Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Zeit ist Geld
Wie der Sammlermarkt für Armbanduhren im Luxussegment tickt
STUTTGART - Zu Zeiten, in denen das Sparbuch keine Rendite mehr abwirft, setzen so manche Investoren unter den Sammlerobjekten auf hochwertige Armbanduhren. Das Luxus-Segment, das der Knight Frank Investment Index widerspiegelt, weist allerdings für 2019 lediglich ein Plus von zwei Prozent aus.
Wer aber die Zeit hatte, die vergangenen zehn Jahre abzuwarten, konnte mit den richtigen Modellen in den Genuss einer Wertsteigerung von immerhin 60 Prozent kommen. Zeit ist eben doch manchmal Geld. Als teuerste Uhr der Welt gilt derzeit eine Patek Philippe Grandmaster Chime Ref. 6300A, die im November 2019 bei Christie's für 28,6 Millionen Euro unter den Hammer kam – für „Normalsterbliche“ohnehin nicht erschwinglich. Und so täuschen derartige Luxusprodukte mit exorbitanten Preisen oft über die sonstige Preisentwicklung für gebrauchte, hochwertige Armbanduhren hinweg.
Dies rührt auch daher, dass es im Vergleich zu Aktien und Anleihen für den Handel seltener Luxusgegenstände keinen festgelegten Marktplatz wie eine Börse gibt. „Den Preis hochwertiger Armbanduhren machen vielmehr die Käufer“, sagt dazu Heinz Knehr, Inhaber des Traditionsgeschäfts „Uhren Kölle“in
Ulm. Daher ist der zu erzielende Preis immer nur Ausdruck einer temporären Nachfrage. Das bedeutet, dass Uhrenmärkte weder transparent, noch homogen sind. Räumliche, zeitliche und persönliche Präferenzen spielen eine große Rolle, und doch kann es sein, dass sich Veränderungen nicht sofort im Preis niederschlagen.
Dennoch gibt es einige Anhaltspunkte, an denen sich Investoren, die auf Wertsteigerungen hoffen, orientieren können. So legt das Portal
Watchtime.net den Anlegern nahe, auf Modelle hochwertiger Hersteller wie Audemars Piguet, Vacheron Constantin, Rolex oder Patek Philippe zu setzen. Als Basis-Investments sollte man demnach auch auf liquide Vintage-Uhren der bekannten Marken bauen. Das sind beispielsweise Rolex Pre-DaytonaHandaufzugsmodelle, Modelle der Marke Rolex mit Gilt-Schrift oder Patek Philippe Ewiger Kalender.
Darüber hinaus bedarf es zur Wertermittlung einer Uhr aus zweiter Hand einer Prüfung der Authentizität, bei der der Anteil der Originalteile festgestellt wird. Außerdem gilt es, vom Fachmann die technische Bewertung eines Zeitmessers für das Handgelenk erstellen zu lassen. „Laufleistung, Modell und Marke sowie die Häufigkeit der Uhr“, nennt Knehr als wichtige, ausschlaggebende Kriterien, auf die es alle zusammen bei der Wertermittlung ankommt. Insbesondere aber ist in seinen Augen der Zustand der Uhr entscheidend. „Ein Messinstrument, wie die Uhr es ist, muss nun mal in der Lage sein, die Zeit auch zu messen“, sagt er, der ein erklärter Freund von A. Lange & Söhne aus Glashütte ist.
Trotz eines schwankungsanfälligen Marktes sei die Nachfrage nach Luxusuhren so hoch wie noch nie, sagt Firmengründer Tim Stracke über seinen Online-Marktplatz für Luxusuhren, Chrono24 in Karlsruhe. „Der durchschnittliche Verkaufspreis begehrter Marken hat in den letzten Jahren kontinuierlich hinzugewonnen“, sagt er. Beispielhaft nennt er die Omega Speedmaster Moonwatch mit dem Sondermodell „First Omega in Space“, die in den vergangenen drei Jahren zwölf Prozent an Wert zugelegt hätte und nun für 3.600 Euro gehandelt wird. Dagegen hat die Rolex GMT-Master II Batman in zwölf Monaten fast 24
Prozent verloren, liege aber mit 14.000 Euro immer noch deutlich über dem offiziellen Preis.
Als eine eher ernüchternde Indikation für den Preistrend von Luxuschronometern kann auch der in Luxemburg notierte Uhrenfonds „Precious time“(ISIN LU0566795539) von Elite Advisors dienen, der nach seinem Start 2011 rasch um mehr als 25 Prozent auf rund 125 Euro zulegen konnte. Inzwischen aber ist der Wert drastisch auf knapp unter 100 Euro abgesackt. Per Oktober war der Fonds zu 50 Prozent in Patek Philippe sowie zu insgesamt 30 Prozent in Breguet, Rolex, Audemars Piguet, Vacheron Constantin und Cartier investiert. Daher gilt es, sämtliche Preisvorstellungen bei Luxusuhren kritisch zu hinterfragen.
So spricht Branchenkenner Heinz Knehr von „preislichen Luftblasen“, die er im Internet immer wieder beobachte. „Auf diese Weise werden die Preise künstlich hochgetrieben“, sagt er, der 40 Jahre Erfahrung in der Wertermittlung von Uhren hat.