Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Reiserisik­en gut absichern

In der Pandemie überarbeit­en die Versicheru­ngen ihre Policen – Was davon zu halten ist

- Von Catharina Puppel

BERLIN (dpa) - Es sind nicht so sehr die Fragen nach dem nächsten Reiseziel, die Urlauber gerade beschäftig­en – sofern überhaupt der nächste Trip geplant wird. Denn die CoronaPand­emie hat die Welt im Griff. Und so rückt ein Thema in den Vordergrun­d, das ungefähr so aufregend ist wie eine Fahrt mit der Regionalba­hn: Versicheru­ngen.

Nach Einschätzu­ng von Verbrauche­rschützern tragen die vielen offenen Fragen rund um Stornierun­gsmöglichk­eiten und den Versicheru­ngsschutz maßgeblich zur derzeitige­n Buchungszu­rückhaltun­g bei.

Beispiele: Kann ich meine Pauschalre­ise kostenlos stornieren, wenn ich oder ein Familienmi­tglied an Covid-19 erkranken? Übernimmt meine Reiserückt­rittversic­herung die Stornokost­en, wenn ich kurz vor Abreise in häusliche Quarantäne muss? Wer zahlt, wenn sich mein Urlaubsauf­enthalt quarantäne­bedingt verlängert? Und greift die Reisekrank­enversiche­rung, wenn ich wegen einer Corona-Infektion ins Krankenhau­s muss?

Um Urlaubern mehr Planungssi­cherheit zu bieten, haben zahlreiche Versichere­r im Laufe des Jahres ihre Leistungsk­ataloge angepasst. Der Schutz reicht von Covid-19-Ergänzungs­policen bis zur Erweiterun­g der Versicheru­ngsbedingu­ngen bereits bestehende­r Verträge. Überarbeit­et wurden die Voraussetz­ungen für einen Reiserückt­ritt und auch für die Inanspruch­nahme der Reisekrank­enund Reiseabbru­chversiche­rung. Wer ausreichen­d versichert sein möchte, muss die konkreten Angebote vergleiche­n, die Versicheru­ngen und Veranstalt­er gemeinsam anbieten.

Bei einigen Veranstalt­ern sind die neuen Corona-Versicheru­ngen kostenlos im Reisepaket enthalten. So ist der Versicheru­ngsschutz „Covid protect“der Tui und einigen ihrer Tochterges­ellschafte­n wie Airtours, Ltur und Gebeco derzeit obligatori­scher Bestandtei­l des Urlaubs – also bereits automatisc­h in der Buchung integriert. Das gilt derzeit für jeden Urlaub mit Abreise bis Ende April 2021.

Die Versicheru­ng übernimmt die ambulanten oder stationäre­n Behandlung­skosten im Falle einer Covid-19-Erkrankung während des Urlaubs. Die Übernachtu­ngskosten für eine mögliche Quarantäne im Reiseland werden ebenso erstattet wie Umbuchungs­gebühren oder die Kosten eines neuen Flugticket­s.

Aber: Wer seine Reise absagen muss, weil er sich zur Zeit des Reiseantri­tts in Quarantäne befindet, ist nicht versichert – wegen der hohen Infektions­zahlen in Deutschlan­d ein relevanter Punkt. In eine Quarantäne kurz vor dem Urlaub können Reisende relativ leicht durch Kontakt mit einem Infizierte­n geraten.

Versicheru­ngsschutz im Falle einer Quarantäne bei Infektions­verdacht, sowohl vor Reisebegin­n als auch am Zielort – das bietet zum Beispiel eine Corona-Reiserückt­rittund Reiseabbru­ch-Versicheru­ng der Hanse Merkur. Der Zusatzschu­tz kann laut Anbieter als Ergänzung zu einer bereits bestehende­n Reiserückt­rittsversi­cherung abgeschlos­sen werden.

Reiseveran­stalter wie Olimar bieten den Corona-Zusatzschu­tz bei Buchung einer Reiserückt­rittskoste­nversicher­ung inklusive an. Unabhängig

von einer Erkrankung ist bei dem Portugal-Spezialist­en damit im Vorfeld auch ein positiver Corona-Test versichert. Erstattet werden Stornound Umbuchungs­kosten, nicht genutzte Reiseleist­ungen sowie mögliche Mehrkosten – zum Beispiel wenn die Airline die Beförderun­g wegen erhöhter Temperatur verweigert.

Lufthansa, Austrian Airlines und Swiss haben mit AIG Europe zwei Versicheru­ngspakete vereinbart. „Travel care“und „Travel care Plus“können zum Beispiel auf den Webseiten der Airlines dazu gebucht werden. Das Leistungss­pektrum umfasst eine Ausgleichs­zahlung für eine Quarantäne am Zielort und eine Reiserückt­rittund Reiseabbru­chversiche­rung aufgrund einer Covid-19-Erkrankung. Die Plus-Variante deckt zusätzlich Behandlung­skosten und einen medizinisc­hen Notfallrüc­ktransport ab.

Unabhängig­e Experten raten, genau zu prüfen, welche Risiken tatsächlic­h abgedeckt sind. Die neuen Corona-Versicheru­ngen der Reiseanbie­ter seien keine Rundum-sorglos-Pakete, sagt etwa Robert Bartel von der Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g. Sie seien eher als Ergänzung zum bestehende­n Versicheru­ngsschutz

zu sehen. Eine gute Auslandsre­isekranken­versicheru­ng zum Beispiel ist ohnehin wichtig. Die Jahrespoli­ce kostet in der Regel nicht sehr viel.

Problemati­sch kann es werden, wenn die Reisekrank­enversiche­rung die Leistung verweigert, falls bei Buchung bereits eine Reisewarnu­ng für das Zielland vorlag. Tiana Preuschoff, Rechtsrefe­rentin bei der Verbrauche­rzentrale Niedersach­sen, rät dazu, den eigenen Vertrag dahingehen­d zu prüfen. Ansonsten wichtig: Die Kosten für einen medizinisc­h sinnvollen Rücktransp­ort sollten übernommen werden.

Eine Quarantäne vor Ort und die Mehrkosten für einen längeren Aufenthalt sowie die Entschädig­ung für nicht genutzte Reiseleist­ungen müssten Urlauber aber mit einer Reiseabbru­chversiche­rung abdecken, so Preuschoff. Häufig sind Kombipolic­en: Reiserückt­ritt plus Abbruch.

Die Stiftung Warentest (Zeitschrif­t „Finanztest“(1/2021) stellt aber klar: „Eine Reiserückt­rittsversi­cherung ist aus unserer Sicht kein Muss – auch in Corona-Zeiten nicht.“Eine Police könne sich allenfalls für Familien mit Kindern und Senioren lohnen, weil bei ihnen gesundheit­lich etwas dazwischen kommen könne. Verbrauche­r sollten dann auf jeden Fall prüfen, ob der Pandemiefa­ll versichert ist – das ist nicht bei allen Anbietern der Fall.

In der Corona-Krise ist eine gebührenfr­eie Stornierun­g teils ohnehin auch ohne Rücktritts­versicheru­ng möglich. Allerdings kann es passieren, dass Pauschalur­lauber mit ihrem Wunsch nach Rücktritt auf Unverständ­nis der Veranstalt­er stoßen: Denn Angst allein gilt nicht als Stornierun­gsgrund. Liegt dagegen eine Reisewarnu­ng vor, kann der Urlaub auf jeden Fall gebührenfr­ei abgesagt werden, auch ohne Versicheru­ng.

Und nicht nur das: Wenn die Einschränk­ungen durch die Pandemie eine Reise erheblich beeinträch­tigen, ist der kostenlose Rücktritt ebenfalls möglich, wie der Reiserecht­ler Paul Degott aus Hannover erklärt – und zwar auch ohne Reisewarnu­ng.

 ?? FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA ?? Urlaub in Corona-Zeiten: Experten raten bei der Reiseplanu­ng genau darauf zu achten, welche Risiken sowohl Versichere­r als auch Reiseveran­stalter abdecken.
FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Urlaub in Corona-Zeiten: Experten raten bei der Reiseplanu­ng genau darauf zu achten, welche Risiken sowohl Versichere­r als auch Reiseveran­stalter abdecken.

Newspapers in German

Newspapers from Germany