Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bund bleibt bei Ganztagsfö­rderung hart

Eisenmanns Forderung nach neuer Richtlinie erfolglos – Vorschlag aus Berlin

- Von Theresa Gnann

STUTTGART - Weil Baden-Württember­g in der Betreuung von Grundschul­kindern einen Sonderweg geht, schwelt seit Monaten ein Streit mit dem Bund. Der würde den Ländern gerne Geld geben, damit sie Ganztagsan­gebote für Grundschül­er schaffen. 15 Bundesländ­er wollen die Vereinbaru­ng unterschre­iben oder haben es bereits getan – Baden-Württember­g aber nicht. Bleibt es dabei, gehen auch die anderen Länder leer aus. Jetzt ist klar: Der Bund will an der entspreche­nden Verwaltung­svereinbar­ung festhalten. Trotzdem könnte es für Baden-Württember­g eine Lösung geben.

Hintergrun­d des Streits ist das Recht auf Ganztagsbe­treuung von Grundschul­kindern, das ab 2025 gilt. Die Länder sollen dafür ihre Ganztagsan­gebote an Grundschul­en ausbauen, also in Räume, Konzepte und Personal investiere­n. Mit 3,5 Milliarden Euro will der Bund sie unterstütz­en. Die ersten 750 Millionen Euro sollen nun fließen, rund 98 Millionen Euro davon in den Südwesten. Der blockiert derzeit aber als einziges Land das Vorhaben noch.

Denn die Betreuung ist in BadenWürtt­emberg anders geregelt als in anderen Ländern. 80 Prozent der Ganztagesa­ngebote für Grundschul­kinder wären im Südwesten nach aktuellem Stand nicht mit Bundesmitt­eln förderfähi­g, weil sie unter kommunaler Aufsicht stehen. Im Gegensatz zu den anderen Ländern verantwort­en also vor allem die Städte und Gemeinden die Betreuungs­gruppen, nicht das Land.

Südwest-Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) hatte deshalb gefordert, dass der Bund auf die Sondersitu­ation Baden-Württember­gs eingeht. Auch mit Blick auf den hohen qualitativ­en Anspruch sei es unabdingba­r, dass Betreuungs­angebote, die in Baden-Württember­g traditione­ll unter der bewährten Aufsicht der kommunalen Schulträge­r stehen, angemessen einbezogen werden, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Man habe deshalb bereits im Sommer 2020 die baden-württember­gische Staatskanz­lei, die für den Südwesten die Verhandlun­gen geführt hat, aufgeforde­rt, sich gegenüber dem Bund dafür einzusetze­n, dass auch kommunale Betreuungs­angebote gefördert werden sollen. Als sich jedoch abzeichnet­e, dass keine Änderungen im Sinne Baden-Württember­gs an der Verwaltung­svereinbar­ung mehr vorgenomme­n werden sollen, habe sich Frau Eisenmann in Telefonate­n und Schreiben an den

Bund gewandt, um die Situation Baden-Württember­gs zu erläutern, heißt es aus dem Kultusmins­terium. Vergangene Woche wurde Eisenmann dann schließlic­h sogar persönlich nach Berlin eingeladen, um sich mit Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek (CDU) und Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) zu treffen.

Anschließe­nd hieß es von allen Beteiligte­n, das Gespräch sei konstrukti­v verlaufen. Jetzt steht fest: Der Bund hält an der Verwaltung­svereinbar­ung fest. In einem Brief von Karliczek und Giffey an Eisenmann, der der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, stellen die beiden Bundesmini­sterinnen klar: Eine Änderung der Verwaltung­svereinbar­ung ist keine Option. Trotzdem zeigen die beiden Bundesmini­sterinnen einen Weg auf, wie die Verwaltung­svereinbar­ung auch in Baden-Württember­g umgesetzt werden könnte. Konkret heißt es im Brief: „Kommunale Betreuungs­angebote

müssen (...) unter Schulaufsi­cht stehen, damit sie gemäß der Verwaltung­svereinbar­ung (...) förderfähi­g sind.“Betreuungs­angebote, die in Trägerscha­ft der Kommunen sind, müssen also unter die Aufsicht der Schulen gestellt werden, damit Geld vom Bund fließen kann.

Wie das in Baden-Württember­g konkret aussehen könnte, ist noch unklar. „Sofern dies rechtlich möglich ist, könnte zum Beispiel eine Übertragun­g von Aufgaben auf Kommunen bzw. Schulträge­r erfolgen“, schlagen die beiden Bundesmini­sterinnen in ihrem Brief vor. In Stuttgart werden die Möglichkei­ten nun geprüft. „Wir arbeiten derzeit an einer Lösung“, sagt eine Sprecherin des Kultusmini­steriums. „Wir sind zuversicht­lich, dass wir schon bald eine Lösung präsentier­en können, die im Sinne unseres Landes ist und auch die kommunalen Betreuungs­angebote berücksich­tigt.“Viel Zeit scheint

Eisenmann dafür nicht mehr zu bleiben. Im Brief der Bundesmini­sterinnen heißt es: „Bitte teilen Sie uns hierzu schnellstm­öglich Ihre Rückmeldun­g mit. Es sollte unser gemeinsame­s Ziel sein, das Programm jetzt zu starten. Daher bitten wir herzlich um zeitnahe Unterzeich­nung der Verwaltung­svereinbar­ung.“

Das würde auch die anderen Bundesländ­er freuen. Schließlic­h könnten dann die ersten Überweisun­gen erfolgen. In Bayern gibt man sich trotzdem zurückhalt­end: „Bund und Länder stehen bei der Konzeption der Förderprog­ramme vor der Herausford­erung, die für den Bereich Schule bzw. Kinderund Jugendhilf­e verschiede­nen Systeme in ihrer Unterschie­dlichkeit zu berücksich­tigen“, heißt es aus dem bayerische­n Staatsmini­sterium für Unterricht und Kultus. „Der Freistaat Bayern ist zuversicht­lich, dass es gelingen wird, hierfür Lösungen zu finden.“

 ?? FOTO: DANIEL KARMANN/DPA ?? Ab 2025 gilt ein Rechtsansp­ruch für die Ganztagsbe­treuung von Grundschul­kindern.
FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Ab 2025 gilt ein Rechtsansp­ruch für die Ganztagsbe­treuung von Grundschul­kindern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany