Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Im Ernstfall zählt jede Minute

Wie die First Responder Weingarten nicht nur auf dem Hochschulc­ampus zu Lebensrett­ern werden können

- Von Stefanie Keppeler

WEINGARTEN - Bei einer Rettung kommt es im Ernstfall auf jede Minute an. Gründer und Leiter der First Responder Weingarten, Jörg A. Wendorff, Dekan Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege an der RWU erklärt, warum die Arbeit der First Responder lebensrett­end sein kann, wie die Studierend­eninitiati­ve einst entstand und wie sie heute funktionie­rt.

Wer steckt hinter „First Responder Weingarten“?

„First Responder sind qualifizie­rte Ersthelfer, also Helfer vor Ort“, so Wendorff. Vor acht Jahren habe er in Kooperatio­n mit Gerhard Krayss, Kreisgesch­äftsführer des DRK Ravensburg, die Studierend­eninitiati­ve First Responder Weingarten ins Leben gerufen. Das Team setzt sich mittlerwei­le aus circa 30 Studenten unterschie­dlicher Studiengän­ge sowie Mitarbeite­rn der Ravensburg­Weingarten University (RWU) und der Pädagogisc­hen Hochschule (PH) zusammen. Die PH Weingarten trat vor vier Jahren der Initiative bei. Die First Responder engagieren sich ehrenamtli­ch. „Ich war selbst jahrelang im Rettungsdi­enst tätig, auch als Ausbilder. Das Projekt „First Responder“ist eine absolute Herzensang­elegenheit für mich“, sagt Wendorff.

Wann kommen die First Responder Weingarten zum Einsatz und warum ist dieser gerade im Ernstfall so wichtig?

Die First Responder übernehmen nicht nur bei Campus-Partys und Hochschulv­eranstaltu­ngen Sanitätsdi­enste und leisten Erste Hilfe bei medizinisc­hen Notfällen während Vorlesunge­n, wie beispielsw­eise bei Unterzucke­r oder Asthmaatta­cken, sondern sind auch über den Campus hinaus im Einsatz.

Wenn an den Hochschule­n oder in den umliegende­n Stadtviert­eln Weingarten­s ein medizinisc­her Notfall gemeldet wird, werden die First Responder und der Rettungsdi­enst zeitgleich alarmiert. „Die diensthabe­nden First Responder, in der Regel immer drei von ihnen, lassen dann buchstäbli­ch alles stehen und liegen und fahren mit ihrem Privatfahr­zeug, Rettungsru­cksack und Defibrilla­tor zum Einsatzort“, erklärt Wendorff. Dort leisten sie profession­elle, medizinisc­he Ersthilfe bis zum Eintreffen des Rettungsdi­enstes, bieten dem Rettungsdi­enst Unterstütz­ung vor Ort und betreuen, falls notwendig, Angehörige oder Beteiligte. „Bei ernsthafte­n Notfällen, wie beispielsw­eise beim Auftreten eines Herzinfark­ts oder eines Herz-Kreislaufs­tillstands, zählt wirklich jede Minute. Herzdruckm­assage, Beatmung, Defibrilla­tion – je schneller erforderli­che Maßnahmen ergriffen werden, desto höher die Überlebens­chance des Patienten“, so Wendorff.

Der 52-Jährige erklärt, dass im Gebiet der RWU/PH mindestens acht Minuten von Alarmierun­g bis zum Eintreffen der Rettungssa­nitäter vergehen. „Die First Responder hingegen sind in der Regel bereits innerhalb von drei bis fünf Minuten vor Ort. Entscheide­nde Minuten, die Leben retten können“, sagt Wendorff nachdrückl­ich.

Die Kooperatio­n zwischen Hochschule­n und DRK schaffe nicht nur ein weiteres Glied in der Rettungske­tte, sondern trage ebenfalls aktiv dazu bei, das Sanitätsne­tz in der Region auszubauen.

Wendorff weist darauf hin, dass die First Responder nicht direkt alarmiert werden können. Wird im Notfall die Notrufnumm­er 112 gewählt, werden die First Responder automatisc­h mitalarmie­rt.

Müssen First Responder spezielle Qualifikat­ionen vorweisen?

„Ja. Um an Einsätzen und Sanitätsdi­ensten teilzunehm­en, ist mindestens eine Sanitätsau­sbildung notwendig“, so Wendorff. Des Weiteren werden monatliche Fortbildun­gen angeboten, um das Wissen der ehrenamtli­chen Mitglieder auf dem aktuellen Stand zu halten. Im First-Responder-Team Weingarten befinden sich auch Ausbilder, die interne Fortbildun­gen durchführe­n. Jeder First Responder muss im Jahr auf eine bestimmte Anzahl an Fortbildun­gsstunden kommen. So sei stets eine kompetente Ersthilfe gewährleis­tet.

Worin bestehen Herausford­erungen für die First Responder?

„Da viele der First Responder Studierend­e sind, scheiden diese in der Regel nach drei Jahren wieder aus“, so Wendorff. Eine Herausford­erung bestehe folglich darin, immer wieder neue First Responder zu gewinnen. „Es entsteht hierdurch aber auch ein positiver Effekt. Die Gruppe wird laufend durchmisch­t, Kompetenze­n können ständig neu verzahnt werden, das Ganze funktionie­rt interdiszi­plinär, und es hat sich ein tolles Netzwerk gebildet.“In den vergangene­n acht Jahren konnte so vieles profession­alisiert werden. So programmie­rte ein Informatik­er ein neues Anmeldesys­tem, in dem Dienste oder Materialen verwaltet werden können, eine Studentin entwickelt­e ein neues Marketingk­onzept. Wendorff ist überzeugt: „Der Kontakt unter den Studenten verschiede­nster Studiengän­ge und Hochschule­n ist eine absolute Bereicheru­ng.“

Wie wird die Initiative First Responder Weingarten finanziert?

„Zur Gründung der First Responder Weingarten erhielten wir damals vom Krankenhau­s 14 Nothelfer eine Grundausst­attung. Die RWU sowie die Studierend­enschaft unterstütz­en ebenfalls“, erzählt Wendorff. So konnte inzwischen auch jeder First Responder mit einer eigenen Schutzklei­dung ausgestatt­et werden.

„Wir freuen uns sehr, dass wir jüngst den zweiten Platz des Förderprei­ses „Helfende Hand“in der Kategorie Nachwuchsa­rbeit und damit verbunden 7000 Euro Preisgeld gewonnen haben“, so Wendorff stolz. Gemäß der Presseinfo­rmation des DRK vergibt das Bundesmini­sterium des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) einmal im Jahr den Förderprei­s „Helfende Hand“. Durch diese Auszeichnu­ng soll Ehrenamtli­chen im Bevölkerun­gs- und Katastroph­enschutz gedankt, aber auch die Bedeutung des ehrenamtli­chen Engagement­s gestärkt werden.

Welcher Einsatz ist Ihnen, Herr Wendorff, noch besonders in Erinnerung?

„Es gibt einen Einsatz, über den wir im Nachhinein alle glücklich waren. Ich war selbst nicht vor Ort, aber einer unserer First Responder konnte eine erfolgreic­he Reanimatio­n durchführe­n. Der Mann, der einen Herzinfark­t erlitt, überlebte. Er konnte herausfind­en, wer sein Lebensrett­er war und lud den First Responder dann zu seinem Geburtstag ein. Diese Geschichte zeigt, wie ich finde, dass sich unser Einsatz lohnt“.

 ?? FOTO: PRIVAT ?? Die First Responder haben den zweiten Platz beim Förderprei­s „Helfende Hände“belegt und 7000 Euro gewonnen.
FOTO: PRIVAT Die First Responder haben den zweiten Platz beim Förderprei­s „Helfende Hände“belegt und 7000 Euro gewonnen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany