsminister macht. Latinos drängen darauf, in der Regierung so vertreten zu sein, wie es ihrer Rolle als Zünglein an der Wahlwaage entspricht. Afroamerikaner erwarten, dass Biden nicht vergisst, wie sie ihm in einer kritischen Phase zu Hilfe kamen. Manche hatten ihn bereits abgeschrieben, ehe ihm die mehrheitlich schwarze Parteibasis in South Carolina zu einem glänzenden Comeback verhalf.