Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Tiny-Haus-Siedlung in Kißlegg ist vorerst vom Tisch
Darum wird der Bau der Kompakthäuser am Löhleweg nicht weiter verfolgt
KISSLEGG - Leben auf wenigen Quadratmetern, ökologisch und preiswert, das hatte sich die Verwaltung der Gemeinde Kißlegg gewünscht, als sie das Projekt Kompakthaussiedlung, auch Tiny-Haus-Siedlung genannt, vor gut einem Jahr ins Rollen brachte (die SZ berichtete). Jetzt steht fest: Die Siedlung der kleinen Häuser wird nicht kommen, zumindest nicht am bislang anvisierten Standort.
Die Kompakthaussiedlung am Löhleweg in Kißlegg wird es nicht geben. Das haben die Verwaltung Kißleggs und die Landsiedlung Baden-Württemberg, Eigentümer des angedachten Grundstücks zwischen Löhleweg und Wolfegger Ach, gemeinsam bekanntgegeben. Das vor sieben Monaten in Auftrag gegebene Baugrundgutachten hat ergeben, dass die technischen und finanziellen Aufwendungen für die Erschließungsstraßen, Leitungen und Baugrundstücke so hoch wären, dass das gesetzte Ziel von preiswertem und ökologischem Wohnraum an dieser Stelle nicht erreicht werden könne, heißt es dazu in einer Pressemitteilung.
„Der Untergrund ist einfach nicht tragfähig“, erklärt Markus Schnabel, Prokurist der Landsiedlung BadenWürttemberg auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Selbst die kleinen Häuser, mit zum Teil nur dreieinhalb Tonnen Gewicht, hätten zu jährlichen Setzungen von 30 bis 40 Zentimetern geführt. So etwas sei niemandem zumutbar, so Schnabel weiter. Pfahlkonstruktionen hätten diese Setzungen abmildern können, hätten die Kosten für jedes einzelne Haus aber überproportional in die Höhe getrieben. Dazu hätte die Verdichtung des Bodens zu naturschutzrechtlichen Problemen geführt. „All diese Tatsachen haben dazu geführt, dass das Ergebnis eindeutig ist. Dieses Grundstück ist einfach nicht geeignet“, fasst der Prokurist zusammen.
Bereits von Anfang an stand gerade der Boden des in Teilen von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg als Überschwemmungsgebiet gekennzeichneten Areals im Fokus der Bedenkenträger. Daher ist das Ergebnis für Kißleggs Bürgermeister Dieter Krattenmacher auch keine Überraschung. „Ich habe von Anfang an gesagt, dass das Ergebnis offen ist und erst einmal die Randbedingungen geprüft werden müssen. Gerade an so einer Stelle kann der Untergrund in unserer Gegend immer Überraschungen bereit halten, gute und schlechte“, so der Bürgermeister. Positiv sei in diesem Zusammenhang aber zu werten, dass sich eine auf Teilen des Grundstücks vermutete Altlast als unproblematisch erwiesen habe.
Das Scheitern des Projekts an dieser Stelle wird in Kißlegg aber mit Sicherheit
nicht nur enttäuschte Gesichter hervorbringen. Seit Bekanntwerden des Projekts hatten Bürger Bedenken gegenüber der Kompaktbauweise angemeldet. Neben dem ungeeigneten Boden und der Gefahr von Hochwasser wurden auch allgemeine Sorgen gegenüber dem alternativen Wohnkonzept artikuliert. Die Sorge, dass hier etwas „Unanständiges“geschehen könnte, stand von Anfang an im Raum, erklärt Krattenmacher. Auch die Corona-Pandemie haben ihren Anteil an der Einstellung des Projekts.
Denn: „Der Gemeinderat und ich, aber auch die Landsiedlung haben von Anfang an viel Wert auf eine breite und offene Bürgerbeteiligung gelegt. Gerade wenn man Neuland betritt, ist dieser Austausch in einer frühen Phase des Projekts unerlässlich, um ein gutes Ergebnis hinzubekommen“, blickt Krattenmacher auf die zurückliegenden Monate zurück. Die Corona-Pandemie sei in „dieser entscheidenden frühen Phase des Projekts“dazwischen gekommen und habe den gegenseitigen Austausch zwischen dem Projektträger, den Nachbarn, Interessenten und der Gemeinde sehr erschwert. Da bis heute keiner wissen könne, wann der Gesprächsfaden wieder aufgenommen werden kann, könne eine solche Situation bei einem innovativen Projekt zu festgefahrenen Fronten und anhaltendem Unfrieden führen. „Mein Ziel ist aber, so merkwürdig sich das anhört, dass die Menschen in Frieden mit- und nebeneinander wohnen und leben können“, so Krattenmacher. Für die Erreichung dieses hehren Ziels habe die nötige Kommunikation gefehlt.
Ganz begraben möchte Krattenmacher den Gedanken an eine TinyHaus-Siedlung im Kißlegger Gemeindegebiet aber noch nicht. Zwar gebe es noch keinen Plan B, allerdings wolle man sich im Gemeinderat bald darüber austauschen, wie „wir in Kißlegg auf diesen Trend zu kompakteren, ökologischen und individuelleren Wohnformen reagieren wollen“. Durch die andauernde Immobilienpreisentwicklung nach oben werde das Thema aktuell bleiben.
Zudem haben auch viele Bürger Interesse an der Entwicklung eines solchen Wohngebietes gezeigt. Rund 200 Privatpersonen haben parallel an städtebaulichen Fragen mitgearbeitet und Impulse gegeben, wie Wohnraum ökologischer und preiswerter geschaffen werden könnte. „Wir sind definitiv weiter auf der Suche und die hier gesammelten Erkenntnisse bleiben und helfen uns künftig“, sagt Schnabel. Es sei eindeutig eine positive Entwicklung in diesem Segment spürbar, da gerade auch das Interesse von kommunaler Seite im vergangenen Jahr deutlich spürbar gestiegen sei.