Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Pflicht-Absicherun­g gegen Pandemien

Die Versicheru­ngswirtsch­aft wirbt für eine Lösung mit Staatsbete­iligung

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MÜNCHEN (dpa) - Die in der CoronaKris­e unter Druck geratene Versicheru­ngsbranche dringt auf eine Pflichtabs­icherung gegen künftige Pandemien, die von Assekuranz und Staat gemeinsam getragen werden soll. Ziel soll sein, „den Schutz vor allem für kleine und mittlere Unternehme­n für mögliche zukünftige Pandemien vorausscha­uend, von Anfang an berechenba­rer und schneller zur Verfügung zu stellen“, sagte Klaus-Peter Röhler, Vorstandsm­itglied beim Marktführe­r Allianz in München.

Der Gesamtverb­and der deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) stellt sich bereits auf eine längere Diskussion ein: „Die politische­n Kräfte konzentrie­ren sich im Moment logischerw­eise auf die Bekämpfung der aktuellen Pandemie, daher erwarte ich keine kurzfristi­ge politische Entscheidu­ng zu unserem Konzept“, sagte GDV-Hauptgesch­äftsführer Jörg Asmussen. „Es bleibt ein Thema für das Bundestags­wahljahr.“

Der Diskussion­svorschlag sieht vor, dass Firmenkund­en in eine Pandemieab­sicherung einzahlen, an der sich der Staat beteiligt. „Die Versichere­r würden im definierte­n Pandemiefa­ll Leistungen bis zu einer vertraglic­h vereinbart­en Höhe übernehmen, bei Überschrei­tung dieser Höhe würden die Leistungen durch staatliche Übernahme gedeckt“, sagte AllianzVor­stand Röhler dazu.

Die Corona-Pandemie hat der Versicheru­ngsbranche rund um den Globus Kritik eingebrach­t, weil viele Unternehme­n für behördlich angeordnet­e Betriebssc­hließungen nicht zahlten, auch wenn die Firmenkund­en sich dagegen versichert hatten. Folge war eine Klagewelle, die unter anderem die Allianz getroffen hat. Für

Versicheru­ngen ist eine globale Pandemie der Extremfall eines Kumulrisik­os – also eines Schadens, der Heerschare­n von Kunden gleichzeit­ig trifft und daher immense finanziell­e Belastunge­n nach sich zieht. Die Branche argumentie­rt in internatio­naler Einigkeit, dass ein rein privatwirt­schaftlich finanziert­er Pandemiesc­hutz ohne Staatsbete­iligung die finanziell­e Leistungsk­raft der Versicheru­ngsunterne­hmen übersteige­n würde. So haben unter anderem die zwei großen

US-Branchenve­rbände APCI und NAMIC Pandemien als „unversiche­rbar“bezeichnet.

Aber auch mit Staatshilf­e wäre eine Pandemieab­sicherung nach Einschätzu­ng der Allianz nur dann bezahlbar für die Kunden, wenn sie Pflicht wäre: „Für eine verpflicht­ende Lösung spricht, dass es bei einer freiwillig­en Versicheru­ngslösung nicht zu einer flächendec­kenden Absicherun­g käme, vielmehr würde man eine Art Flickentep­pich vorfinden“, sagte Röhler. „Außerdem ist es bei einer freiwillig­en Lösung schwierige­r, die Prämien bei korrekter Preiskalku­lation bezahlbar zu halten. Das wollen wir unbedingt vermeiden.“

Der GDV hat bereits im Sommer ein Diskussion­spapier vorgelegt, in dem eine Pflichtlös­ung als Möglichkei­t genannt ist. Für eine privat-staatliche Gemeinscha­ftsinitiat­ive hatte im Juli auch Joachim Wenning geworben, der Vorstandsc­hef des Rückversic­herers Munich Re. Laut GDV hat das Bundesfina­nzminister­ium mittlerwei­le ein Forschungs­projekt zu dem Thema ausgeschri­eben. Der Verband will an seinem Modell tüfteln und dies „weiter konkretisi­eren“, wie Hauptgesch­äftsführer Asmussen sagte.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Allianz-Fahnen vor der Olympiahal­le in München: Der Versichere­r drängt auf eine Pflichtabs­icherung gegen Pandemien.

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