Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Lidl plant neuen Markt in Geiselharz
Vorstellung des Projekts im Amtzeller Gemeinderat – Warum die Räte zwiegespalten sind
AMTZELL - Zu entscheiden hat es bei der Sitzung erst einmal noch nichts gegeben. Einzelhandels- und Standortentwickler Manfred Heider und Martin Lang, Lidl-Immobilienleiter der Region Dettingen, waren nach Amtzell gekommen, um das Projekt vorzustellen. Dabei ging es auch um Fragen, was ein knapp 800 Quadratmeter großer Markt an der Schomburger Straße auf der Fläche gegenüber von Kübler Haus an Auswirkungen mit sich bringen würde. In der Bewertung dieser Frage waren die Ratsmitglieder durchaus gespalten.
799 Quadratmeter, 15 bis 20 vorgesehene, neue Arbeitsplätze, 95 Parkplätze und ein bereits von der Memminger Kutter GmbH gekauftes Gelände – so sehen sie aus, die Fakten. Da die betreffende Fläche im baurechtlichen Außenbereich liegt, ist eine Genehmigung aktuell aber nicht möglich. Lediglich über die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans könnte der Gemeinderat diese Entwicklung ermöglichen. Dieser hatte allerdings im Oktober entschieden, die Bauvoranfrage zurückzustellen und erst einmal dem Projektentwickler und der Firma Lidl die Möglichkeit zu geben, das Vorhaben vorzustellen.
Es war Manfred Heider, der die Auswirkungsanalyse und Verträglichkeitsprüfung der geplanten Ansiedlung vorstellte. Amtzell hat nach seiner Einschätzung eine positive Einwohnerzuwachs-Prognose zu erwarten. Hinzu kommen „relativ viele
Beschäftigte am Ort“, durch die zusätzliche Umsätze generiert werden könnten. Und: eine „große Pro-KopfKaufkraft in der Region“. Ein Einzugsgebiet von rund 15 900 Personen macht das Gutachten aus, ein Kaufkraftpotenzial im Lebensmittelbereich in Höhe von insgesamt 40,6 Millionen Euro. In Amtzell befinden sich derzeit acht Betriebe, die Lebensmittel als Haupt- oder Teilsortiment anbieten. Sie verfügen zusammen über rund 1560 Quadratmeter Verkaufsfläche (ohne ergänzende Nonfood-Sortimente). Laut Heiders Bewertung liegen die jährlichen Umsätze im Lebensmittelbereich in Amtzell bei etwa sieben Millionen Euro. Hinzu kommen in der so genannten Kernzone die Wangener Stadtteile Haslach und Schomburg mit ihren zwei Dorfläden und einem Hofverkauf in Schomburg. Zusammen bringen sie es auf 230 Quadratmeter. In der Ergänzungszone liegen Neukirch, Bodnegg und Waldburg, wo ebenfalls diverse Lebensmittelhändler zu finden sind.
Wie also würde sich die Ansiedlung eines Lidl-Markts auswirken? Heider baute seine Zahlen auf die „Berechnungen für das Jahr 2020“auf – ungeachtet der Tatsache, dass die Lebensmitteldiscounter ihre Umsätze im laufenden Jahr mit „um die zehn Prozent“ausbauen konnten: „Allein die Zusatzkaufkraft würde einen weiteren Markt tragen.“Heider prognostizierte für die Umverteilung des Feneberg-Markts zugunsten eines Lidl-Markts die Höhe von rund zehn Prozent und gleichzeitig einen
Rückgang des Umsatzes bei Netto von 0,5 zu dann „vielleicht noch 3,5 Millionen“. Die Gemeinde Amtzell habe aber selbst bei einem berechneten Worst-Case-Szenario seiner Meinung nach „keine Verschlechterung zu befürchten“. Sie könnte, so Heider, mit dem „Baustein Lidl“die Gemeinde stärken beziehungsweise dafür sorgen, dass ein Teil der Umsätze, die heute noch in Nachbargemeinden abfließen, am Ort gebunden werden. Zu erwarten sei für Lidl ein Umsatz in Höhe von 4,6 Millionen Euro. Heiders Fazit: „Voraussichtlich sind keine anderen Betriebe und insbesondere keine versorgungsstrukturell bedeutsamen Standortbereiche beziehungsweise -lagen existentiell gefährdet“. Heider betonte auf Nachfrage, dass im Falle des Lidl-Baus „einiges an Lidl abfließen und Veränderungen mit sich bringen“würde: „Es bringt aber auch ein zusätzliches Angebot.“Dass ein anderer Filialist wegen der Ansiedlung eines Lidls schließt oder schließen muss, hält er für unwahrscheinlich.
Lidl-Immobilienleiter Martin Lang ging auf die Kritik Otto Allmendingers (Unabhängige Liste/UL) ein, dass das Unternehmen wie auch andere Discounter ihre Verdrängungswettbewerbe auf dem Rücken der Bauern austragen: „Unsere Milchprodukte sind alle aus Deutschland und nicht aus dem Ausland.“Lang betonte auch, dass Discounter Frequenzbringer seien und ein „breites Sortiment direkt vor der Haustür“zu bieten hätten. Zuvor hatte Allmendinger
darauf hingewiesen, dass gewerbesteuertechnisch der „Discounter vor Ort der Kommune nicht viel bringt“. Kritisch äußerten sich auch Adelinde Wanner (Offene Bunte Liste) sowie Maria Prinz (UL) und Thomas Linder (UL). SPD-Rat Arno Leisen wandte ein, dass der eigene CO2Fußabdruck sich reduzieren ließe, wenn nicht mehr nach Ravensburg oder Wangen gefahren werde und man vor Ort einkaufe. Wanner erinnerte daran, dass der Feneberg „lange gebraucht habe, bis er gelaufen ist“. Ihre Sorge galt dessen Ausbluten.
Andere Meinungen zur möglichen Ansiedlung eines Lidls in Amtzell vertraten hingegen die CDU-Räte Hans Roman und Oliver Surbeck. Letztgenannter sorgte sich, dass Amtzell mit Blick auf Bodnegg-Rotheidlen „Gefahr laufe, den Anschluss zu verlieren“, aber mit dem LidlMarkt seinen Standort sichern könnte. Roman reagierte auf Linders Vorschlag,
auf dem Grundstück an der Schomburger Straße „besser ein Gewerbegebiet“anzusiedeln: „Die Firma Kutter ist mit dem Grundstückseigentümer übereingekommen. Ich denke, dass es der Gemeinde nicht zur Verfügung stehen wird.“
Allmendinger wunderte sich abschließend noch über das Interesse Lidls, nachdem kurz vor der Ansiedlung des Nettomarktes noch alle Angefragten abgewunken hätten. „Damals hat Amtzell nicht unsere Expansionskriterien erfüllt“, sagte Lang. In der Zwischenzeit wäre es nach seinen Worten ein für das Unternehmen wichtiger Lückenschluss zwischen Ravensburg und Wangen. Für Bürgermeister Clemens Moll war es wichtig, dass das Thema Lidl nun in der Diskussion ist und sich alle damit nochmals auseinandersetzen können. In einer der nächsten Sitzungen wird es Molls Worten zufolge dann zu einer Entscheidung kommen.