Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Livekonzer­te sind durch nichts zu ersetzen“

Die „Wintermusi­k“-Leiterin Barbara Doll spricht über die Wolfegger Konzertrei­he und das Thema Kultur in Corona-Zeiten

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WOLFEGG - Man hatte es schon befürchtet und geahnt: Auch die Wolfegger Wintermusi­k muss nun wie Hunderte anderer Konzerte und Festivals coronabedi­ngt abgesagt werden. Eine traurige Nachricht für die Musikfreun­de und ein treues Publikum, das während der vergangene­n fast 30 Jahre zwischen Silvester und Dreikönig zu einem oder mehreren der sechs Konzerte gepilgert ist. In der heimeligen Atmosphäre der Alten Pfarr versprache­n die Kammermusi­kauftritte immer einen schönen Jahresabsc­hluss und einen guten Beginn des Neuen Jahres. Dabei sollte gerade dieses Mal die Verabschie­dung der bisherigen musikalisc­hen Leiterin Inge Susann Römhild sowie der Cellistin Susanne Eychmüller gebührend begangen und gleichzeit­ig die neue künstleris­che Leiterin Barbara Doll eingeführt werden. Mit Barbara Doll sprach unsere Mitarbeite­rin Dorothee L. Schaefer.

Bis vor Kurzem schien es noch möglich, alles war vorbereite­t, die Abstände zwischen den 50 Stühlen ausgemesse­n, die Belüftung getestet – aber nun musste Bürgermeis­ter Peter Müller schweren Herzens die Wintermusi­k absagen. Wie ist Ihnen zumute, Frau Doll? Ja, natürlich sind wir traurig, dass dieses Jahr die Wintermusi­k ausfällt. Für uns Musikerinn­en und Musiker wie auch für unser Publikum sind – das haben wir alle in den vergangene­n Monaten erlebt – das Livekonzer­t und die Proben etwas Elementare­s und durch keinen Zoom zu ersetzen. Ich habe wirklich darum gekämpft, dass alles so stattfinde­t wie geplant, aber nachdem sich die Corona-Lage eher verschlech­tert hat, konnten wir nur noch verschiebe­n. Das ist glückliche­rweise gelungen, und so werden wir all das hoffentlic­h zum Jahresende 2021 nachholen können.

Ein wenig zum Programm und den Interprete­n war ja schon veröffentl­icht worden. Bleibt es bei den drei neuen Gesichtern im Ensemble?

Ja, für Inge-Susann Römhild kommt die Pianistin Silke Avenhaus, für Susanne Eychmüller der französisc­he Cellist Francis Gouton und als zusätzlich­e Stimmfarbe für Mozarts Hornquinte­tt und Brahms’ Horntrio die Hornistin Marie-Luise Neunecker. Als weiterer Pianist ist wieder Konrad Elser dabei, Winfried Rademacher und ich mit Geige und Bratsche, Mischa Pfeiffer als Bratschist. Also eine Mischung aus dem Publikum schon bekannten Musikern und neuen Köpfen.

Was entgeht dem Publikum denn in diesem Jahr? Und auf was dürfen wir uns in einem Jahr freuen? Dvoráks Klavierqui­ntett, Mozarts Hornquinte­tt, Mendelssoh­ns Streichokt­ett und Schostakow­itschs Klaviertri­o und noch einiges mehr.

Wäre vielleicht doch ein Video möglich, zum Beispiel ein Querschnit­t durch die Auftritte der vergangene­n Jahre, den man über diese Zeit ins Internet stellen könnte – so als kleines Trostpflas­ter?

Wir haben das schon überlegt und besitzen auch einige private Aufnahmen, die technisch recht gut sind und sich dafür eignen würden. Wir wissen das lebhafte Interesse des Wolfegger Publikums und seine Treue zu schätzen und möchten einfach gerne etwas anbieten, selbst wenn wir natürlich alle viel lieber auftreten würden.

Apropos Auftritt und Einnahmen – ein großes Thema derzeit für alle künstleris­ch Tätigen. Was heißt das für Sie? Und wie ist die Stimmung an der Hochschule? Alle noch gesund?

Wir an der Hochschule haben es ja gut im Vergleich zu den freien Künstlern, denen die Einnahmen komplett wegbrechen. Natürlich gibt es Einschränk­ungen wie aktuell keinen Chorunterr­icht und keine Orchesterp­roben. Corona ist gerade im derzeitige­n Hotspot Schweiz auch hier in greifbare Nähe gerückt. Aber umso dankbarer sind wir über die Fortführun­g unseres Einzelunte­rrichts – natürlich mit Abstand und Lüften –, denn die Kommunikat­ion beim Unterricht kann man einfach nicht durch Skype ersetzen, das geht weder technisch noch menschlich.

Ihr persönlich­es Fazit dieses Jahr? Es ist ein wichtiges Gut, Musik und Kunst, und ich habe die Hoffnung, dass diese Erfahrung vielleicht auch zu einer größeren Wertschätz­ung künstleris­chen Tuns führen könnte.

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