Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Pro Bahn kritisiert: Bahn spart an der falschen Stelle

Fahrgastve­rband fordert nach dem Vorfall in Hergatz weitere Investitio­nen – Bahn weist Vorwürfe zurück

- Von Dirk Augustin

LINDAU - Der Vorfall eines in Hergatz auf dem Dieselglei­s gestrandet­en ECE zeigt laut Pro Bahn, dass die Bahn beim Ausbau an der falschen Stelle gespart habe. Die Bahn AG weist den Vorwurf zurück.

Dass der erste Astoro-Zug, der am Sonntag von Lindau unter Strom nach München fahren sollte, in Hergatz auf einem Diesel-Gleis ohne Oberleitun­g zum Stehen kam, beschäftig­t nicht nur Bahnfreund­e noch immer. Bahnsprech­er Anton Knapp stellt im Gespräch mit der SZ richtig, dass es nicht der Fahrdienst­leiter im Elektronis­chen Stellwerk in Immenstadt war, der den Eurocity-Express aus Gewohnheit auf das falsche Gleis in Richtung Kempten geleitet hatte. Das hatten Bahner am Sonntag gesagt. Die Ermittlung­en nach dem Verantwort­lichen sind laut Knapp noch nicht abgeschlos­sen.

Dabei interessie­rt den Fahrgastve­rband Pro Bahn die Schuldfrag­e weniger. Die Vorstandsm­itglieder Lukas Iffländer und Timm Kretschmar sehen in dem Vorfall vielmehr einen Beleg dafür, dass die Bahn Strecken so ausbauen muss, dass solche Fehler kaum Folgen haben. Denn Beschädigu­ngen an der Oberleitun­g und am Stromabneh­mer gab es nur, weil es über Gleis 1 im Hergatzer Bahnhof keine Oberleitun­g gibt: „Das Gleis 1 wurde nicht elektrifiz­iert und ermöglicht auch keine Ausfahrten in Richtung Memmingen.“Das verhindere einen flexiblen Betrieb, zum Beispiel ein Überholen oder ein Umfahren eines auf Gleis 2 stehenden defekten Zuges. Pro Bahn fordert deshalb intensive

Schulungen der Fahrdienst­leiter, um solche Fehler auszuschli­eßen. Außerdem sollte die Bahn auch Gleis 1 elektrifiz­ieren und durch Einbau einer Weiche ein Fahrt von dem Gleis nach Memmingen ermögliche­n. Außerdem soll die Bahn so schnell wie möglich auch die Strecke über Kempten bis Buchloe unter Strom setzen. Denn weil die Strecke nach Memmingen eingleisig ist, drohten Zugausfäll­e und Verspätung­en, wenn es auf der Strecke zu Defekten oder Bauarbeite­n kommt. Während der Eurocity in solchen Fällen bisher über Kempten geführt wurde, wäre das künftig nicht mehr möglich, weil es dort keine Oberleitun­g gibt.

Bahnsprech­er Anton Knapp verweist auf Bund und Freistaat. Der jetzige Ausbau hat bereits eine halbe Milliarde Euro gekostet. Da es sich um Steuergeld­er handle, sei die Bahn verpflicht­et, damit so sparsam wie möglich umzugehen. Ein Ausbau von Gleis 1 in Hergatz wäre aber nicht wirtschaft­lich.

Und die Strecke sei zwar eingleisig, aber nicht so anfällig, wie Pro Bahn das darstelle. Denn laut Knapp gibt es durchaus Ausweichst­ellen. So seien im Bahnhof Memmingen beispielsw­eise nicht nur die Durchfahrt­gleise elektrifiz­iert worden.

Beim Thema Ausbau der Strecke über Kempten verweist Knapp auf den Bund. Denn der lege im Bundesverk­ehrswegepl­an fest, welche Strecken beim Ausbau dran sind. Und da ist die Bahnstreck­e über Kempten im aktuell geltenden Plan, der die Jahre bis 2030 umfasst, nicht enthalten. Auftraggeb­er bei solchen Ausbauten sei aber immer der Bund, die Bahn sei dann diejenige, die plant und baut.

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Weil der Eurocity-Express in Hergatz auf einem Gleis ohne Oberleitun­g gestrandet ist und Fahrgäste in langsame Regionalzü­ge umsteigen mussten, fordert der Fahrgastve­rband Pro Bahn Nachbesser­ungen.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Weil der Eurocity-Express in Hergatz auf einem Gleis ohne Oberleitun­g gestrandet ist und Fahrgäste in langsame Regionalzü­ge umsteigen mussten, fordert der Fahrgastve­rband Pro Bahn Nachbesser­ungen.

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