Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Drei-Meter-Skulptur ist neuer Blickfang
Bücherei Tettnang ist neue Station auf dem Skulpturenweg
TETTNANG - Die interkommunale Zusammenarbeit von Landkreis Ravensburg und Stadt Tettnang haben es möglich gemacht, dass die Bücherei Tettnang neuerdings ihre Gäste im Erdgeschoss mit einer eindrucksvollen Skulptur des Holzbildhauers Rudolf Wachter empfängt. In dieser Woche sind die zwei bis zu 3,5 Meter hohen, zentnerschweren Skulpturen aus Pappelholz mit Hilfe des Bauhofs aufgestellt worden.
Voller Freude und Stolz zeigt Büchereileiterin Cosima Kehle auf das zweiteilige Werk namens „Schwundschnitte gegenwärtig“, das nun als Dauerleihgabe die Bücherei bereichert: „Wir haben schon lange fürs Erdgeschoss ein ästhetisches optisches Zentrum vermisst, aber wir hatten nie das Geld dafür.“Am liebsten wollte sie eine Skulptur von Rudolf Wachter, wie sie bereits in der Kapelle im Torschloss steht, und nach geduldigem Warten ist genau dieser Wunsch in Erfüllung gegangen. Hauptamtsleiter Gerd Schwarz und Melanie Löckl vom Kulturbetrieb des Landkreises Ravensburg waren dabei, als das Werk der Presse vorgestellt wurde.
Imposant recken sich die zwei Baumstämme in die Höhe, lenken den Blick hinauf ins offene Treppenhaus, treten in ihrer rohen Natürlichkeit in Dialog mit dem modernen, klaren Holz der Bücherei.
Der 1923 in Bernried in der Gemeinde Neukirch geborene und 2011 in München verstorbene Künstler hat nach einer Schreinerausbildung im elterlichen Betrieb die Holzschnitzerschule in Oberammergau und danach die Bildhauerklasse an der Kunstakademie in München besucht. Holz war sein Element: „Ich liebe das Holz unwahrscheinlich, weil es eine Wärme hat, eine Ausstrahlung hat, eine Lebendigkeit hat und menschlich einfach angenehm ist“, hat er einmal gesagt. Mit sicherem Blick für sein Holz hat er es allein mit der Kettensäge bearbeitet, hat ihm seine Ursprünglichkeit gelassen und zugleich seinen Stempel aufgedrückt. Man staunt, mit welcher Sicherheit der Künstler die senkrechten Schnitte in die Stämme gesetzt hat, die sich leicht öffnen, einen Blick durch den Spalt freigeben. Cosima Kehle meint sogar, dass der Spalt sich nach dem Aufstellen noch ein wenig auseinanderbewegt habe, schließlich ist das Holz ein lebendiger Stoff.
Melanie Löckl erklärt, wie das Kunstwerk nach Tettnang gekommen ist. Drei Jahre vor dem Tod des Künstlers hat das Ehepaar Ursula und Rudolf Wachter 2008 dem Landkreis Ravensburg insgesamt 22 Arbeiten als Schenkung überlassen, die zunächst im „Museum Rudolf Wachter“im Neuen Schloss Kisslegg zugänglich gemacht wurden. Später wurde das Museum jedoch wieder geschlossen. So schlummerte ein Großteil der Stiftung im Keller des Ravensburger Landratsamts, bis die
Idee eines Skulpturenwegs entstand. Tettnang ist die elfte Station, an der man Werke des Künstlers sehen kann, erst in der Heilig-Kreuz-Kapelle im Torschloss, jetzt auch in der Bücherei. Andere stehen überwiegend im Kreis Ravensburg bis Bad Wurzach und Bad Waldsee, aber auch im Kreis Sigmaringen. Noch sind weitere Stationen im Gespräch, dann soll ein Flyer erstellt werden, zudem sollen Infotafeln alle Stationen vorstellen, sagt Melanie Löckl, die das Projekt betreut.
Gerd Schwarz freut sich für die Stadt Tettnang über die gelungene Zusammenarbeit, zumal er früher selbst die Kultur im Landkreis Ravensburg betreut hatte. Er verspricht sich auch einen Gewinn für die Region: Wenn der Tourist irgendwo auf dem Weg einer Skulptur begegne, werde er vielleicht auch auf die anderen neugierig und wolle sie aufsuchen – eine schöne Gelegenheit, das verstreute Werk und damit auch die Region kennenzulernen.