Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Zwei Oberbürgermeister bissen sich die Zähne aus
Karl Wäschle und Hermann Vogler hätten gerne die Landesgartenschau nach Ravensburg geholt
RAVENSBURG – Immer fehlte das Geld. Immer waren andere Vorhaben wichtiger und das Projekt scheiterte auch aus anderen Gründen. Und so kam es, dass trotz mehrerer energischer Anläufe der Oberbürgermeister Karl Wäschle (1966 bis 1987) und Hermann Vogler (1987 bis 2010) in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Ravensburg keine Landesgartenschau realisiert wurde und ein kräftiger „Grün-Schub“in der Stadt bis heute auf sich warten lässt.
Doch die Ravensburger und Weingartener können sich trösten in diesen trüben Corona-Zeiten mit der Landesgartenschau in Überlingen, die 2021 hoffentlich stattfinden kann, und auch mit der Gartenschau in Lindau (2024 in Wangen).
In ihrer Bescheidenheit sind sie auch schon froh, den Serpentinenweg hinauf zur Veitsburg genießen zu können, den sie stark frequentieren, Jung und Alt gleichermaßen. Und wenn es Oberbürgermeister Daniel Rapp auch noch gelingt, sein Lieblingsprojekt Schussenpark hinter dem Bahnhof zu verwirklichen, eine Mini-Gartenschau, dann werden sie sicher auch dort mit Vergnügen lustwandeln.
Es ist nicht ohne Reiz, einmal im Detail nachzuforschen, warum sich die OBs Wäschle und Vogler, beide durchaus an mehr Grün an ihrer Stadt interessiert, am Projekt Landesgartenschau vor Jahrzehnten die Zähne ausgebissen haben. Dazu ist es aufschlussreich, Wäschles „Alassinische Notizen“, seine Erinnerungen, zur Hand zu nehmen, denn dort geht er gleich in zwei Kapiteln auf das Thema Landesgartenschau ein.
Nach seiner Darstellung hatte er bereits gegen Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger eine gemeinsame Bewerbung mit Weingarten beim Land um eine Gartenschau 1984 angestrebt, dem er zwei Alternativen schmackhaft zu machen beabsichtigte, einmal das Gelände des gemeinsamen Sport- und Freizeitparks des Gemeindeverbandes vom Wasserschutzgebiet Kammerbrühl nach Norden, zweitens aber ein Gelände in Burach-Ost mit dem alten Müllhügel als Zentrum.
Das eine lag überwiegend auf Weingartener Markung, das andere überwiegend auf Ravensburger Gebiet. Und das war die Krux. „Es war kaum zu erwarten, dass Weingarten die Landesgartenschau auf Markung Ravensburg mitzufinanzieren bereit war. In Ravensburg mehrten sich die Stimmen zugunsten des Standortes Burach-Ost“, erinnerte sich OB-Ruheständler und Memoirenschreiber Wäschle. Prompt stieg die Stadt Weingarten aus dem gemeinsamen Projekt aus.
Ravensburg verfolgte daraufhin das Vorhaben alleine weiter, auf Vorschlag des Baudezernates nun aber im stadtnahen Bereich Veitsburg/St. Christina. Und Wäschle fühlte sich ermutigt, auf diesem Wege voranzuschreiten, denn aus Stuttgart kam vor Ostern 1982 die frohe Botschaft, die Stadt Ravensburg bekomme die Landesgartenschau 1987 zugewiesen, wenn sie sich 1983 verbindlich für ihre Durchführung entscheide.
Fünf Millionen Zuschuss vom Land winkten, weitere fünf hätte die Stadt aufbringen müssen. Wäschle fühlte sich damals wie auf Wolke sieben. Er schrieb von seiner „Traumvorstellung“, mit der Eröffnung der Landesgartenschau 1987 in Ravensburg in den Ruhestand treten zu können.
Doch er wurde alsbald auf den harten Boden der Realität zurückgeholt. „Eindeutiges Votum gegen St. Christina als Standort für die Landesgartenschau“, fasste die „Schwäbische Zeitung“im Mai 1983 das Ergebnis einer Bürgerversammlung zusammen. Fachleute hatten von diesem Standort abgeraten. Ein Verkehrschaos wurde droben bei der Veitsburg befürchtet.
Anklang in der Versammlung fand hingegen ein Vorschlag der SPD-Fraktion, eine dezentrale Landesgartenschau abzuhalten, für die aber kein Eintritt hätte erhoben werden können, wichtig für die Finanzierung, wie OB Wäschle zu bedenken gab. Auch der grüne Stadtrat Peter Schröder war für eine dezentrale Gartenschau, wäre aber auch mit einer zentralen Lösung im
ANZEIGE
Bereich der geplanten B 30 einverstanden gewesen unter der Voraussetzung, dass die neue Straße nicht realisiert wird. Es sollte dann genau umgekehrt kommen.
OB Wäschle machte auch gegen den Vorschlag der CDU-Mehrheitsfraktion, die Gartenschau in der Schussentalaue beim Wernerhof im Zusammenhang mit der neuen B 30 zu verwirklichen, Bedenken geltend: In diesem Fall, so befürchtete der Oberbürgermeister, würde die Landesgartenschau „in weite Ferne rücken.“
In seinen Memoiren konstatierte er ernüchtert: „Die Kassen sind leer. Der Wirtschaftsaufschwung lässt auf sich warten.“Die anfängliche Begeisterung der Städte für die Landesgartenschau sei abgeklungen, seit sich herausgestellt habe, dass damit ein erhebliches finanzielles Risiko für die Kommunen verbunden sei.
Auch war dem OB laut seiner Erinnerungen nicht entgangen, dass in der Bevölkerung von Begeisterung für so ein Projekt nicht mehr die Rede sein konnte. Wörtlich führt er aus, man sei der Meinung, es werde „zu viel Geld für Grün“ausgegeben, dessen „Nutzen fragwürdig“sei. Heute glaubt der Leser, in Anbetracht von so viel Ignoranz seinen Augen nicht trauen zu können. Doch damals zeichnete sich die Dramatik des Klimawandels noch nicht so deutlich ab wie inzwischen mit drohenden Hitzewellen in der Innenstadt.
Wäschle gab damals jedoch noch nicht auf. Er rechnete sich noch eine Chance aus, letztlich doch eine Mehrheit im Gemeinderat für die Sache zu gewinnen (an das Votum der Bürgerversammlung wäre das Gremium nicht gebunden gewesen). Doch dann fiel der Hammer: „CDU bleibt endgültig bei ihrer Haltung und stimmt gegen die Landesgartenschau 1987“lautete im Juni 1983 die Schlagzeile in der „Schwäbischen“.
Schwerwiegendste Begründung: die riskante finanzielle Seite des Vorhabens, aber auch andere Argumente. CDU-Fraktionschef Alfred Dörr plädierte dafür, sich erneut für eine Landesgartenschau 1992/93 zu bewerben, mit der klaren Standortzusage für die Schussenniederung. Wilfried Krauss, damals noch SPDFraktionsvorsitzender und ein Befürworter einer Landesgartenschau, schäumte: „An Kleinmut und Engstirnigkeit ging auch die Große Ravensburger Handelsgesellschaft zugrunde. In der selben Tradition stehen Sie“, warf der Rote den Schwarzen vor.
Und seine Fraktionskollegin Maria Ballarin war sich mit OB Wäschle in dieser Frage (durchaus aber nicht in vielen anderen) einig in der Einschätzung, dass aus einer schrittweisen Verwirklichung von Grünbereichen, wofür die CDUFraktion als Trostpflaster plädierte, letztlich ja doch nichts werde. Sie sollte recht behalten. Von einer Landesgartenschau wäre ihrer Meinung
nach die „notwendige Schubwirkung“ausgegangen. OB Wäschle aber setzte seine Niederlage dermaßen zu, dass er sogar erwog, vorzeitig aus dem Amt zu scheiden, wie er in seinen Erinnerungen durchblicken lässt.
Sein Nachfolger Hermann Vogler griff die Idee auf, aber auch er sollte scheitern. Vogler hoffte, die Grünflächen-Entwicklung im Schussental im Bereich der Talaue, der neuen B 30 und der Weststadt mit Hilfe einer Landesgartenschau voranbringen zu können. Doch das diesbezügliche städtische Entwicklungskonzept stieß in Stuttgart nicht auf Gegenliebe.
Die Landesregierung hielt am Projekt einer repräsentativen, klassischen Landesgartenschau auf der St. Christina-Höhe fest. In Sondierungsgesprächen sei man auf keinen gemeinsamen Nenner gekommen, war im April 1989 in der Schwäbischen Zeitung zu lesen, die den Oberbürgermeister wie folgt zitierte: „Die Landschaft dort oben (bei der Veitsburg) soll so bleiben wie sie ist. Grünentwicklung brauchen wir anderswo.“
Im Zuge der Arbeiten an der neuen B 30 kam es trotz der ablehnenden Haltung der Stuttgarter zu vielversprechenden Ansätzen, die für eine Landesgartenschau genutzt werden könnten, weil der Bund Geld für die grünen Randzonen der neuen Straße, etwa die parkähnliche Gestaltung unterhalb der Galgenhalde locker machte.