Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Pro Bahn kritisiert: Bahn spart an der falschen Stelle
Fahrgastverband fordert nach dem Vorfall in Hergatz weitere Investitionen – Bahn weist Vorwürfe zurück
LINDAU - Der Vorfall eines in Hergatz auf dem Dieselgleis gestrandeten ECE zeigt laut Pro Bahn, dass die Bahn beim Ausbau an der falschen Stelle gespart habe. Die Bahn AG weist den Vorwurf zurück.
Dass der erste Astoro-Zug, der am Sonntag von Lindau unter Strom nach München fahren sollte, in Hergatz auf einem Diesel-Gleis ohne Oberleitung zum Stehen kam, beschäftigt nicht nur Bahnfreunde noch immer. Bahnsprecher Anton Knapp stellt im Gespräch mit der SZ richtig, dass es nicht der Fahrdienstleiter im Elektronischen Stellwerk in Immenstadt war, der den Eurocity-Express aus Gewohnheit auf das falsche Gleis in Richtung Kempten geleitet hatte. Das hatten Bahner am Sonntag gesagt. Die Ermittlungen nach dem Verantwortlichen sind laut Knapp noch nicht abgeschlossen.
Dabei interessiert den Fahrgastverband Pro Bahn die Schuldfrage weniger. Die Vorstandsmitglieder Lukas Iffländer und Timm Kretschmar sehen in dem Vorfall vielmehr einen Beleg dafür, dass die Bahn Strecken so ausbauen muss, dass solche Fehler kaum Folgen haben. Denn Beschädigungen an der Oberleitung und am Stromabnehmer gab es nur, weil es über Gleis 1 im Hergatzer Bahnhof keine Oberleitung gibt: „Das Gleis 1 wurde nicht elektrifiziert und ermöglicht auch keine Ausfahrten in Richtung Memmingen.“Das verhindere einen flexiblen Betrieb, zum Beispiel ein Überholen oder ein Umfahren eines auf Gleis 2 stehenden defekten Zuges. Pro Bahn fordert deshalb intensive
Schulungen der Fahrdienstleiter, um solche Fehler auszuschließen. Außerdem sollte die Bahn auch Gleis 1 elektrifizieren und durch Einbau einer Weiche ein Fahrt von dem Gleis nach Memmingen ermöglichen. Außerdem soll die Bahn so schnell wie möglich auch die Strecke über Kempten bis Buchloe unter Strom setzen. Denn weil die Strecke nach Memmingen eingleisig ist, drohten Zugausfälle und Verspätungen, wenn es auf der Strecke zu Defekten oder Bauarbeiten kommt. Während der Eurocity in solchen Fällen bisher über Kempten geführt wurde, wäre das künftig nicht mehr möglich, weil es dort keine Oberleitung gibt.
Bahnsprecher Anton Knapp verweist auf Bund und Freistaat. Der jetzige Ausbau hat bereits eine halbe Milliarde Euro gekostet. Da es sich um Steuergelder handle, sei die Bahn verpflichtet, damit so sparsam wie möglich umzugehen. Ein Ausbau von Gleis 1 in Hergatz wäre aber nicht wirtschaftlich.
Und die Strecke sei zwar eingleisig, aber nicht so anfällig, wie Pro Bahn das darstelle. Denn laut Knapp gibt es durchaus Ausweichstellen. So seien im Bahnhof Memmingen beispielsweise nicht nur die Durchfahrtgleise elektrifiziert worden.
Beim Thema Ausbau der Strecke über Kempten verweist Knapp auf den Bund. Denn der lege im Bundesverkehrswegeplan fest, welche Strecken beim Ausbau dran sind. Und da ist die Bahnstrecke über Kempten im aktuell geltenden Plan, der die Jahre bis 2030 umfasst, nicht enthalten. Auftraggeber bei solchen Ausbauten sei aber immer der Bund, die Bahn sei dann diejenige, die plant und baut.