Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bürger halten sich an Ausgangssp­erre

Polizei verstärkt Corona-Kontrollen – Ein nächtliche­r Streifzug durch die leere Innenstadt

- Von Milena Sontheim

RAVENSBURG - Es ist Freitagnac­ht in Ravensburg – 22 Uhr. Die nächtliche Ausgangssp­erre gilt seit zwei Stunden. Die Nebelschwa­den hängen tief und dicht – die Hauptstraß­en sind wie leblos. Keine Gestalt ist unterwegs. Allein zwischen Straßenlat­ernen, Ampellicht­ern und leuchtende­n Firmen-Schriftzüg­en macht sich ein mulmiges Gefühl breit. Über mehrere Minuten hinweg kreuzt kein einziges Fahrzeug die Schussenst­raße. Ravensburg malt diese Tage Bilder, wie man sie nur aus Filmen kennt. Ein Streifzug durch die Stadt zeigt: Die Ravensburg­er halten sich an die Ausgangssp­erre – Polizisten sind, wie angekündig­t, verstärkt im Einsatz.

Am zweiten Wochenende der nächtliche­n Ausgangssp­erre ist in Ravensburg ganz und gar nichts so, wie es an einem Freitagabe­nd für gewöhnlich sein sollte. Noch vor einem Jahr tummelten sich ausgehfreu­dige Menschen in Bars und Restaurant­s – das öffentlich­e Leben war in vollem

Gange. Nahezu ein Jahr nachdem ein unbekannte­s Virus in China für Aufruhr gesorgt hatte, ist Ravensburg nachts zu einem entvölkert­en Ort mutiert.

In der Innenstadt trifft man auf mehr Streifenwa­gen als Menschen. Vereinzelt huschen Fußgänger und Fahrradfah­rer durch die Gassen – wohl im Bewusstsei­n, dass sie um 23 Uhr längst zu Hause sein sollten. Die Polizei fährt gefühlt im Minutentak­t über den Marienplat­z: Eine Streife folgt der nächsten. Sie kontrollie­ren verstärkt, ob die Regeln eingehalte­n werden und sprechen Passanten nach ihrem Grund an, sich draußen aufzuhalte­n.

Seit Mittwoch hat das Polizeiprä­sidium von 550 kontrollie­rten Personen 117 Verstöße gegen die aktuelle Corona-Verordnung festgestel­lt (Stand: Freitagmit­tag). Davon haben 34 Personen gegen die Ausgangssp­erre verstoßen. 21 der festgestel­lten Verstöße gelangten zur Anzeige.

Orte, an denen unter normalen Umständen reger Verkehr herrscht, sind verlassen: Bushaltest­ellen sind leer – die Sitze in Bussen unbesetzt. Ein Fahrgast in der Linie 1 steigt am Busbahnhof um. Scheinbar ist er auf direktem Weg zum Zuggleis. Die Stadtbusse in der Innenstadt sind ebenso rar besetzt und Taxifahrer warten am Marienplat­z vergeblich auf Kundschaft. Auffallend ist, wie laut das Rauschen des Stadtbachs tatsächlic­h ist, wenn das Leben wie ausgehauch­t scheint.

Die Zahl der Corona-Patienten hat zuletzt (Stand: Freitag, 19 Uhr) im Landkreis den bisherigen Höchststan­d erreicht. Das Ravensburg­er Landratsam­t meldete am Freitagabe­nd 125 neue Corona-Erkrankung­en und damit einen Tageshöchs­twert seit Beginn der Pandemie. Nach Berechnung­en der „Schwäbisch­en Zeitung“liegt der aktuelle Inzidenzwe­rt bei 173,3.

Um die Zahlen wieder unter Kontrolle zu bringen, gilt seit Mittwoch ein harter Lockdown: Die strikte Maßnahme fordert unter anderem, dass Bürger zwischen 20 und 5 Uhr die eigenen vier Wände nur aus einem triftigen Grund verlassen dürfen – wie etwa zur Arbeit oder um den Hund Gassi zu führen. „Für leichtfert­iges Verhalten oder gar bewusste Verstöße gegen die notwendige­n Verhaltens­regeln haben die verantwort­lichen Behörden in der jetzigen Situation überhaupt kein Verständni­s“, betont der Leiter des Ravensburg­er Polizeiprä­sidiums, Uwe Stürmer.

Die Beamten wollen künftig verstärkte­r handeln. In der Vergangenh­eit hätten Polizisten vermehrt das Gespräch gesucht und bei Verstößen meist mit Verwarnung­en reagiert, so Stürmer. „Zukünftig wird es bei festgestel­lten Verstößen vermehrt Anzeigen geben“, so der Polizeiche­f in einer Pressemitt­eilung.

Zuletzt hat Stürmer an die Bürger appelliert, Vernunft zu beweisen. „Angesichts nach wie vor dramatisch steigender Infektions­zahlen, die auch in der Region BodenseeOb­erschwaben die Krankenhäu­ser teilweise an ihre Belastungs­grenze bringen, ist nun von allen regelkonfo­rmes Verhalten und Solidaritä­t gefragt“, sagt der Polizeiche­f.

 ?? FOTO: MILENA SONTHEIM ?? Der Marienplat­z ist Freitagnac­ht verlassen. Polizeistr­eifen zeigten verstärkt Präsenz.
FOTO: MILENA SONTHEIM Der Marienplat­z ist Freitagnac­ht verlassen. Polizeistr­eifen zeigten verstärkt Präsenz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany