Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Nachtzug nach Amsterdam
Europäische Bahnen wollen die nächtlichen Verbindungen auf dem Kontinent ausbauen – Rekordverlust für die Bundesbahn erwartet
BERLIN - Vier europäische Bahnen wollen gemeinsam das Nachtzugnetz auf dem Kontinent ausbauen. Darauf verständigten sich die Unternehmen aus Deutschland, Österreich der Schweiz und Frankreich. Zunächst werden 13 europäische Metropolen mit Nightjet-Linien miteinander verbunden. Neu sind vier Verbindungen. Ab Dezember 2021 Verkehren die Nightjets auf den Strecken Wien-München-Paris sowie Zürich-Köln-Amsterdam. Ein Jahr später kommt die Relation Wien/ Berlin-Brüssel-Paris dazu. Ende 2024 werden Nachzüge zwischen Zürich und Barcelona pendeln.
„Mit unserem Trans-Europ-Express TEE 2.0 und attraktiven Nachtzugangeboten auf der Schiene sind wir künftig in Europa noch klimaund umweltfreundlicher unterwegs“, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer am Rande der europäischen Verkehrsministerkonferenz. Dort wurde die Absichtserklärung der Unternehmen unterzeichnet.
Die Deutsche Bahn betreibt zwar keine eigenen Nachtzüge mit Liegeund Schlafwagen mehr. Doch kooperiert der Konzern mit den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Die ÖBB hat die Züge der Bahn übernommen und auch Lokführer und Bordpersonal kommen von der Deutschen Bahn. Nachts fahren derzeit ÖBB-Züge von Hamburg nach Wien, Innsbruck und Zürich, von Düsseldorf aus nach Innsbruck und Wien, von München nach Rom, Mailand oder Venedig und schließlich von Berlin nach Wien und Zürich. Ein „bisschen Nachtzug“von jeder Bahn helfe nicht, sagt Bahnchef Richard Lutz, „die Lösung ist eine klare Arbeitsteilung.“
Auf das angenehme Branchentreffen mit anderen Bahnen folgt für
Lutz an diesem Donnerstag ein eher unangenehmer Termin. Er muss dem Aufsichtsrat erklären, wie hoch der Verlust des Konzerns in diesem Krisenjahr ausfallen wird. In Kreisen des Gremiums ist von einem Rekordminus von 5,6 Milliarden Euro die Rede. Den größten Brocken machen mit 3,3 Milliarden Euro die Verluste im Personen- und Güterverkehr aus. Dazu muss die Bahn den Wert der britischen Nahverkehrstochter Arriva um 1,4 Milliarden Euro nach unten korrigieren. Schließlich drücken Zinszahlungen in Höhe von 700 Millionen Euro das Ergebnis nach unten.
Zugleich steigen die Schulden des Konzerns weiter an. Mit rund 31 Milliarden Euro steht die Bahn in der Kreide. Das liegt auch an noch fehlenden Hilfen vom Bund, die von der EU-Kommission noch nicht genehmigt wurde. Selbst wenn diese fünf Milliarden Euro in den kommenden Monaten freigegeben werden, bleibt die finanzielle Lage durch Corona dramatisch. Der durch die Pandemie verursachte Schaden beläuft sich auf 9,6 Milliarden Euro, mehr als noch im Sommer vermutet.
Trotzdem hält Lutz an seiner Strategie fest, die Bahn mit milliardenschweren Investitionen ins Netz und neue Züge zu modernisieren. Aus Gewerkschaftskreisen im Aufsichtsrat sind Zweifel an den ehrgeizigen Plänen laut geworden, die Zahl der Fahrgäste in diesem Jahrzehnt zu verdoppeln. Realistisch ist dies angesichts des tiefen Einbruchs in dieser Krise ohnehin nicht mehr.