Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Freudenbringer mit Lieferschwierigkeiten
Max Eberl weiß, wovon er spricht. Nicht erst seit Mittwoch, spätestens jedoch seit jenem historischen Abend, weiß der Manager von Borussia Mönchengladbach, welche Emotionen ein Fußballspiel auslösen kann – auch wenn man es nur im Fernsehen sieht. Wie die gesamte Mannschaft verfolgte der Sportdirektor der Borussen nach der eigenen 0:2-Niederlage bei Real Madrid die Schlussminuten des Parallelspiels zwischen Inter Mailand und Schachtjor Donezk vor dem Bildschirm – und durfte schließlich über das 0:0 in Italien und den ersten Einzug der Gladbacher in die K.o.-Phase der Champions League seit 40 Jahren jubeln. „Als ich in die Kabine kam und die Mannschaft so ausgelassen feiern gesehen hab, wurde auch ich emotional“, berichtet er am Samstag im „Aktuellen Sportstudio“.
Eberl weiß also genau, was er meint, wenn er sich angesichts des harten Corona-Lockdowns dafür ausspricht, den Profisport aufrechtzuerhalten. „Ich glaube, dass wir im Fußball seit März hart daran arbeiten, unseren Sport weiter ausüben zu können, um den Menschen zu Hause zumindest am Fernseher ein wenig Freude zu geben.“Da mag was dran sein in diesen tristen Zeiten – nur: Viel Freude versprüht die Bundesliga derzeit nicht wirklich. Zuvorderst die Gladbacher lassen momentan viel von dem Offensivdrang vermissen, der die junge Mannschaft zuletzt so auszeichnete. Gegen Hertha BSC reichte es erneut nur zu einem 1:1 – bereits das vierte Unentschieden zu Hause. Man trete „ein wenig auf der Stelle“, sagte Eberl nach der nächsten Ergebnisenttäuschung. „Mit drei, vier Punkten mehr stünden wir besser da.“Die Realität nach elf Spieltagen sieht anders aus: Platz acht mit 17 Punkten und vier Zählern Rückstand auf Rang vier.
Und dann war da das Duell Mainz gegen Köln, das Aufeinandertreffen der beiden selbsternannten Karnevalsvereine. Doch von Spaß keine Spur. Immerhin durfte sich der FC nach dem trögen 1:0-Erfolg über sieben Punkte aus den vergangenen drei Spielen freuen, während der FSV auch im sechsten Liga-Heimspiel sieglos blieb. Die Ausbeute von fünf Zählern aus elf Partien ist ein Negativwert in der Bundesliga-Historie der Mainzer.
Apropos Negativserien: Es sind vor allem die unschönen Zahlen, die die Bundesliga momentan dominieren. Beispiele gefällig? Bremen ist seit acht Spielen ohne Sieg. Die Bayern haben nach elf Spieltagen bereits 17 Gegentore kassiert – so viele wie zuletzt 1981/82. Und natürlich hat auch der größte Negativlauf überhaupt weiter Bestand: Bis zur dritten Minute der Nachspielzeit sah der FC Schalke 04 beim FC Augsburg wie der Sieger aus – doch dann traf Augsburgs Marco Richter zum späten 2:2-Endstand. „Man hat gemerkt, dass die Mannschaft
schon lange nicht mehr kurz vor Schluss in Führung lag und deshalb ein bisschen nervös war“, analysierte S04-Teammanager Sascha Riether nach dem erneuten Tiefschlag. Schalke ist damit seit mittlerweile 27 Spielen ohne Sieg in der Bundesliga und nur noch vier Spiele vom ewigen Negativrekord von Tasmania Berlin mit 31 Sieglosspielen entfernt. Besonders bitter: S04-Stürmer Marc Uth musste nach einem schlimmen Zusammenprall bei einem Kopfballduell bewusstlos vom Platz getragen werden, war aber später wieder ansprechbar und stabil.
Immerhin dem SC Freiburg ist es gelungen, einen Negativlauf zu beenden. Das 2:0 über Arminia Bielefeld war der erste Sieg seit fast drei Monaten. Doch auch dieser Erfolg gegen den Aufsteiger löste bei den Breisgauern weniger Freude, als vielmehr Erlösung aus – und Dankbarkeit für Matchwinner Vincenzo Grifo: „Es ist herausragend, wie er alles abarbeitet, was ich in den letzten Jahren von ihm eingefordert habe“, lobte SC-Trainer Christian Streich den Italiener. Dass das Spiel mehr Arbeit als Spielfreude war, zeigt nicht nur Streichs Aussage, sondern auch die von Bielefelds Trainer Uwe Neuhaus: „Wenn eine Mannschaft nicht einen großen Fehler macht, geht das Spiel 0:0 aus. Leider haben wir ihn gemacht.“
So bleibt die ernüchternde Erkenntnis: Mit Ausnahme des VfB Stuttgart haben die selbst ernannten Freudenbringer große Lieferschwierigkeiten.