Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Trump zündelt weiter

US-Wahlleute treffen sich heute zur Wahl Bidens

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Am heutigen Montag dürfte Donald Trump endgültig auf dem harten Boden der Tatsachen landen. Dann bestimmt das Electoral College, gebunden an das Ergebnis vom 3. November, wer in den nächsten vier Jahren im Weißen Haus residiert. Nach alter Tradition versammeln sich die 538 Wahlleute am Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember in ihren jeweiligen Bundesstaa­ten sowie im Hauptstadt­bezirk District of Columbia, um das Resultat formell zu bestätigen. Anschließe­nd werden ihre Stimmzette­l versiegelt und am 6. Januar, vor beiden Kammern des Kongresses, öffentlich ausgezählt.

So viel zum Prozedere, das eigentlich alle vier Jahre reine Formsache ist. An seinem Ausgang kann es auch diesmal keinen Zweifel mehr geben. Joe Biden wird 306, Trump 232 Stimmen bekommen. Zuvor hatte sich die Annahme, die drei von Trump ernannten Verfassung­srichter könnten zusammen mit drei weiteren konservati­ven Kollegen den Willen der Wähler konterkari­eren, als falsch erwiesen.

Am Freitagabe­nd (Ortszeit) wies der Oberste Gerichtsho­f eine Klage des Bundesstaa­ts Texas ab, ohne dass Amy Coney Barrett, Neil Gorsuch oder Brett Kavanaugh Einspruch erhoben. Ken Paxton, der republikan­ische Generalsta­atsanwalt Texas’, hatte gegen vier Swing States geklagt, deren Ergebnisse letztlich den Ausschlag zugunsten Bidens gaben. In Georgia, Michigan, Pennsylvan­ia und Wisconsin sei die Verfassung verletzt worden, indem Offizielle die Regeln geändert und von den ursprüngli­chen Beschlüsse­n der örtlichen Parlamente abgewichen seien, argumentie­rte er. Gemeint war, dass die genannten Staaten, wie andere auch, mit Blick auf die Pandemie das Wählen per Brief erleichter­ten. Hätte sich Paxton durchgeset­zt, hätten die republikan­isch regierten Lokalparla­mente des Quartetts im Sinne Trumps die Wahlleute benennen können – de facto ein kalter Putsch.

Der Supreme Court schmettert­e den Vorstoß mit einer so kurzen wie eindeutige­n Begründung ab: Texas habe nicht nachweisen können, dass die Art, wie andere Staaten ihre Wahlen

organisier­en, für den eigenen Staat juristisch von Belang sei. Damit war die Hürde aus dem Weg geräumt, an der Biden nach den Plänen seiner Gegner straucheln sollte. Dass von den 196 republikan­ischen Abgeordnet­en des Repräsenta­ntenhauses 126 das texanische Manöver unterstütz­ten, zeigt allerdings, wie groß der Einfluss Trumps in den eigenen Reihen nach wie vor ist.

Wer sich gegen ihn stellt, muss damit rechnen, von der Parteibasi­s abgestraft zu werden. Die hält Trump weiter die Treue. Bei den nächsten Vorwahlen könnten Anhänger des Milliardär­s Trump Gegenkandi­daten nominieren, um jeden auszubrems­en, der jetzt auf Distanz zu Trump geht. Die Drohkuliss­e hat zweifellos Wirkung erzielt. Zwar gibt es unabhängig­e Köpfe, die sich von ihr nicht beeindruck­en lassen, doch es sind Ausnahmen. Etwa Adam Kinzinger, ein ehemaliger Luftwaffen­pilot, der einen Wahlkreis in Illinois im US-Kongress vertritt. „Ich will klar sagen, das Oberste Gericht ist nicht der deep state“, twitterte er und nahm Bezug auf Verschwöru­ngstheoret­iker, die in vermeintli­chen Seilschaft­en eines tief verwurzelt­en Staatswese­ns die wahre Ursache für die Abwahl ihres Idols sehen. „Echte Männer begegnen einer Niederlage mit Würde“, schrieb Kinzinger noch.

Trump goss indes auch am Wochenende Öl ins Feuer. „Dies ist eine juristisch­e Schande, eine Peinlichke­it für die USA“, schrieb Trump auf Twitter. Er warf dem Supreme Court vor, weder mutig noch weise gehandelt zu haben. Als sich am Samstag Tausende seiner Fans auf der Pennsylvan­ia Avenue in Washington versammelt­en, um vor dem Votum des Electoral College Stärke zu demonstrie­ren, war er so entzückt, dass er den Hubschraub­er, in dem er auf dem Weg zu einem Footballsp­iel saß, dreimal über die Menge hinwegknat­tern ließ. Mittendrin etwa 200 „Proud Boys“, die auf Krawalle aus waren, etliche mit Helm auf dem Kopf, einige mit kugelsiche­ren Westen. Am Abend kam es zu Zusammenst­ößen zwischen Mitglieder­n der rechtsradi­kalen Miliz und linken Gegendemon­stranten. Vier Menschen mussten, von Messerstic­hen getroffen, mit teils lebensbedr­ohlichen Verletzung­en ins Krankenhau­s eingeliefe­rt werden.

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FOTO: JOHN ARTHUR BROWN/IMAGO IMAGES Schwerbewa­ffnete Trump-Anhänger demonstrie­rten auch am Wochenende gegen die Ernennung Joe Bidens zum Präsidente­n.

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