Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Frage, die gar nicht zur Debatte steht
Der Vertrag von Herbert Diess läuft noch zwei Jahre – Der VW-Chef fordert aber jetzt schon die Verlängerung seiner Weiterverpflichtung
WOLFSBURG/HANNOVER (dpa) - Im Streit über die Führungsfrage bei Volkswagen und möglicherweise auch die Zukunft von Konzernchef Herbert Diess (Foto: Christophe Gateau/dpa) bahnt sich nun doch schon vor Weihnachten eine Entscheidung an. Der VW-Aufsichtsrat sollte nach Angaben aus informierten Kreisen noch am Montagabend zusammenkommen. Wie demnach zu hören war, geht es dabei auch um die Forderung des Vorstandsvorsitzenden nach einer vorzeitigen Vertragsverlängerung sowie um weitere Personalthemen. Beim letzten regulären Treffen hatte es am vergangenen Mittwoch zunächst keine Beschlüsse hierzu gegeben. Der Druck für Weichenstellungen vor dem Jahreswechsel steigt nun.
Unter den VWAufsehern gilt die Stimmung als angespannt. Diess soll erneut auf eine frühzeitige Verlängerung seines Vertrags gedrungen haben. Er ist bis zum Frühjahr 2023 als Vorstandsvorsitzender
von VW bestellt. Auch einen frischen Fünfjahresvertrag brachte der Manager Insidern zufolge ins Gespräch.
2021 stehen zentrale Neubesetzungen beim weltgrößten Autokonzern an. Finanzvorstand Frank Witter will sich zur Jahresmitte zurückziehen, für den abgetretenen Beschaffungsvorstand Stefan Sommer wird ebenso eine Nachfolgelösung gesucht. Diess soll Audi-Finanzchef Arno Antlitz und Kernmarken-Chefeinkäufer Murat Aksel favorisieren, zudem könnte Komponenten-Chef Thomas Schmall in die Konzernführung berufen werden. Antlitz etwa stößt beim mächtigen VW-Betriebsrat aber auf Widerstand, weil Diess die Durchsetzung seiner Kandidaten angeblich mit seiner eigenen Vertragsverlängerung zu koppeln versucht. Über ein separates Vorstandsressort für IT und Software wird ebenfalls diskutiert.
Eine frühzeitige Zustimmung zu einer Weiterverpflichtung wäre für Diess ein Vertrauensbeweis, um den schwierigen Konzernumbau noch rascher voranzutreiben und die Rendite gemäß seinen Vorstellungen zu erhöhen. Mehrere Aufsichtsräte sollen sich allerdings durch das Vorpreschen
des Top-Managers irritiert und bedrängt fühlen – mitunter ist vom Eindruck einer Eskalationsstrategie die Rede. Der Kommunikationsstab von Diess wollte sich auf wiederholte Anfrage nicht zu dem Thema äußern.
Üblicherweise wird erst ab einem Jahr vor dem Auslaufen über einen Anschlussvertrag verhandelt, wobei der Ball bei den Kontrolleuren liegt. Während der Beratungen in der Vorwoche soll von Beteiligten ein offener Konflikt nur knapp abgewendet worden sein – die von Diess offensiv eingeforderte Rückendeckung stieß einigen Entscheidern offenbar sauer auf.