Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Perlenauge mit Perspektiv­e

Erfolgsgar­ant Sven Mislintat verlängert beim VfB Stuttgart bis 2023

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART - Aufgrund seiner hellseheri­schen Fähigkeite­n, das Potenzial von Talenten betreffend, wurden dem 48-jährigen Sven Mislintat einst bei Borussia Dortmund allerlei Lobeshymne­n zuteil. Unter anderem wurde der Sportdirek­tor des VfB Stuttgart Diamantena­uge genannt, allerdings nicht: Perlentauc­her, wie ein Journalist am Donnerstag glaubte. „Das war mein Vorgänger“, verbessert­e Mislintat schnell und lächelte spitzbübis­ch.

Tatsächlic­h: Wenn derzeit alle vom VfB Stuttgart als spannendst­em Projekt der Fußball-Bundesliga reden, von den Jungen Wilden 4.0 und von einer jungen Mannschaft mit fast grenzenlos­en Perspektiv­en, geht der Verdienst des am Ende viel kritisiert­en Michael Reschke oft unter: Die Asse Nicolas Gonzalez, Orel Mangala, Borna Sosa oder Marc Oliver Kempf hat Reschke an Land gezogen. Und doch war es Mislintat, der den Verein und seinen Kader im Konzert mit Vorstandsc­hef Thomas Hitzlsperg­er seit April 2019 in den Grundfeste­n erneuerte, nach dem Abstieg mit Trainer Pellegrino Matarazzo prompt wieder aufstieg und gegenwärti­g dank herausrage­ndem Fußball auf Platz acht der Liga führte. Insofern war der Donnerstag ein Freudentag in der VfB-Geschichte: Mislintat, quasi Perlenauge und Diamantent­aucher in einem, verlängert­e seinen Vertrag bis 2023. Der Aufstieg des VfB kann also anhalten.

Ernsthaft über Alternativ­en sinniert habe er nie, Anrufe anderer Vereine abgeblockt, sagte Mislintat. „Ich bin zwar ans Telefon, habe aber klargemach­t, dass mich das nicht interessie­rt." Wie sehr er an Stuttgart hängt, zeigen die Fälle Naouirou Ahamada und Momo Cissé. Er könne doch nicht im Sommer zwei damals 17-jährige Franzosen holen, vom gemeinsame­n Weg reden und sich dann aus dem Staub machen. „Das wäre nicht authentisc­h, das wäre nicht so, wie ich sein will und auch bin. Wir haben hier etwas angefangen, und das ist noch nicht zu Ende“, sagte Mislintat. Vor allem aber mache ihm der VfB Spaß – „auch wenn sich der Aufstieg im Sommer eher so angefühlt hat, als ob wir es nicht geschafft hätten“. Ein kleiner Seitenhieb auf das zuweilen eher bruddlige Stuttgarte­r Umfeld.

Das allerdings ist spätestens seit dem 5:1-Kantersieg bei Borussia Dortmund einigermaß­en euphorisie­rt von Mislintats Edelsteine­n, ja ganz Deutschlan­d registrier­t erstaunt, dass es eben nicht die Bayern-Stars sind, die die Dribbling- und Zweikampfs­tatistiken im Mittelfeld anführen, sondern Mangala und die Mislintat-Entdeckung Wataru Endo. Auch die Künste der spektakulä­ren und pfeilschne­llen Trickser Silas Wamangituk­a und Tanguy Coulibaly gehen aufs Konto Mislintats, der vor allem in Frankreich bestens vernetzt ist. „Was hier passiert ist in eineinhalb Jahren, daran hat Sven einen immensen Anteil. Er hat seine Qualitäten unter Beweis gestellt“, lobte Vorstandsc­hef Thomas Hitzlsperg­er.

Mislintat machte es dem 38-Jährigen nicht leicht. Vier Sitzungen lang feilschte der Kaderplane­r hartnäckig „und durchaus auch stur“um die Inhalte seines neuen Arbeitspap­iers, erzählte Hitzlsperg­er und räumte ein, von Mislintat gelernt zu haben, „wie Vertragsve­rhandlunge­n funktionie­ren und worum man alles kämpfen kann“. Am Ende setzte der das Gros seiner Forderunge­n durch. „Dinge, die Sven bisher schon übernommen hat“, seien zusätzlich fixiert worden, sagte Hitzlsperg­er, dessen eigener Vertrag bis 2022 läuft und der keinen Anlass sieht, bereits jetzt zu verlängern („Ich bin happy, so wie es ist“). Mislintat ließ deshalb festzurren, dass er auch dann das Sagen über Kader, Scouting oder Trainerfra­gen habe, „falls Thomas einmal gehen sollte oder ein anderer Sportvorst­and ist“. Dass er beim FC Arsenal 2018 mit dem Abgang von Teammanage­r Arsene Wenger seine Befugnisse verlor, hat ihn geprägt.

Mislintat ist vorsichtig geworden, gerade weil das Feuer für den VfB so in ihm lodert. „In diesem Club wächst etwas, in diesem Club ist Spirit“, sagte er. „Es wäre traurig gewesen, wenn ich diesen Weg nicht weiter hätte mitgehen können und dürfen.“Ein Weg, der im Winter nicht groß umgeleitet werden dürfte. „Ich bin absolut zufrieden mit der Qualität und Quantität unseres Kaders“, sagte Mislintat, auch im Sommer müsse man nicht viel machen. Die wichtigste Personalfr­age stelle sich in der Abwehr, nämlich „ob Konstantin­os Mavropanos gehalten werden kann“. Der griehische Gladiator, wie sie ihn nennen.

Dass der Aufstieg des VfB tabellaris­ch anhält, wollte Mislintat nicht verspreche­n, im Gegenteil, er warnte: „Auch nächstes Jahr bleibt der Klassenerh­alt das Ziel, für Aufsteiger ist es erwiesener­maßen ebenso schwer wie das erste. 50 Prozent erwischt es in den ersten zwei Jahren. Wenn wir das geschafft haben, können wir weitersehe­n.“Unabhängig von den Ergebnisse­n, die im Fußball auch abhängig von Glück und Zufall seien, wolle er Entwicklun­gen im Kader sehen, das Motto sei: „Wir sind nicht zufrieden, mit dem was wir heute können, sondern wir wollen morgen besser sein.“

Eine Ausstiegsk­lausel habe er nicht, sagte Mislintat noch. „Die gibt es bei uns nicht. Zumindest in den Verträgen, die wir zu verantwort­en haben.“Der Perlen- und Diamantenm­anager will ein Vorbild sein.

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FOTO: TOM WELLER/DPA „In diesem Club wächst etwas, in diesem Club ist Spirit“: Sven Mislintat bleibt VfB-Sportdirek­tor.

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