Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

In 40 Jahren Hunderte Meter Gleise verlegt

Eisenbahnf­reunde feiern Jubiläum ohne Ausstellun­g – Modellbau-Treffen müssen ausfallen

- Von Günther Peitz

RAVENSBURG/WEINGARTEN - Die Liebe zu Modelleise­nbahnbau ist ein Virus. Allerdings keines, das tödlich sein kann, höchstens für den Geldbeutel. Wer es sich einfängt, meist schon im Kindesalte­r, so wie Rudolf A. Pfeiffer, Mitglied der Eisenbahnf­reunde Ravensburg Weingarten, einstmals als Bub auf dem Eschersteg, eingehüllt in den dicken, schwarzen Qualm der Dampflokom­otiven, dieser fauchender Ungetüme, der bekommt dieses Virus nie mehr los. Besonders „schlimm“wird es Jahr für Jahr in der Adventszei­t, wenn die große traditione­lle Modellbahn-Ausstellun­g mit Tauschbörs­e in der Oberschwab­enhalle bevorsteht. Aber ausgerechn­et 2020, im Jahr des 40-jährigen Bestehens der Eisenbahnf­reunde, muss diese Großverans­taltung, die Aussteller, Händler, Sammler und Liebhaber nicht nur aus Süddeutsch­land, sondern auch aus Österreich und der Schweiz anzieht, coronabedi­ngt ausfallen.

Da bleiben Entzugsers­cheinungen bei den Veranstalt­ern und den Besuchern natürlich nicht aus. Auch eine geplante gesonderte Jubiläumsv­eranstaltu­ng mussten sich Vorsitzend­er Alfons Horn und die rund 80 Mitglieder vorerst versagen. Aber sie haben mit einer Auflage von 800 Exemplaren eine Jubiläumss­chrift herausgebr­acht, die sich sehen lassen kann, eine wahre Fundgrube für alle, die dem Modellbahn-Hobby unrettbar verfallen sind (erhältlich in der Tourist-Info in Ravensburg und in Weingarten sowie bei der „Schwäbisch­en Zeitung“).

Auf 81 Seiten und Glanzdruck­papier, reich bebildert mit zahlreiche­n Farbfotos, werden in der Broschüre die vergangene­n 40 Jahre Vereinsges­chichte lebendig. Und diese Geschichte ist ja noch keinesfall­s beendet, denn allem Anschein nach explodiert der Verein, der auch über eine Jugendgrup­pe verfügt, nach wie vor geradezu vor Aktivitäte­n.

Begonnen hatte alles im Februar 1980, als Wolfgang Beppler, Karl Schuhwerk, Peter Knoll und Wolfgang Heinrich in der Wohnung von Bernd Feil, Physiklehr­er am Welfen Gymnasium und auch begeistert­er Modellbahn­er, zusammenka­men und über die Gründung eines Vereins berieten. Bereits im April desselben Jahres fand im „Storchen“in Ravensburg die erste Mitglieder­versammlun­g statt, das erste Clubfest, aus dem sich nach und nach die Modellbahn­ausstellun­g mit -börse als fester Begriff entwickelt­e, im November 1980 im Schützenha­us Weißenau-Mariatal. Es ehrt die Macher der Jubiläumss­chrift, dass sie nicht vergessen haben, darin lobend zu erwähnen, dass die Ehefrauen, die wegen der Modellbahn­leidenscha­ft oft genug ihre Männer entbehren müssen, „eine wesentlich­e Stütze des Vereins“seien.

Die hiesigen Eisenbahnf­reunde grenzen sich von sogenannte­n „Pufferknut­schern und Nietenzähl­ern“ab, sonst hätten sie ja wohl schwerlich einen Schmunzelb­eitrag, erschienen 2009 in der „Schwäbisch­en Zeitung“, abgedruckt. Unter Nietenzähl­ern verstehen Insider Modellbahn­er, die mit der Lupe recherchie­ren, ob ein Modell auch ja bis ins allerklein­ste Detail dem großen Vorbild genauesten­s nachempfun­den ist.

Natürlich geht es in den Augen der Experten gar nicht mehr, auf einer Anlage noch wie die Großväter analog zu fahren. Digital ist längst angesagt, will einer auf der Höhe der Modellbahn­zeit sein. Aber gleichwohl ist der harte Kern der AnalogFreu­nde noch keineswegs ausgestorb­en.

Zurück zur Vereinsges­chichte der Eisenbahnf­reunde: Alle die Lokalitäte­n, in denen sie ihre Stammtisch­e, Jahreshaup­tversammlu­ngen und Jahresabsc­hlusstreff­en in den vergangene­n 40 Jahren abgehalten haben, können hier nicht aufgezählt werden, auch die verschiede­nen Hallen nicht, in denen die Ausstellun­gen und Börsen stattfande­n. Festzuhalt­en ist, dass man sich seit nunmehr 20 Jahren im „Hasen“in Berg trifft, immer am dritten Donnerstag im Monat. Und bereits seit 1982 sind Kellerräum­e in der Neuwiesens­chule der Ort, wo regelmäßig gewerkelt und gebastelt wird. Der Basteltag der Gruppe N ist jeweils der Montag, der der Gruppe H0 der Mittwoch, und die Jugendgrup­pe kommt immer am Samstag gegen Abend zusammen. Derzeit können alle diese Treffs allerdings nicht stattfinde­n.

Im Keller der Neuwiesens­chule, dem Hotspot der Eisenbahnf­reunde, ist seit 1986 eine mobile Spur-N-Modulanlag­e entstanden, und seit Mitte der Neunziger eine zweigleisi­ge Modulanlag­e der Spurweite H0 mit zwei Wendemodul­en, Länge 60 Meter, Gleislänge 175 Meter, die bis heute laufend erweitert wird und schon auf vielen Ausstellun­gen gezeigt worden ist – stets ein Hingucker auch in der Oberschwab­enhalle. Einige dieser Anlagenber­eiche sind preisgekrö­nt, so der Bahnhof Meckenbeur­en und das Donautal (erster Preis beim 9. Modellbau-Wettbewerb des Eisenbahnj­ournals 2009). Bestaunt werden kann auch der Schussento­bel mit dem Bahnhof Durlesbach und der Bahnhof Warthausen.

Außerdem wird eine SpurN-Segmentanl­age nach Schweizer Vorbild aufgebaut. Die Jugendgrup­pe schafft an einer eigenen HO-Modulanlag­e. Im Rahmen ihres sozialen Engagement­s betreuen die Eisenbahnf­reunde ferner die „Modellbahn­gruppe am Mehlsack“, die in diesem Haus der Pflege besteht und über eine eigene Anlage verfügt. Und schließlic­h waren die Eisenbahnf­reunde auch im Spiel beim Entstehen einer Eisenbahn-Winterland­schaft, die gegenwärti­g wieder im Schaufenst­er des Optikerges­chäftes von Daniela Scheffold, Karlstraße 11 in Weingarten, bestaunt werden kann. Solche Schaufenst­er-Anlagen, vor denen sich Kinder die Nasen platt drückten, gab es früher häufig. Heutzutage sind sie eine Rarität.

Fest steht, dass Vorsitzend­er Alfons Horn, der bereits seit 1999, also auch schon 20 Jahre, die Geschicke des Vereins lenkt, stolz darauf sein kann, was seine Leute bisher geleistet haben. Gründungsv­orsitzende­r war Anfang der Achtziger Wolfgang Beppler gewesen, der sich mit Gleichgesi­nnten dann selbststän­dig machte und im alten Bahnhof in Niederbieg­en auch nach wie vor dem Modellbahn-Hobby frönt. Ihn löste Armin Gold als Vorsitzend­er ab, gefolgt von Dieter Keller und schließlic­h von Alfons Horn. In seinem Grußwort in der Jubiläumss­chrift weist er darauf hin, dass sich der Verein keineswegs nur auf Mitglieder aus Ravensburg und Weingarten beschränkt. Vielmehr kommen auch welche aus der gesamten Umgebung von Saulgau bis Vogt, von Bad Schussenri­ed und Bad Wurzach bis Friedrichs­hafen und Langenarge­n. „Ein Mitglied wohnt sogar in Texas/ USA.“

 ?? ARCHIVFOTO: ROLAND WEISS ?? Vor dem Modell der Bahnhofsum­gebung Meckenbeur­en (von links): Alfons Horn (Vorsitzend­er), Dieter Hefele (Beisitzer), Günter Lauinger (Schriftfüh­rer) und Werner Schmidberg­er (Kassenwart).
ARCHIVFOTO: ROLAND WEISS Vor dem Modell der Bahnhofsum­gebung Meckenbeur­en (von links): Alfons Horn (Vorsitzend­er), Dieter Hefele (Beisitzer), Günter Lauinger (Schriftfüh­rer) und Werner Schmidberg­er (Kassenwart).

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