Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das Zittern bei den Einzelhänd­lern geht weiter

Verband rechnet mit bis zu 50 000 Ladenschli­eßungen bundesweit, wenn der Lockdown verlängert wird

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BERLIN (dpa) - Der Handel rechnet nicht mit einem raschen Ende der coronabedi­ngten Ladenschli­eßungen in Deutschlan­d und befürchtet das Aus für Zehntausen­de Geschäfte. „Ich fürchte, dass die Läden am 10. Januar noch nicht wieder öffnen dürfen. Denn das Ziel, die Sieben-Tage-Inzidenz bundesweit auf unter 50 zu senken, wird bis dahin wohl nicht zu erreichen sein“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bandes Deutschlan­d (HDE), Stefan Genth.

Am Dienstag fällt die Entscheidu­ng über die Verlängeru­ng der Beschränku­ngen. Eine Fortführun­g scheint beschlosse­ne Sache – offen ist angesichts weiter hoher Infektions­zahlen wohl nur noch die Dauer.

Der Handel fühlt sich in der Krise alleingela­ssen. Der HDE wandte sich am Wochenende mit einem Schreiben an Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU). „Wir fordern für die von den Schließung­en betroffene­n Unternehme­n endlich gezielte und wirksame Wirtschaft­shilfen und eine Perspektiv­e“, heißt es darin. Es drohe das Aus für bis zu 50 000 Geschäfte mit über 250 000 Mitarbeite­rn. Die Branche stehe jederzeit für ein Spitzenges­präch zur Verfügung.

„Die Lage ist wirklich sehr ernst“, erklärte Genth. „Bundesfina­nzminister Olaf Scholz kündigt zwar immer Milliarden­hilfen an, tatsächlic­h kommen die Hilfen aber nicht zur Auszahlung, weil die Zugangshür­den viel zu hoch sind.“Viele Unternehme­n, die von dem zweimalige­n Lockdown betroffen seien, hätten ihr Eigenkapit­al weitgehend aufgezehrt und benötigten wirtschaft­liche Unterstütz­ung.

Wegen der Corona-Pandemie werden nach Ansicht des Ökonomen Gabriel Felbermayr in Deutschlan­d rund 600 000 Arbeitsplä­tze verloren gehen. Am härtesten treffe es Bereiche, die bereits vorher einem strukturel­len Wandel unterlagen wie etwa die Luftfahrt- und die Tourismusb­ranche. „Nachhaltig wird die Pandemie den Einzelhand­el verändern“, sagte der Chef des Kieler

Instituts für Weltwirtsc­haft. Einige Bevölkerun­gsschichte­n kauften erstmals im Internet ein, Vorbehalte schwänden. „Für den Einzelhand­el in den Innenstädt­en und in Einkaufsze­ntren ist die Krise deshalb auch dann nicht vorbei, wenn das Infektions­geschehen eigentlich die Rückkehr in die Innenstädt­e erlaubt.“

Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier will Handel und Kommunen mit einem Hilfsprogr­amm unterstütz­en, damit Innenstädt­e angesichts des Onlineboom­s attraktive­r werden. Der CDU-Politiker sagte: „Es muss darum gehen, attraktive­n, zeitgemäße­n Einzelhand­el in der Innenstadt zu ermögliche­n. Das wird dann auch bedeuten, dass die Geschäfte

stärker an der Digitalisi­erung teilhaben und wir Kultur und Wirtschaft noch mehr miteinande­r verzahnen. Es wird bedeuten, dass wir interessan­te Angebote auch jenseits von Shopping in die Innenstädt­e holen. Das alles wird ohne öffentlich­e Unterstütz­ung nicht gehen.“

Altmaier sagte, zu den großen Problemen des zweiten Lockdowns, die ihn umtrieben, gehöre, dass der Einzelhand­el in den Innenstädt­en erneut zurückgewo­rfen worden sei. „Viele kleine und mittelstän­dische Einzelhänd­ler vom Schuhgesch­äft bis hin zu Modegeschä­ften sind enorm unter Druck. Da sind zum einen die Einkaufsze­ntren auf der grünen Wiese, zum anderen die Digitalisi­erung und die großen Internetpl­attformen, die jetzt durch den Lockdown noch einmal die Chance haben, ihr Geschäftsm­odell auszuweite­n.“

Beim Handelsver­band HDE hieß es, vorrangige­s Ziel müsse es sein, die Geschäfte zu öffnen, sobald dies aus Sicht der Virologen wieder möglich sei und sie dann auch geöffnet zu halten. „Wir können uns nicht von einem Lockdown zum nächsten entlanghan­geln. Das werden viele Tausende Handelsunt­ernehmen, insbesonde­re Modehäuser, nicht überstehen“, warnte Genth. Dass geöffnete Ladentüren und Pandemiebe­kämpfung kein Widerspruc­h seien, habe der Einzelhand­el in den vergangene­n Monaten bewiesen.

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FOTO: IMAGO IMAGES Die Läden sind geschlosse­n und der Handel fühlt sich in der Krise alleingela­ssen: Die staatliche­n Hilfen seien nicht wirksam genug, moniert der Handelsver­band Deutschlan­d (HDE).

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