Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Weiter Chaos bei der Bodenseebank
Ex-Vorstand fordert aktuellen Vorstand des Lindauer Geldinstituts zum Rückzug auf
LINDAU - Das Führungschaos bei der Bodenseebank spitzt sich zu. Ex-Vorstand Hubert Mark fordert Vorstand Joachim Hettler zum Rückzug auf. Mitglieder kritisieren, dass es keine geheime Wahl gibt.
In einem Leserbrief an die SZ deutet Mark an, dass er in seinem früheren Vorstandskollegen Hettler den Verantwortlichen für das Chaos sieht. Schon bei der Gneralversammlung im Juni habe Hettler zurückhaltend die geplante Fusion mit der Volksbank Lindenberg dargestellt. Tatsächlich war es dann Mark, der in einer emotionalen Rede dafür geworben hatte. „Man könnte im Licht der aktuellen Entwicklung vermuten, dass die Ablehnung der Fusion nicht überraschend kam und hinter den Kulissen Stimmung gegen die Fusion gemacht wurde, aber das ist natürlich undenkbar!“, schreibt Mark, der die genossenschaftlichen Werte hervorhebt, an denen sich die Verantwortlichen messen lassen müssen. Indirekt legt Mark dann Hettler den Rückzug nahe: „Und wenn man dazu nicht bereit ist, dann sollte man die Fahne streichen.“
Mit deutlichen Worten kritisiert Mark auch die laufende Wahl eines neuen Aufsichtsrat: „Offensichtlich versucht der Vorstand, einen Aufsichtsrat nach seinen Vorstellungen zu etablieren und mit diesem dann seine Geschäftspolitik durchzusetzen.“Das Verfahren, ohne Frage- und Antragsrecht der Mitglieder, ohne dass die Kandidaten für den Aufsichtsrat benennen können sowie die Tatsache, dass es keine geheime Wahl gibt, verärgert nicht nur Mark. Auch andere Mitglieder äußern sich in Gesprächen oder Schreiben an die SZ so, allerdings unter der Vorgabe, dass ihre Namen nicht in der Zeitung stehen. Mark dagegen schreibt in seinem Leserbrief, dieses Vorgehen „tritt die Mitgliederrechte und -interessen mit Füßen“. Er fordert die Mitglieder deshalb auf, in großer Zahl Stimmzettel auszufüllen und die vom Vorstand vorgeschlagenen Kandidaten abzulehnen.
Dabei gibt es auch dort Wirbel, denn Karsten Krannich bestätigt auf Anfrage der SZ, dass er nicht mehr zur Wahl steht: „Ich habe meine Kandidatur für den Aufsichtsrat zurückgezogen. Ich habe sehr triftige Gründe, die ich aber nicht nach außen tragen will.“Auf Anfrage der SZ bedauert Hettler den Rückzug. Ob das Folgen für die laufende Wahl hat, beantwortet die Bodenseebank nicht.
In einer schriftlichen Stellungnahme bekräftigt Hettler, dass die Entscheidung dringlich sei: „Der zeitliche Druck ist dadurch entstanden, dass wir einen neuen handlungsfähigen Aufsichtsrat benötigen, um ein neues Vorstandsmitglied aussuchen und bestellen zu können. Der – eigentlich schon zurückgetretene Aufsichtsrat – hat Herrn Seissler vorzeitig von seinen Pflichten als Vorstandmitglied entlassen.“
Seissler verweist bei der Frage nach den Gründen auf die Verschwiegenheitspflicht in seinem Aufhebungsvertrag. Er macht zugleich klar, dass er seinen Vertrag mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden geschlossen hat: „Somit war mein Engagement sehr stark mit der Person des Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Neuser verbunden. Nachdem nach nur sechs Wochen, in meiner Amtstätigkeit als Vorstand, Herr Neuser und drei weitere, erfahrene Aufsichtsratsmitglieder ihr Amt niedergelegt haben (deren Entscheidung ich respektiere), war das für mich persönlich ein wichtiger Grund mein Amt vorzeitig zum 31.12.2020 niederzulegen.“
Hettler bestätigt, dass einige Mitglieder sich gegen die Art der laufenden Wahl beschwert haben. Denn die
Satzung verlangt eine geheime Wahl der Aufsichtsräte, wenn ein Mitglied das verlangt. diese Möglichkeit gibt es jetzt nicht. Diese Einwände berücksichtigten nicht die Pandemie, hält Hettler entgegen. Da halte sich die Bodenseebank an den gesetzlichen Rahmen solcher Wahlen in Corona-Zeiten und das Genossenschaftsrecht: „Schriftliche Beschlussfassungen bedürfen nach allen genossenschaftsrechtlichen Kommentatoren der eigenhändigen Unterschrift gemäß § 126 BGB. Geheime Stimmabgaben würden dazu führen, dass das gesamte Abstimmungsverfahren nichtig wäre.“
Ob dafür allerdings tatsächlich eine Unterschrift auf dem Stimmzettel erforderlich ist, wie es die Bodenseebank jetzt will, zweifeln Mitglieder stark an. Bei Wahlen zum Bundestag, Landtag oder Stadtrat funktioniert das mit eidesstattlicher Erklärung und einem verschlossenen zweiten Umschlag, in dem der Stimmzettel in eine Urne gelangt, um später ausgezählt zu werden, ohne dass ihn jemand zuordnen kann. Ein Mitglied sagt deshalb zur geforderten Unterschrift auf dem Wahlzettel, der im Beisein des Aufsichtsras Jörg Bauer geöffnet wird: „Dagegen war die DDR eine Demokratie.“Mehrere
Mitglieder kündigen in Gesprächen mit der SZ an, dass sie rechtlich klären lassen wollen, ob dieses Verfahren wirklich in Ordnung ist.
Der Genossenschaftsverband Bayern will dazu noch nicht öffentlich Stellung nehmen. Auf Anfrage der SZ zieht sich Burkhard Rüdiger von der Pressestelle auf allgemeine Hinweise zurück: „Satzung, Genossenschaftsgesetz und aktuelle Covid-19-Gesetzgebung setzen den Rahmen für Vertreter- und Generalversammlungen. Daraus eröffnen sich mehrere Verfahrensoptionen, die Banken bei der Durchführung ihrer Veranstaltungen nutzen können. Bei deren Organisation und Durchführung ist auf die Einhaltung der vorbenannten Regelungen zu achten.“
Die Bankenaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat sich mit der Bodenseebank auch bereits befasst. Pressesprecher Harald Hürter erklärt, dass er zu einem laufenden Verfahren keine Auskunft gibt. Allgemein könne er aber sagen, dass sich die Bafin natürlich mit der Bank und den beteiligten Vorständen und Aufsichtsräten befassen würde, wenn die Behörde Kenntnis von Gesetzesverstößen erhalten würde.