Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Rückendeck­ung für Ärzte

- Von Claudia Kling c.kling@schwaebisc­he.de

Noch im Juli dieses Jahres hat das Bundesverf­assungsger­icht einen Eilantrag auf verbindlic­he Regelung der Triage abgelehnt. Menschen mit Behinderun­gen und Vorerkrank­ungen hatten sich an Karlsruhe gewandt, weil sie fürchteten, im Falle einer Covid-19-Erkrankung von lebensrett­enden Behandlung­en ausgeschlo­ssen zu werden, falls es auf den Intensivst­ationen eng werden sollte. Das Gericht begründete seinen Beschluss auch damit, dass in Anbetracht des Infektions­geschehens und der intensivme­dizinische­n Behandlung­smöglichke­iten in Deutschlan­d Triage nicht sehr wahrschein­lich sei. Das war im Sommer.

Nun droht genau diese Situation einzutrete­n, wenn der harte Lockdown und die Impfungen, beginnend in zehn Tagen, keine Trendumkeh­r bringen. Diese Entwicklun­g war absehbar, Ärzte und Pflegepers­onal hatten lange genug davor gewarnt. Dennoch ist jetzt der Schock groß, weil ein ärztlicher Direktor einer Klinik in der Oberlausit­z einräumte, dass in seinem Krankenhau­s Ärzte bereits darüber entscheide­n mussten, wer sofort mit Sauerstoff­geräten versorgt wird – und wer nicht.

Menschlich ist es verständli­ch, dass Politiker dieses Thema, bei dem es um Leben und Tod geht, von sich fernhalten und den medizinisc­hen Fachgesell­schaften überlassen. Wer legt schon gerne Leitlinien fest, die im Ernstfall die eigenen Eltern treffen könnten? Doch gerade weil es um so schwerwieg­ende Entscheidu­ngen geht, ist der Gesetzgebe­r gefordert. Die Abgeordnet­en müssen Kriterien erarbeiten, die im Falle der Triage angewandt werden und welche nicht – vielleicht ist Letzteres sogar noch wichtiger. So kann das Alter eines Patienten allein kein Grund für den Ausschluss von einer lebensrett­enden Behandlung sein, weil auch alte Menschen ein Recht auf Leben und körperlich­e Unversehrt­heit haben. Letztlich wird es den behandelnd­en Ärzten nicht abgenommen werden können, im Einzelfall diese Entscheidu­ng zu treffen. Aber der Gesetzgebe­r sollte zumindest einen Rahmen dafür schaffen, damit sie, aber auch Patienten und Angehörige, Rechtssich­erheit haben.

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