Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
In Taldorf werden Leichen ausgebuddelt
Stefan Mitrenga gelingt mit seinem dritten Goschamarie-Krimi ein behaglicher Lesespaß
RAVENSBURG/FRIEDRICHSHAFEN Stefan Mitrenga hat seinen dritten Taldorf-Krimi geschrieben – wieder rund um die legendäre Wirtin Goschamarie. Das Buch übertrifft in seiner behaglichen Langsamkeit jeden Kommissar-Kluftinger-Roman. Außerdem enthält es das saftigste Schwäbisch, das man seit Langem lesen durfte. Kurzum: Nicht nur Lokalpatrioten zwischen Ravensburg und Friedrichshafen sei dieser Lesespaß ans Herz gelegt.
„Goschamarie – Der letzte Abend“gleicht von der ersten Seite an einem Paar gut sitzender Hausschuhe. Dabei wiederholt Stefan Mitrenga nicht einfach nur sein bisheriges Konzept. Natürlich, auch diesmal ermittelt Zeitungsausträger Walter wieder in einem Mordfall: Auf der Baustelle des neuen Taldorfer Musikheim wird ein Skelett gefunden. Der Leiche wurden die Fingerkuppen abgeschnitten, die Zähne offenbar herausgebrochen - vermutlich, damit sie nicht identifiziert werden kann. Hat womöglich Obstbauer Kuse etwas damit zu tun? Der grantige Eigenbrötler, der den Bau des Musikheims verhindern will – und daher den Ortsvorsteher beim Spatenstich mit dem Traktor jagt?
Aber das ist nicht nicht die einzige offene Frage. Der Bagger fördert noch eine andere Leiche zutage. Die Überreste einer jungen Frau, die schon vor fast 2000 Jahren gestorben sein muss. Auch ihr Schicksal lässt Walter nicht kalt. Und Autor Stefan Mitrenga erkundet Neuland, weil er in einem ganz neuen Erzählton die tragische Lebensgeschichte der Toten schildert. Dazu taucht er weit in die Vergangenheit ein, als Taldorf noch mitten im Römischen Reich lag.
Mühelos springt die Geschichte zwischen den Epochen – wobei die Gegenwart aktueller nicht sein könnte. Corona hält nämlich Einzug. Erst allmählich, dann mit Macht. Die Goschamarie muss wegen der Pandemie ihr Lokal schließen, auch wenn Walter es nicht glauben mag: „Wenn sie die Wirtschaften zumachen, wird es zu Aufständen kommen!“, warnt er. Aber bis zur Schließung werden bei der Goschamarie noch viele Bierhumpen geleert – erst recht am letzten Abend, der dem Buch den Titel gibt. „Wänn i eh zuamacha muss, dänn sauf mer no s’Lager läär“, ruft die Wirtin. „Des goht auf mi!“
Mitrengas dritter Taldorf-Krimi ist feuchtfröhlich, sehr urig und gespickt mit humorigen Bosheiten. Einige davon kriegt der Schlagersänger „der Wendler“ab. Vor einem Konzert in der Oberschwabenhalle will er sich bei der Goschamarie in seinem Promi-Status sonnen.
Nur kennt ihn da kein Mensch, und als der auch noch zu singen beginnt, tut die Goschamarie dem „Schlagerfuzzi“die Hennen in den Stall. Wieder einmal versammelt Stefan Mitrenga ein Ensemble liebenswerter Figuren. Da ist natürlich Walter, der bei jeder Fahrt durch Dürnast geblitzt wird und mit digitaler Technik nicht zurechtkommt, wie etwa der Bluetooth-Box: „Und wo kommt dann die CD rein?“Sein Intimfeind Eugen, der neunmalkluge Lehrer, entpuppt sich diesmal als hilfsbereiter Corona-Paniker, der selbst genähte Mundschutze verschenkt; gefertigt allerdings aus seinen alten Unterhosen. Und Faxe, der Automechaniker mit der erotischen Ausstrahlung, betört auch diesmal wieder Menschen beiderlei Geschlechts: „Geile Muckis, lobte Kripo-Hubert und fragte sich, warum er das gesagt hatte.“
Trotzdem bleibt das Buch ein Krimi. Zuletzt wartet es mit einer rasant geschnittenen Verfolgungsjagd durch Taldorf auf. Der Täter könnte entkommen, reißt aber vor einem Lkw im letzten Moment das Steuer herum und wird damit Opfer eines Naturgesetzes: „Kein Mann beschädigt einen Bierlaster.“
Und an dieser Stelle verbindet sich die Krimi-Fiktion mit der Wirklichkeit. Denn laut Mitrenga ist der ganz reale Goschamarie-Mofa-Cup nichts anderes als eine jährlich stattfindende Hommage an die Verfolgungsjagd, die er in seinem Buch beschreibt. Das ist freilich starker Tobak. Aber Stefan Mitrenga darf das. Schließlich ist er beim Mofa-Cup regelmäßig als Moderator dabei.