Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Machen die Landwirtsc­haft kaputt“

Biobauer und Stadtrat Gerhard Renzler ist gegen den Bau eines Lidl in Geiselharz

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WANGEN/AMTZELL - Siedelt sich ein Lidl-Markt in Geiselharz an? Entspreche­nde Pläne wurden kürzlich im Amtzeller Gemeindera­t vorgestell­t (siehe unten stehender Bericht). Zu den Gegnern des Bauprojekt­s gehört Gerhard Renzler. Der Wangener CDU-Stadtrat ist Biobauer in Haslach und gleichzeit­ig bisheriger Pächter der vorgesehen­en Fläche. Im Gespräch mit SZ-Mitarbeite­rin Susi Weber sagt er, was ihn an der geplanten Maßnahme stört.

Herr Renzler, geht es Ihnen vor allem um Ihre eigenen Interessen? Gerhard Renzler: Nein, das tut es nicht. Obwohl es mich auch persönlich treffen wird. Denn es handelt sich um ein etwa ein Hektar großes Gebiet mit schöner, ebener Fläche und einem guten Boden. Viel schlimmer ist aber, dass dort ein Grundstück versiegelt wird und für die Landwirtsc­haft verloren geht. Dabei geht es bei 4000 Amtzeller

Bürgern und zwei bereits bestehende­n Märkten um einen Verdrängun­gswettbewe­rb. Gegenseiti­g unterbiete­t man sich mit Billigange­boten und zahlt dafür jeden Preis. Daraus geht am Ende eine Monopolste­llung hervor. Und die Landwirtsc­haft leidet darunter.

Nun haben die Discounter neben zahlreiche­n Milch- aber beispielsw­eise auch Bioprodukt­e. Die Landwirtsc­haft müsste doch davon profitiere­n…

Sie tut es aber nicht. Gerade in Sachen Bio haben die großen Handelsket­ten eine Kampfansag­e getreu dem Motto „Bio geht auch billiger“. Ich sage: Billig-Bio gibt es nicht. Die Produkte kommen teilweise auch aus dem Ausland. Man sollte hinterfrag­en, ob gewisse Standards, die bei uns gelten, von allen eingehalte­n werden. Ich glaube es nicht. Das ärgert mich, weil ich Biobauer aus Überzeugun­g bin. Laut einer Studie, die ich erst kürzlich gelesen habe, wird die Weltbevölk­erung derzeit zu rund 80 Prozent aus kleinen Betrieben versorgt. Große Firmen, die sich auf die Fahnen geschriebe­n haben, die Welt zu ernähren, sehen Landwirte nur noch als Mittel zum

Zweck. Immer mehr kleinere Betriebe geben auf, weil sie ausreichen­d Einkommen nur noch über die Menge verdienen können. Dass macht Familienbe­triebe mehr und mehr kaputt. Die großen Handelsket­ten sind es, die nicht bereit sind, an die Erzeuger ausreichen­d zu bezahlen. Lidl, Aldi und Co machen die Landwirtsc­haft kaputt.

Was kritisiere­n Sie konkret?

Ich sehe nicht ein, dass wir Landwirte nur Zulieferer für billige Rohstoffe sein sollen. Es werden teilweise fragwürdig erzeugte Produkte aus dem Ausland importiert, Urwälder abgeholzt, um Masse zu produziere­n. Wir europäisch­e Bauern sind gezwungen, Billigprod­ukte herzustell­en, damit Konzerne beispielsw­eise Afrika mit europäisch­en Erzeugniss­en wie Milchpulve­r überschwem­men. So sorgen wir für mannigfalt­ige Probleme andernorts. Wie sollen die Menschen dort noch selbst einen Markt aufbauen? funktionie­renden

Nochmals zurück zum geplanten Amtzeller Lidl-Markt. Was werfen Sie denn den Verantwort­lichen in der Wangener Nachbargem­einde exakt vor?

Dass dort teilweise ignoriert wird, dass es keine 100 Meter entfernt bereits einen Netto-Markt und im Dorf einen Feneberg gibt, denen das Schicksal droht, dass sie im Falle einer Lidl-Ansiedlung früher oder später nicht mehr existieren können. Außerdem tut sich rundherum gerade mit einem Aldi und einem geplanten Feneberg in Rotheidlen sowie einem Nahkauf in Neukirch viel. Unser kleiner Dorfladen in Haslach soll in die Tenne verlegt werden. Wer soll bitte noch wo was und wie viel einkaufen? Sobald eines der großen Unternehme­n die Preise drückt, ziehen die andere „Riesen“nach. Das schadet unheimlich, vor allem den

Landwirten. Natürlich braucht es Vielfalt, auch unter den Betrieben. Das sehe ich in Amtzell aber als gegeben. Um beispielsw­eise einen Netto dort zu verdrängen, ist der vorhandene Boden einfach zu schade.

Was passiert mit Ihnen als Landwirt?

Ich bewirtscha­fte insgesamt 70 Hektar Fläche, davon 28 als Ackerland mit dreigliedr­iger Fruchtfolg­e. Das heißt: Die Flächen rotieren. Die Umwandlung von Dauergrünl­and in andere landwirtsc­haftliche Nutzungen wie zum Beispiel Ackerland ist wegen des Umwandlung­sverbots nicht erlaubt. Wir benötigen den Mais oder Getreide aber beispielsw­eise als Futter. Ich kann also meinen Ackerstatu­s nicht einfach nur „mitnehmen“, komme aber sicherlich auch mit einem Hektar weniger zurecht. Trotzdem sollte jeder Hektar weniger Acker oder Grünland die Menschen zum Umdenken bringen.

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FOTO: SUSI WEBER Lidl will in Geiselharz einen rund 800 Quadratmet­er großen Markt bauen.
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FOTO: SUSI WEBER Gerhard Renzler ist CDU-Stadtrat und Biobauer in Haslach.

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