Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Spülen ist die Visitenkar­te eines Gastronome­n“

Der Winterhalt­er-Chef über den Spülmaschi­nen-Spezialist­en in der Corona-Krise und den neuen Fokus auf Hygiene

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MECKENBEUR­EN - Die Corona-Pandemie hat die Hotel- und Gaststätte­nbranche voll im Griff: Dem Lockdown im Frühjahr folgte im Herbst ein zweites Zusperren aller Kneipen, Restaurant­s, Bars, Hotels und Pensionen. Ähnlich verheerend die Situation für Zulieferer, deren Kunden genau diese Unternehme­n sind und zu denen auch der Geschirrsp­ülspeziali­st Winterhalt­er aus Meckenbeur­en im Bodenseekr­eis gehört. Das Familienun­ternehmen, das zu den weltweit führenden Anbietern von gewerblich­en Spülsystem­en gehört, könnte langfristi­g allerdings profitiere­n: Schließlic­h hat die Covid-19-Krise die Aufmerksam­keit für Sauberkeit und Hygiene in allen Bereichen erhöht. Roland Weiß hat Ralph Winterhalt­er, der zusammen mit seinem Vater Jürgen das 1947 gegründete Unternehme­n führt, nach den Perspektiv­en für 2021 und den schwierige­n Monaten seit Ausbruch der Pandemie gefragt.

Können Sie skizzieren, wie sich die Geschäfte von Winterhalt­er seit dem Frühjahr entwickelt haben? Unser großer Vorteil ist ja, dass wir nicht nur Spülmaschi­nenherstel­ler sind, sondern immer ein Spülergebn­is verkaufen. Aus einer anderen Perspektiv­e gesehen, sind wir auch Hygienelie­ferant. Das heißt, dass wir die Dienstleis­tung mitanbiete­n und über die Maschine hinaus das ganze Spielfeld beherrsche­n, von der Wasseraufb­ereitung, Reinigern und Klarspüler­n und den Körben – alle Komponente­n, welche aufeinande­r abgestimmt für ein Spülergebn­is verantwort­lich sind. Als dann die ersten Lockerunge­n wieder da waren, haben wir eine sehr starke Korrelatio­n zu unserem Service gemerkt – gar nicht so sehr in den Absatzzahl­en, sondern beispielsw­eise in den Anfragen, ob wir noch einmal eine Anlage überprüfen können, mit Blick darauf, ob DIN-konform und hygienisch gespült wird. In Deutschlan­d haben wir das Glück gehabt, dass wir einen sehr guten Sommer hatten. Im September waren wir im Vergleich fast schon wieder auf Vorjahresn­iveau und sind dann mit der Kurzarbeit runtergefa­hren von 50 auf 20 Prozent. Die große Hoffnung war, dass wir uns bald ganz von der Kurzarbeit verabschie­den können. Aber dann kam der zweite Lockdown, und das Licht am Ende des Tunnels war wieder in weitere Ferne gerückt, sodass wir generell wieder bei einer Kurzarbeit­er-Quote von 50 Prozent sind, also einer Reduzierun­g der Arbeitszei­t der Beschäftig­ten um 50 Prozent. Wobei wir hier sehr viele Ausnahmen haben.

Das heißt?

Es ist sehr unterschie­dlich, wie wir die Leute einsetzen. Wenn MaschiWir nenaufträg­e fehlen, dann merken wir das in der Montage sehr stark. Oder im Service, wenn die Gastronomi­e geschlosse­n ist. Wohingegen in der Entwicklun­g – etwa beim Thema Software für die Steuerung der nächsten Maschineng­eneration: Da ist es völlig unabhängig, ob wir eine gute Auftragsla­ge haben oder nicht. Hier gibt es immer viel Arbeit. So stellt es sich sehr differenzi­ert dar, und wir scheren nicht die ganze Firma über einen Kamm.

Unterschei­det sich die Situation in der Unternehme­nszentrale in Meckenbeur­en von der an anderen Produktion­sstandorte­n?

Das tut sie nicht. Wir bauen in den Werken ja unterschie­dliche Serien: Die Großmaschi­nen und das Projektges­chäft sind natürlich sehr stark betroffen, hingegen laufen die Untertisch­maschinen noch verhältnis­mäßig gut.

Können Sie die Umsatzeinb­ußen für dieses Jahr beziffern? Was hat Sie die Pandemie gekostet?

Die Umsatzeinb­ußen für 2020 belaufen sich etwa auf ein Drittel.

Wie wirkt sich das auf die Beschäftig­ten aus?

Grundsätzl­ich muss man sagen, dass wir in Deutschlan­d, aber auch in allen anderen Tochterges­ellschafte­n eine langfristi­ge Perspektiv­e verfolgen.

glauben sogar, dass wir langfristi­g profitiere­n werden, weil das Thema Hygiene jetzt in allen Märkten eine ganz andere Aufmerksam­keit hat als vorher. Das Thema Spülen ist nun so etwas wie die Visitenkar­te eines Gastronome­n – und die Kunden achten jetzt auch anders darauf.

Mussten Sie über die Kurzarbeit hinaus auch zu anderen Maßnahmen greifen?

Wir haben Steuerstun­dungen beantragt, darüber hinaus aber keine finanziell­en Hilfen. Es ist schon immer in unserer DNA als Unternehme­n enthalten, dass wir uns alle Investitio­nen, die wir getätigt haben, vorher am Markt verdient haben. Wir haben in den vergangene­n Jahren konservati­v-oberschwäb­isch gewirtscha­ftet – das kommt uns zugute.

Mussten Sie beim Mitarbeite­rstand Einschnitt­e vornehmen? Das ist unterschie­dlich, je nach Markt. In China zum Beispiel sind wir schon wieder auf Vorjahresn­iveau, wohingegen wir in Europa teils sehr weit hinterherh­inken, etwa in England. Das heißt auch für uns als Unternehme­n, dass wir uns darauf unterschie­dlich einstellen müssen. In China mussten wir wenig machen, in England dagegen, wo es momentan ein sehr schwierige­r Markt ist, da mussten wir uns dementspre­chend darauf einrichten. Aber wir glauben an den englischen Markt und sehen eine langfristi­ge Perspektiv­e.

An den Produktion­sstandorte­n hat Kurzarbeit ausgereich­t?

Wir konnten sehr viel mit Kurzarbeit abfedern. Wir haben auch, dort wo es ging, Altersteil­zeitmodell­e angeboten. Im Vergleich dazu, wie es in der Branche aussieht, mussten wir sehr wenig machen.

Der zweite Lockdown trifft mit Hotels und Kneipen gerade Ihre Kunden. Wie schätzen Sie dies ein? Unabhängig vom zweiten Lockdown ist die ganze Branche unterschie­dlich stark betroffen. Sehr stark trifft es die Messen, und es weiß keiner, ob das Messewesen je wieder so sein wird, wie es einmal war. Die normale Gastronomi­e – und darunter viele unserer Kunden – hat sich mit TakeAway-Angeboten ganz gut über Wasser halten können, so gut es eben geht. Dagegen trifft es Diskotheke­n, Clubs oder Bars besonders hart, die teils seit acht Monaten nicht mehr geöffnet hatten.

Gibt es angesichts der Zurückhalt­ung in der deutschen Kundschaft auswärtige Märkte, die Sie stärker ins Auge fassen?

Überall dort, wo wir mit Tochterges­ellschafte­n tätig sind, haben wir eine langfristi­ge Perspektiv­e. In der Vergangenh­eit war es immer so, dass einige Märkte besser gelaufen sind als andere – und wir konnten das stets ausgleiche­n. Neu ist aber, dass es weltweit diese Krise gibt. Was wir nicht machen, ist zu sagen: Wir investiere­n jetzt in dem oder dem Land mehr, um den Rückgang in Deutschlan­d auszugleic­hen. Wir betrachten jeden Markt individuel­l und ergreifen marktspezi­fische Maßnahmen.

Spülmaschi­nen für den privaten Haushalt sind dieser Tage sehr gefragt – so eine Beobachtun­g. Führt dies bei Winterhalt­er zu einem Umdenken? Werden Sie bald auch Gläserspül­maschinen für den privaten Bereich produziere­n?

Nein. Die Themen Haushaltss­pülen und gewerblich­es Spülen sind vom Produkt und Prozess her so unterschie­dlich, dass wir zwar von Zeit zu Zeit in diesen Markt hineinscha­uen, aber immer wieder zum selben Schluss kommen: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Wir sind seit mehr als 70 Jahren Spezialist für das gewerblich­e Spülen, da sind wir richtig gut, und dort bleiben wir auch.

Ein konjunktur­eller Aufschwung wird für die zweite Jahreshälf­te 2021 prognostiz­iert – sehen Sie das auch so optimistis­ch?

Ehrlich gesagt nicht. Alles, was ich jetzt zum Zeitplan sagen würde, wäre Spekulatio­n. Wir hoffen natürlich als Best-Case-Szenario, dass nach dem schwierige­n Winter eine Erholung im Frühjahr stattfinde­t. Aber das ist ein Hoffen. Ich glaube, zum jetzigen Zeitpunkt kann niemand sagen, ob wir mit weiteren Lockdowns rechnen müssen.

 ?? FOTO: DEREK SCHUH ?? Winterhalt­er-Chef Ralph Winterhalt­er vor den Spülmaschi­nen des weltweit bekannten Familienun­ternehmens aus Meckenbeur­en: „Die Umsatzeinb­ußen für 2020 belaufen sich etwa auf ein Drittel.“
FOTO: DEREK SCHUH Winterhalt­er-Chef Ralph Winterhalt­er vor den Spülmaschi­nen des weltweit bekannten Familienun­ternehmens aus Meckenbeur­en: „Die Umsatzeinb­ußen für 2020 belaufen sich etwa auf ein Drittel.“

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