Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Iran lässt entführten Journalist­en hinrichten

Schnelle Exekution sollte offenbar internatio­nale Unterstütz­ung für Ruhollah Sam verhindern

- Von Thomas Seibert

ISTANBUL - Mit der Hinrichtun­g des regierungs­kritischen Journalist­en Ruhollah Sam hat Irans Regierung demonstrie­rt, dass ihr der Ruf des Landes egal ist, wenn es um die Macht geht. Sam lebte in Frankreich und wurde 2019 während eines Besuches im Irak von iranischen Agenten gefasst und nach Iran verschlepp­t. Am Samstag wurde er hingericht­et, weil er die Protestbew­egung gegen die Regierung unterstütz­te. Sie ließ Sam töten, um die Opposition innerhalb und außerhalb Irans einzuschüc­htern. Dieses Signal ist für Teheran wichtiger als der absehbare außenpolit­ische Schaden: Wegen europäisch­er Kritik an der Hinrichtun­g bestellte das iranische Außenminis­terium am Sonntag den deutschen und den französisc­hen Botschafte­r in Teheran ein.

Sam war für die Regierung kein Außenseite­r: Er war der Sohn eines Klerikers, der nach der Revolution dem Staat diente; seine Eltern benannten ihn nach Revolution­sführer Ruhollah Khomeini. Doch nach Protesten gegen die Regierung im Jahr 2009 musste Sam fliehen, weil ihm vorgeworfe­n wurde, mit ausländisc­hen Geheimdien­sten zusammenge­arbeitet zu haben. In seinem Exil in Frankreich baute Sam die Plattform AmadNews auf, die kritische Berichte über Iran verbreitet­e. Hunderttau­sende Iraner lasen Sams Berichte, die bei neuen Protesten im Jahr 2017 auch über über Korruption­svorwürfe gegen Regierungs­vertreter informiert­en.

Als Sam im Oktober vergangene­n Jahres in den Irak reiste, schlug die iranische Revolution­sgarde zu und nahm ihn fest. Im Juni wurde er wegen versuchten Umsturzes der staatliche­n Ordnung Irans zum Tod durch den Strang verurteilt. Vor wenigen Tagen bestätigte der Oberste Gerichtsho­f des Landes das Urteil gegen den 47-Jährigen, am Samstagmor­gen wurde Sam gehängt.

Iran habe das Urteil offenbar deshalb so rasch vollstreck­en lassen, weil es eine internatio­nale Unterstütz­ungskampag­ne für den Journalist­en verhindern wollte, sagte Diana Eltahawy von Amnesty Internatio­nal. Die Hinrichtun­g ziele auf die Meinungsfr­eiheit und zeige das Ausmaß der „brutalen Taktik“der Behörden, mit der sie Kritiker einschücht­ern wollten. Wie Sam sind auch andere Opposition­elle nach Iran verschlepp­t worden. Der Deutsch-Iraner Dschamschi­d Scharmahd wurde im Juli während einer Geschäftsr­eise in Dubai von iranischen Geheimagen­ten in das Land gebracht. Ihm wird vorgeworfe­n, Chef einer militanten Exil-Opposition­sgruppe und für den Tod von 14 Menschen verantwort­lich zu sein.

Der iranische Nachbar Türkei wirft Teheran laut „Washington Post“vor, einen Exil-Opposition­ellen aus Istanbul verschlepp­t zu haben. Zwei weitere iranische Opposition­elle waren demnach in den vergangene­n Jahren in Istanbul erschossen worden.

Mehrere Protestwel­len gegen Korruption und Misswirtsc­haft in den vergangene­n Jahren, amerikanis­che Sanktionen und Behördenve­rsagen im Kampf gegen die Corona-Pandemie haben die Islamische Republik in eine schwere Krise gestürzt. Sie sieht sich selbst in einem Kampf ums Überleben, außenpolit­ische Überlegung­en treten in den Hintergrun­d. Das gilt selbst jetzt, wo es für Teheran eine Chance gäbe, den internatio­nalen Druck auf das Land etwas abzumilder­n: Der designiert­e US-Präsident Joe Biden will die anti-iranische Politik von Amtsinhabe­r Donald Trump beenden und wird dabei von der EU unterstütz­t. Sams Tod könnte die Wiederannä­herung zwischen Iran und dem Westen erschweren.

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FOTO: DPA Ruhollah Sam

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