Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Im Ernstfall zählt jede Minute
Wie die First Responder Weingarten nicht nur auf dem Hochschulcampus zu Lebensrettern werden können
WEINGARTEN - Bei einer Rettung kommt es im Ernstfall auf jede Minute an. Gründer und Leiter der First Responder Weingarten, Jörg A. Wendorff, Dekan Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege an der RWU erklärt, warum die Arbeit der First Responder lebensrettend sein kann, wie die Studierendeninitiative einst entstand und wie sie heute funktioniert.
Wer steckt hinter „First Responder Weingarten“?
„First Responder sind qualifizierte Ersthelfer, also Helfer vor Ort“, so Wendorff. Vor acht Jahren habe er in Kooperation mit Gerhard Krayss, Kreisgeschäftsführer des DRK Ravensburg, die Studierendeninitiative First Responder Weingarten ins Leben gerufen. Das Team setzt sich mittlerweile aus circa 30 Studenten unterschiedlicher Studiengänge sowie Mitarbeitern der RavensburgWeingarten University (RWU) und der Pädagogischen Hochschule (PH) zusammen. Die PH Weingarten trat vor vier Jahren der Initiative bei. Die First Responder engagieren sich ehrenamtlich. „Ich war selbst jahrelang im Rettungsdienst tätig, auch als Ausbilder. Das Projekt „First Responder“ist eine absolute Herzensangelegenheit für mich“, sagt Wendorff.
Wann kommen die First Responder Weingarten zum Einsatz und warum ist dieser gerade im Ernstfall so wichtig?
Die First Responder übernehmen nicht nur bei Campus-Partys und Hochschulveranstaltungen Sanitätsdienste und leisten Erste Hilfe bei medizinischen Notfällen während Vorlesungen, wie beispielsweise bei Unterzucker oder Asthmaattacken, sondern sind auch über den Campus hinaus im Einsatz.
Wenn an den Hochschulen oder in den umliegenden Stadtvierteln Weingartens ein medizinischer Notfall gemeldet wird, werden die First Responder und der Rettungsdienst zeitgleich alarmiert. „Die diensthabenden First Responder, in der Regel immer drei von ihnen, lassen dann buchstäblich alles stehen und liegen und fahren mit ihrem Privatfahrzeug, Rettungsrucksack und Defibrillator zum Einsatzort“, erklärt Wendorff. Dort leisten sie professionelle, medizinische Ersthilfe bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes, bieten dem Rettungsdienst Unterstützung vor Ort und betreuen, falls notwendig, Angehörige oder Beteiligte. „Bei ernsthaften Notfällen, wie beispielsweise beim Auftreten eines Herzinfarkts oder eines Herz-Kreislaufstillstands, zählt wirklich jede Minute. Herzdruckmassage, Beatmung, Defibrillation – je schneller erforderliche Maßnahmen ergriffen werden, desto höher die Überlebenschance des Patienten“, so Wendorff.
Der 52-Jährige erklärt, dass im Gebiet der RWU/PH mindestens acht Minuten von Alarmierung bis zum Eintreffen der Rettungssanitäter vergehen. „Die First Responder hingegen sind in der Regel bereits innerhalb von drei bis fünf Minuten vor Ort. Entscheidende Minuten, die Leben retten können“, sagt Wendorff nachdrücklich.
Die Kooperation zwischen Hochschulen und DRK schaffe nicht nur ein weiteres Glied in der Rettungskette, sondern trage ebenfalls aktiv dazu bei, das Sanitätsnetz in der Region auszubauen.
Wendorff weist darauf hin, dass die First Responder nicht direkt alarmiert werden können. Wird im Notfall die Notrufnummer 112 gewählt, werden die First Responder automatisch mitalarmiert.
Müssen First Responder spezielle Qualifikationen vorweisen?
„Ja. Um an Einsätzen und Sanitätsdiensten teilzunehmen, ist mindestens eine Sanitätsausbildung notwendig“, so Wendorff. Des Weiteren werden monatliche Fortbildungen angeboten, um das Wissen der ehrenamtlichen Mitglieder auf dem aktuellen Stand zu halten. Im First-Responder-Team Weingarten befinden sich auch Ausbilder, die interne Fortbildungen durchführen. Jeder First Responder muss im Jahr auf eine bestimmte Anzahl an Fortbildungsstunden kommen. So sei stets eine kompetente Ersthilfe gewährleistet.
Worin bestehen Herausforderungen für die First Responder?
„Da viele der First Responder Studierende sind, scheiden diese in der Regel nach drei Jahren wieder aus“, so Wendorff. Eine Herausforderung bestehe folglich darin, immer wieder neue First Responder zu gewinnen. „Es entsteht hierdurch aber auch ein positiver Effekt. Die Gruppe wird laufend durchmischt, Kompetenzen können ständig neu verzahnt werden, das Ganze funktioniert interdisziplinär, und es hat sich ein tolles Netzwerk gebildet.“In den vergangenen acht Jahren konnte so vieles professionalisiert werden. So programmierte ein Informatiker ein neues Anmeldesystem, in dem Dienste oder Materialen verwaltet werden können, eine Studentin entwickelte ein neues Marketingkonzept. Wendorff ist überzeugt: „Der Kontakt unter den Studenten verschiedenster Studiengänge und Hochschulen ist eine absolute Bereicherung.“
Wie wird die Initiative First Responder Weingarten finanziert?
„Zur Gründung der First Responder Weingarten erhielten wir damals vom Krankenhaus 14 Nothelfer eine Grundausstattung. Die RWU sowie die Studierendenschaft unterstützen ebenfalls“, erzählt Wendorff. So konnte inzwischen auch jeder First Responder mit einer eigenen Schutzkleidung ausgestattet werden.
„Wir freuen uns sehr, dass wir jüngst den zweiten Platz des Förderpreises „Helfende Hand“in der Kategorie Nachwuchsarbeit und damit verbunden 7000 Euro Preisgeld gewonnen haben“, so Wendorff stolz. Gemäß der Presseinformation des DRK vergibt das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) einmal im Jahr den Förderpreis „Helfende Hand“. Durch diese Auszeichnung soll Ehrenamtlichen im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz gedankt, aber auch die Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements gestärkt werden.
Welcher Einsatz ist Ihnen, Herr Wendorff, noch besonders in Erinnerung?
„Es gibt einen Einsatz, über den wir im Nachhinein alle glücklich waren. Ich war selbst nicht vor Ort, aber einer unserer First Responder konnte eine erfolgreiche Reanimation durchführen. Der Mann, der einen Herzinfarkt erlitt, überlebte. Er konnte herausfinden, wer sein Lebensretter war und lud den First Responder dann zu seinem Geburtstag ein. Diese Geschichte zeigt, wie ich finde, dass sich unser Einsatz lohnt“.