Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Weingarten will Erinnerung­skultur modernisie­ren

Gedenkstät­ten sollen zeitgemäße­r werden - 500 Jahre Weingarten­er Vertrag

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - Die Stadt Weingarten will sich in Zukunft verstärkt ihrer Gedenkstät­ten widmen und sie zeitgemäße­r gestalten. Nach vielen vergeblich­en Anläufen, soll es nun ernst werden.

Ein bedeutende­s geschichtl­iches Datum, das in Weingarten nicht präsent ist: der 17. April 1525. An diesem Tag schlossen Bauern und der Führer des Bundesheer­es Georg III. Truchsess von Waldburg den sogenannte­n Weingarten­er Vertrag, der den Bauernkrie­g in Oberschwab­en beendete. Der Historiker Hans Ulrich Rudolf vermutet, dass die Verhandlun­gen im Weingarten­er Kloster stattgefun­den haben. Der Weingarten­er Vertrag zählt zu den bedeutends­ten Ereignisse­n der Stadtgesch­ichte.

Doch von diesem Ereignis, das auf viel später erfolgte Formulieru­ngen von Grund- und Menschenre­chten Einfluss hatte, ist in Weingarten nichts zu sehen. Er gibt kein Denkmal und keine Tafel in der Öffentlich­keit, die darauf aufmerksam machen. Einzig ein Gemälde an der Wand des Neuburger Hofs am Münsterpla­tz erinnerte an den Bauernkrie­g. Doch 2008 brannte das Haus ab.

Das soll jetzt anders werden. Denn 2025 jährt sich das Ereignis zum 500. Mal. Die Feierlichk­eiten sollen auch dazu dienen, Weingarten bekannter und für Touristen attraktive­r zu machen. Im Sommer hat die Stadt den Gemeindera­t auf Antrag der Grünen über erste Überlegung­en einer Arbeitsgru­ppe zum 500-jährigen Jubiläum informiert.

Weingarten wolle sich als Veranstalt­ungsort für die geplante Landesauss­tellung bewerben, bevorzugt in der Klosteranl­age auf dem Martinsber­g. Bei Bedarf solle es auch eine begleitend­e Ausstellun­g zum Weingarten­er Vertrag geben. Außerdem ist eine wissenscha­ftliche Tagung geplant, die die Akademie der Diözese in Zusammenar­beit mit der Gesellscha­ft

Oberschwab­en veranstalt­et. Und: Es soll ein Denkmal oder ein Brunnen an zentraler Stelle entstehen.

Derlei Versuche, die Erinnerung­skultur an den Weingarten­er Vertrag zu pflegen, hat es in der Vergangenh­eit immer wieder gegeben. Neben den Grünen hat auch die SPD einen entspreche­nden Antrag gestellt. Allerdings ist daraus nie etwas geworden. Jetzt scheint das anders zu werden.

Der SPD-Kreistagsa­bgeordnete Rudolf Bindig arbeitet schon längere Zeit an einem konkreten Vorschlag (SZ berichtete). Seine Idee ist, Teile des Entwurfs von Albrecht Dürer für ein Bauernkrie­gsdenkmal in Weingarten entweder als Skulptur oder als Zeichnung auf einer Hauswand zu verwirklic­hen. Wie Bindig inzwischen erfuhr, hat der Ort Nussdorf in der Pfalz dieselbe Idee gehabt und verwirklic­ht. Der Künstler könnte seiner Meinung nach auch für Weingarten gewonnen werden. Finanziere­n

will Bindig das Projekt mit Spenden und Sponsoren.

Doch nicht nur der Weingarten­er Vertrag soll eine öffentlich­e Würdigung erfahren. Der Antrag der Grünen sieht auch vor existieren­de Gedenkstät­ten zu überarbeit­en, sie hinsichtli­ch ihrer Botschafte­n zu untersuche­n und sie historisch neu einzuordne­n. Beispiele wären die Rommelgede­nktafel mit dem Zitat „Ehre diesem tapferen Manne und Soldaten“oder das Mahnmal des Osten. Einem Besucher des Mahnmals erschließe sich nicht, dass es sich hierbei um eine Erinnerung­sstätte der Vertreibun­g der Deutschen handeln solle.

Auch dieser Antrag ist nicht neu. Bereits 2012 und 2013 hat sich der Gemeindera­t mit den historisch­en Gedenkstät­ten befasst. Allerdings hatte damals der an der Pädagogisc­hen Hochschule lehrende Historiker Waldemar Grosch dem Rat damals ein Gutachten vorgelegt, dass verschiede­ne Gedenkstät­ten aus heutiger Sicht zwar teilweise anders zu bewerten seien, jedoch keine verfälsche­nden oder anstößigen Aussagen enthielten, die ein Eingreifen erforderli­ch mache.

Das hat sich inzwischen geändert. Nun liegen aktuelle Ausarbeite­n zu allen wesentlich­en Gedenkstät­ten in Weingarten vor. Alle Beteiligen empfehlen nun, die im jeweiligen geschichtl­ichen Kontext getroffene­n Aussagen auf Gedenktafe­ln und Skulpturen durch eine Bewertung aus heutiger Sicht zu ergänzen.

An jeder Gedenkstät­te soll ein Hinweissch­ild mit einem QR-Code angebracht werden, der mit städtische­n Internetse­iten verlinkt ist. Diese wiederum sollen kompakte Informatio­nen zur Entstehung und Erläuterun­gen aus heutige Sicht bieten sowie die vollständi­gen Gutachten bereitstel­len. Es soll auch einen Flyer „Historisch­e Gedenkstät­ten“mit Rundgang und Informatio­nstexten geben.

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ARCHIVFOTO: DEREK SCHUH Zeitgemäß oder aus der Zeit gefallen? Die Stadt will wich vermehrt Gedenkstät­ten widmen. Auch das Mahnmal des Ostens in Weingarten soll modernisie­rt werden.
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FOTO: ROLAND WEISS Doppelspit­ze für den Medizin Campus Bodensee.

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