Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kritik an Stadt: „So macht man den Handel kaputt“
Leser wünschen sich besseren ÖPNV – Radeln für Mütter mit Kindern nicht so einfach
RAVENSBURG - Die Ravensburger Stadtverwaltung arbeitet im Auftrag des Gemeinderats nach Kräften daran, die Stadt für Autofahrer uninteressanter und sie im Gegenzug für Radler und Buskunden attraktiver zu machen. Dafür sollen unter anderem auf bisher kostenlosen Parkplätzen Gebühren fällig und Stellplätze eingestampft werden. Der Bericht „Stadt will unattraktiver für Autofahrer werden“hat sowohl auf der Internetals auch auf der Facebook-Seite der „Schwäbischen Zeitung“eine lebhafte Diskussion und vor allem viel Kritik ausgelöst.
Susann G. beispielsweise bezweifelt, ob die Pläne der Stadt der richtige Ansatz sind: „Für die jetzt schon gebeutelten Geschäfte und die Gastronomie sicher nicht“, glaubt sie. Bernd M. befürchtet, dass die Leute dann halt nach Ulm gehen und kritisiert: „So macht man den Handel kaputt.“Auch Andreas E. denkt, dass sich am Ende vor allem der Onlineversand Amazon freut. Helga H. ist ebenfalls überzeugt, dass „Amazon steigende Umsätze aus dem ländlichen Landkreis Ravensburg haben wird, die dann CO2-neutral von zehn verschiedenen Logistikdienstleistern geliefert werden“.
Und Stephanie K. befürchtet gar, dass Ravensburg mit den anvisierten Maßnahmen dasselbe drohen könnte wie der Reutlinger Innenstadt: Die habe man „nicht nur für Autofahrer unattraktiv gemacht, sondern somit auch für die Kunden von kleinen Einzelhändlern“. Folge: Die Reutlinger Innenstadt werde gemieden, „kleine Geschäfte schließen, Leerstand in der Haupteinkaufsstraße“.
Harald B. glaubt ebenfalls, dass „alles, was jetzt den Einzelhandel vor Ort behindert, kontraproduktiv ist“. Seiner Ansicht nach gehören dazu nicht nur „ständige Preiserhöhungen im ÖPNV“, sondern auch „zusätzliche oder höhere Parkgebühren“. Er findet, genau das Gegenteil sei notwendig, um Menschen in die Stadt zu locken. Manuel S. schlägt in dieselbe Kerbe und schreibt: „Unattraktives und teures Parken führt ganz einfach dazu, dass noch mehr Leute ihr Zeugs im Internet bestellen.“Darüber werde sich der Einzelhandel in der Innenstadt sicherlich nicht freuen können. Auch Zeki B. sieht kommen, dass, sofern es weniger Parkplätze gebe, „weniger Leute von außen“nach Ravensburg kommen. Worunter dann die Cafés und Geschäfte zu leiden hätten. Markus S. hält allerdings dagegen: Als in der Ravensburger Innenstadt „die Fußgängerzone kam“, sei ebenfalls „der Untergang herbeigeredet“worden.
Katrin M. gibt zu bedenken, dass man von außerhalb „nicht mal eben mit drei Kids zum Einkaufen in die
Stadt“radle. Andere Städte würden auf Parkgebühren verzichten, „um Leute in die Innenstadt zu bekommen“– Markdorf beispielsweise. Ravensburg habe das offenbar nicht nötig und vertreibe die Kunden stattdessen. Katharina A. bestätigt das, sie schreibt: „Wenn man mit Kind unterwegs ist und dann noch ungeplant schneller heim muss, kann man nicht noch zwei Stunden auf den nächsten Bus warten, um dann nochmals eine Stunde im Bus zu sitzen! Abgesehen davon bin ich mit dem Auto günstiger.“Sie gibt außerdem zu bedenken, es gäbe ohnehin schon zu wenig Busfahrer.
Sascha F. wiederum fordert, man solle erst einmal mehr Busse oder gar Straßenbahnen einführen. Und Karin W. unterstreicht, sie sei schon früher lieber nach Weingarten gefahren – wegen der bis vor Kurzem kostenlosen Parkhäuser. Im Übrigen sei sie „bis ich an der Bushaltestelle bin, mit dem Auto schon dort“. Auch Aysim A. fordert, man solle dafür sorgen, „dass mehr Linienbusse fahren, vor allem zu den Stoßzeiten“. Mel P. beklagt, dass es aktuell so teuer sei, von Bad Waldsee nach Ravensburg mit dem Bus zu fahren, „dass ich tatsächlich lieber das Auto nehme und noch günstiger dabei wegkomme als mit dem Bus!“Das sei definitiv ein verbesserungswürdiger Zustand.
Martina K.s Kommentar geht in eine ähnliche Richtung: Ihrer Meinung nach müsse die Stadt sich „noch einiges einfallen lassen im öffentlichen Nahverkehr“. Auch sie führt ein Beispiel an: Nehme sie vom Ravensburger Goetheplatz aus den Bus zur Post nach Weingarten, koste das 2,30 Euro
„und dauert 24 Minuten reine Fahrzeit – obendrauf kommen sechs bis sieben Minuten Fußweg“. Mit dem Auto benötige sie stattdessen 14 Minuten „direkt vor der Haustür“und es koste sie lediglich rund einen Euro – zu jedem beliebigen Zeitpunkt. Das bestätigt Franz H., der das Autofahren in Ravensburg ohnehin schon unattraktiv findet. Er macht deutlich: „So lange man in den öffentlichen Verkehrsmitteln von der Oststadt in die Weststadt über eine halbe Stunde Fahrtzeit hat, werde ich jedenfalls weiterhin meinen Pkw benutzen müssen.“
Lediglich Dirk Z. vertritt die Meinung, dass Autos „nicht in die Innenstadt gehören, schon gar nicht in eine Altstadt“. Rudolf S. verweist auf die Verkehrswende, die in vielen Städten stattfinde. Er erläutert: „Und der Hauptanteil dieser ist nun mal der Umstieg vom Pkw auf alternative Mobilität wie ÖPNV, Fahrrad, zu Fuß, Fahrgemeinschaften.“Manfred L. vertritt eine ähnliche Ansicht und wendet sich gegen die immer gleiche Mär vom Untergang des Handels, der eine autogerechte Stadt wünsche. Dabei lägen doch „die besten und teuersten Lagen für Händler bekannterweise in den Fußgängerzonen– und Parkhäuser ein paar Schritte davon entfernt“. Eine Stadt sei „kein Selbstbedienungsladen für selbst ernannte Autolobbyisten, denen jede Empathie zur Aufenthaltsqualität für alle anderen fehlt“.
Ulf T. missfällt etwas ganz anderes: In Bezug auf die von der Stadtverwaltung angestrebte Reduzierung der Motorisierungsquote fragt er, was diese sich eigentlich anmaße. Denn: „Die Stadtbewohner sind mündige Bürger und keine kleinen Kinder, die bevormundet und erzogen werden müssen.“Claus E. hingegen hat den Eindruck, Politik und Verwaltung erlebten derzeit „einen totalen Realitätsverlust“und kritisiert die Pläne als realitätsfremd: „So hat unsere Stadt gar keine Zukunft mehr.“