Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Applaus und gute Worte reichen nicht“
Mitarbeiter der DRK-Rettungswache Leutkirch machen im Tarifstreit auf sich aufmerksam
LEUTKIRCH - „Applaus und gute Worte reichen nicht“, „Jetzt sind wir dran!“, „Wir lassen uns nicht auf’s Kreuz legen“– Mitarbeiter der DRKRettungswache in Leutkirch machen am Freitagabend mit einer Leuchtfeuer-Aktion auf ihre Situation im aktuellen Tarifstreit aufmerksam. Es geht unter anderem um eine bessere Bezahlung für Notfallsanitäter und Anerkennung für erschwerte Arbeitsbedingungen in der Pandemie.
Mit Plakaten, Gewerkschaftsfahnen und leuchtender Pyrotechnik stellen sich die Mitarbeiter der Leutkircher DRK-Rettungswache am Freitagabend auf dem Vorplatz auf. Zur Straße hin brennen Fackeln, dahinter die eingeschalteten blauen Warnlichter der vor der Wache stehenden Einsatzfahrzeuge. Alle tragen Masken, Markierungen am Boden sorgen für die Einhaltung des Mindestabstands. Eingefangen wird die eindrückliche Kulisse der abendlichen Protestaktion von Kameras, um die Bilder weiterzuverbreiten und der friedlichen Aktion Nachdruck
zu verleihen. Ähnliche Leuchtfeueraktionen haben in den vergangenen Tagen auch vor anderen Rettungswachen stattgefunden.
Nachdem Ende November auch die dritte Verhandlungsrunde zwischen der Bundestarifgemeinschaft (BTG) des Deutschen Roten Kreuzes und der Gewerkschaft Verdi gescheitert sind, hat die Arbeitgeberseite die Schlichtung angerufen. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens sind Streiks ausgesetzt, weswegen die Mitarbeiter nur mit friedlichen Aktionen auf ihre Lage aufmerksam machen können. Knackpunkt bei den Verhandlungen sind laut einer Mitteilung der Tarifgemeinschaft „überzogene Forderungen für die Notfallsanitäter“.
Helmut Grassnick, Mitarbeiter der Leutkircher Rettungswache und Gewerkschaftsmitglied, sieht das anders. Die Notfallsanitäter, ein relativ neues Berufsbild mit dreijähriger Ausbildung und erweiterten Kompetenzen, seien angesichts der großen Verantwortung aktuell deutlich zu niedrig eingestuft. Darüber hinaus gehe es aber auch um Grundsätzliches,
so Grassnick in seiner kurzen Rede am Freitag: „Wir hatten in den vergangenen Jahren durchweg Reallohnverluste. Und dies bei einer Verdopplung der Einsatzzahlen alleine in den letzten vier Jahren“.
Nach einer pandemiebedingten Delle im Frühjahr seien die Einsätze inzwischen wieder auf einem durchschnittlichen Niveau. „Zusammen mit den vielen umfangreichen Hygieneund Desinfektionsmaßnahmen dauern viele Einsätze länger und sind belastender“, sagt Grassnick. Zu ihren Forderungen gehört auch eine entsprechende Gefahrenzulage.
Die Rettungswache in Leutkirch ist Teil des Rettungsdienstes Bodensee-Oberschwaben. Deren Geschäftsführer Volker Geier äußert gegenüber dem Südkurier Verständnis für die aktuelle Leuchtfeueraktion. „Sie müssen sehen, dass die Mitarbeiter der Rettungsdienste seit Monaten an der allerersten Front der Pandemie arbeiten. Zu der hohen Gefahr, sich selbst anzustecken, kommt die enorme psychische Belastung.
Sie arbeiten oft unter Zeitdruck, dürfen aber keine Vorsichtsmaßnahme unbedacht durchführen, um die Risiken im Griff zu behalten“, so Geier. Das sei in Ausnahmesituationen bei Einsätzen nicht einfach.
Trotz des Tarifstreits und der schwierigen Situation sei die Stimmung auf der Rettungswache aber gut, berichtet Grassnick. „Die Stimmung ist schon immer besser als die Lage“, sagt er. Und zumindest stehe ihnen inzwischen ausreichend Infektionsschutzausrüstung zur Verfügung, um sich selbst zu schützen. dass sei Anfang des Jahres noch nicht der Fall gewesen.
Bei der Aktion am Freitagabend vor Ort ist auch der CDU-Landtagsabgeordnete Raimund Haser, der sich bei den Einsatzkräften für ihren Einsatz in dieser schwierigen Zeit bedankt. Er betont bei seinem kurzen Beitrag mit Blick auf die Tarifverhandlungen, dass es auch eine Zeit nach Corona gebe. Und um in einer Zeit, in der der Nachwuchs knapp wird, auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu sein, müsse das Gehalt stimmen.