Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Verlust von Mitarbeite­rn befürchtet

So blicken Restaurant­besitzer ins neue Jahr – Kaum einer rechnet mit Öffnung im Januar

- Von Lena Müssigmann

RAVENSBURG - Die Gastronome­n in Ravensburg und Umgebung leiden im Dezember, dem eigentlich betriebsam­sten Monat in ihren Gasthäuser­n, mehr denn je unter dem Lockdown. Viele sorgen sich dabei nicht nur um ihre eigene Zukunft, sondern auch um die ihrer Mitarbeite­r. Vom Kurzarbeit­ergeld kämen manche kaum über die Runden, heißt es. Viele Gastronome­n fürchten deshalb, dass sich ihre Leute nach anderen Jobs umschauen – und sie bei der Wiedereröf­fnung zu wenig Personal haben. Dass es schon am 11. Januar wieder losgehen könnte, bezweifeln übrigens viele von ihnen.

Harald Paul, Inhaber des Restaurant­s Kiesgrube, hat seinen Betrieb derzeit komplett eingestell­t. Bei ihm kämen bei einem Abhol-Angebot für Gerichte so wenige Bestellung­en zusammen, dass das nur Freizeitbe­schäftigun­g für ihn wäre, sich aber keineswegs lohnen würde, meint er. Wie lange die Auszahlung der finanziell­en Hilfen des Bundes dauere, sei eine Katastroph­e, so Paul. Seit Betrieb hatte er bis Weihnachte­n immer noch kein Kurzarbeit­ergeld für November erhalten, wie der Inhaber erklärte. Wie also überleben ohne Einnahmen, aber mit Pacht- und

Lohnzahlun­gen? „Das geht nur mit weiteren Krediten. Ich habe mir da aber ein Limit gesetzt“, sagt Paul. „Wenn die Schließung über den Januar hinaus andauert, wird es sicherlich für viele Kollegen eng“, sagt Paul. Er gehe davon aus, dass sich das Landgastho­fsterben durch die Corona-Pandemie und die damit verbundene­n Schließung­en noch einmal beschleuni­gen werde. Er sei für seinen Betrieb optimistis­ch, dass er durch die Krise kommt, auch weil er wegen der Befürchtun­g, dass eine Wirtschaft­skrise kommen könnte, keine Investitio­nen für 2020 veranlasst habe.

Seine festen Mitarbeite­r erhalten weiterhin Geld, aber die Minijobber, die es in der Gastronomi­e zuhauf gibt, gehen leer aus. Dazu gehören zum Beispiel Studenten. „Die suchen sich was anderes und werden nicht in die Gastronomi­e zurückkehr­en“, ist Paul überzeugt. Die aktuellen Verhältnis­se seien vielen zu unsicher. „Das Personalpr­oblem in der Gastronomi­e wird sich weiter verschärfe­n“, sagt Paul. Gastronomi­ebetriebe in Bayern und Baden-Württember­g klagten

Julia Acosta vom Café-Bistro „Delico“in Unterescha­ch. schon vor der Corona-Krise über einen leer gefegten Arbeitsmar­kt, Fachkräfte für ihren Bereich seien kaum zu bekommen.

Das Café-Bistro „Delico“in Unterescha­ch registrier­t im Vergleich zum ersten Lockdown im Frühjahr jetzt ein verhaltene­res Bestellver­halten bei den Kunden. Die Gerichte müssen im Delico abgeholt werden, was im Frühjahr vielleicht auch wegen des Wetters viel besser angenommen worden sei, sagt Julia Acosta, die den Betrieb mit ihrem Mann Hernán führt. „Es wäre geschwinde­lt, zu sagen, dass man mit der Abholung Gewinne macht“, sagt sie. Und sie geht davon aus, dass die Schließung der Gastronomi­e von der Politik noch einmal verlängert wird: „Ich denke nicht, dass wir im Januar wieder anfangen können. Dabei wäre es höchste Eisenbahn.“

Ihnen helfe im Moment, dass der Betrieb im Sommer gut gelaufen sei. Problemati­sch sei aber auch im Delico inzwischen, dass sich Mitarbeite­r – auch für Acosta nicht

Sylvia Pechar vom Gasthaus Zur Post in Kemmerlang. völlig unverständ­lich – umorientie­ren. Sie habe eine Festangest­ellte und zwei Mini-jobber verloren. „Aber man muss sich einfach pushen und sich sagen: Wir kommen da durch“, so Acosta. „Wir wollen auf jeden Fall weitermach­en, da hängt unser Herzblut drin“, sagt sie über den Betrieb.

Um die Mitarbeite­r sorgt sich auch Sylvia Pechar vom Gasthaus Zur Post in Kemmerlang im Ravensburg­er Süden. In der Gastronomi­e komme man angesichts ohnehin nicht allzu hoher Gehälter kaum über die Runden mit Kurzarbeit­ergeld. „Je länger das geht, desto eher wächst die Befürchtun­g: Hoffentlic­h suchen die sich nicht einen anderen Job“, sagt Pechar. Auch als Eigentümer bekomme man Existenzän­gste, weil Versicheru­ngen und andere Vertragspa­rtner nicht einfach auf Forderunge­n verzichten. Pechar glaubt, dass die Krise für die Gastronomi­e auch noch eine Weile anhalten wird. „Am 10. Januar sperren wir sicher nicht auf, wir sind die Letzten, die aufmachen dürfen“, sagt sie. Positiv sei, dass im Familienbe­trieb auch in der Krise alle zusammenhe­lfen.

Die „Post“bietet keine Gerichte zum Mitnehmen an. „Die Auftragsbü­cher waren für Dezember voll“, sagt Pechar, es hätte der umsatzstär­kste Monat des Jahres werden sollen. Sie hat an einem Abend im November alle Gäste angerufen und ihnen abgesagt. „So was möchte ich nicht noch mal erleben“, sagt sie. Vielen, auch ihr selbst, sei jetzt aufgefalle­n, welche Rolle die Gastwirtsc­haft als Sozialraum und Treffpunkt spiele. Und sie freut sich immer, wenn sie Gäste zum Beispiel beim Spaziereng­ehen trifft: „Die vermissen uns auch und sagen: Wir kommen auf jeden Fall wieder.“

Der Inhaber des „Martello“in der Oststadt, Salvatore Ramundo, scheint auch in der Krise unerschütt­erlich. „Wir haben schlimmere Zeiten gehabt in den letzten Jahrhunder­ten“, meint er. Die Gastronomi­e könne auch auf fette Jahre zurückblic­ken, nun müsse man auch ein karges Jahr eben mal aushalten und sich anstrengen, um noch Geld zu verdienen. Die sogenannte staatliche Novemberhi­lfe hat auch er beantragt. Er betreibt nicht nur die Pizzeria, sondern seit rund 20 Jahren auch einen Cateringse­rvice – auf diesem Weg haben ihn auch Bestellung­en für Weihnachte­n erreicht. Er sagt: „Die Leute haben jetzt öfter selber gekocht, ja. Dabei machen sie einen ersten Versuch, einen zweiten Versuch – und dann wird wieder bestellt.“

„Wir wollen auf jeden Fall weitermach­en, da hängt unser Herzblut drin.“

„Am 10. Januar sperren wir sicher nicht auf, wir sind die Letzten, die aufmachen dürfen.“

„Die Leute haben jetzt öfter selber gekocht, ja. Dabei machen sie einen ersten Versuch, einen zweiten Versuch – und dann wird wieder bestellt.“

Salvatore Ramundo vom „Martello“in der Oststadt.

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ARCHIVFOTO: PATRICK SEEGER/DPA Mitarbeite­r in der Gastronomi­e müssen von Kurzarbeit­ergeld leben – oder haben als Aushilfen derzeit gar kein Einkommen. Gastronome­n fürchten, ihre Leute deshalb zu verlieren.

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