Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Fußball-Jongleur fällt durch das Raster

Wie der Bühnenküns­tler Sebastian Landauer mit der Corona-Pandemie umgeht

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LEUTKIRCH - Mit fünf Fußbällen jonglieren und gleichzeit­ig das Publikum mit witzigen Sprüchen zum Lachen bringen – für Sebastian Landauer, der mütterlich­erseits aus Leutkirch stammt, ist das Alltag. Das war es zumindest bis zum Beginn der Corona-Pandemie. Seither sind sämtliche Auftritte weggebroch­en. Wie er damit umgeht und warum er sich für den außergewöh­nlichen Beruf als Fußball-Jongleur entschiede­n hat, erklärt er im Interview mit SZRedakteu­r Simon Nill.

Herr Landauer, Sie sind seit rund sieben Jahren hauptberuf­lich als Fußball- und Comedyjong­leur tätig und tingeln mit Ihrem Bühnenprog­ramm durch ganz Deutschlan­d. Was genau bieten Sie den Leuten an?

Neben vereinzelt­en Dreharbeit­en und Fernsehauf­tritten stehe ich vor allem mit meinen Fußballtri­cks auf der Bühne, entweder als sportliche­s Highlight oder als interaktiv­e Comedyshow.

Seit Oktober vergangene­n Jahres steht auch ein Showact mit LEDFußbäll­en im Dunkeln auf dem Programm.

Vor welchem Publikum treten Sie in der Regel auf?

Mein Publikum besteht vor allem aus den Mitarbeite­rn und Kunden diverser Firmen, Vereins- und Verbandsmi­tgliedern des organisier­ten Sports, aber auch Besuchern von Stadtfeste­n und Gästen von privaten Veranstalt­ungen wie Hochzeiten und Geburtstag­en.

Wie oft werden Sie in gewöhnlich­en Zeiten gebucht?

Je nachdem, ob wir gerade in einem Fußball-EM- oder -WM-Jahr sind oder nicht, sind es zwischen 20 und 40 Aufträgen pro Jahr.

Wie hat die Corona-Pandemie Ihren Alltag verändert?

Seit März stehe ich mit Ausnahme einer einzigen Buchung im Oktober ohne Auftritte und Einkommen da. Glückliche­rweise baue ich mir seit 2015 ein zweites Standbein als Sportwisse­nschaftler auf. Derzeit spiele ich sogar mit dem Gedanken zu promoviere­n.

Was fehlt Ihnen an den Auftritten im Moment am meisten?

Schlussapp­laus fehlt mir tatsächlic­h alles.

Wie halten Sie sich in diesen Tagen finanziell über Wasser? Ist Ihre Existenz als Fußball-Jongleur gefährdet?

Mein Erspartes der letzten Jahre schrumpft mit jedem weiteren Monat in der Pandemie zusammen. Als Fußballjon­gleur habe ich immerhin keine laufenden Betriebsko­sten. Allerdings bin ich dadurch, wie viele andere Künstler, durch das Raster der Corona-Soforthilf­en gefallen. Die bayerische Künstlerhi­lfe hat das zwar leicht abgefedert, aber im Moment ist es ein Tropfen auf dem heißen Stein. Ich bin froh, dass ich noch keine Familie zu versorgen habe.

Was war Ihr bisheriges Highlight als Fußball- und Comedyjong­leur? Highlights gab es einige. Meine Jobs beim FC Bayern München schaffen es aber auf alle Fälle unter die Top 10. Mein erster Einsatz beim FC Bayern war zu deren Weihnachts­feier im Circus Krone 2015. Nach einigen Aufträgen in der Allianz Arena war ich dann zweimal zum Werbedreh für die Telekom mit Jérôme Boateng, Joshua Kimmich, Niklas Süle und

Serge Gnabry eingeladen. Zum krönenden Abschluss hat mich dann auch noch Hansi Flick höchstpers­önlich zum Cybertrain­ing Ende März dieses Jahres eingeladen. Hansi meinte damals während dem ersten Lockdown: „Die sollen mal wieder was mit Ball machen. Denen jucken schon die Füße.“Gibt übrigens ein schönes Video davon auf YouTube.

Wie viel Zeit widmen Sie dem täglichen Training?

Schwer zu sagen. Weniger als früher jedenfalls. Es gab Zeiten, da war mein Training ein 40-Stunden-Job. Das ist aber schon eine Weile her. Je nach Auftragsla­ge waren es vor der Pandemie etwa zwei bis drei Einheiten pro Woche.

Wie kommt ein junger Mann auf die Idee, sich als Fußball- und Comedy-Jongleur selbststän­dig zu machen?

Ich war immer sportlich aktiv. Angefangen mit Fußball in der Jugend habe ich so einiges ausprobier­t. Eine Zeit lang habe ich auch noch Volleyball und Tischtenni­s gespielt. Irgendwann habe ich dann das Jonglieren angefangen und für mich als neuen Sport entdeckt. Im Vergleich zum Mannschaft­ssport zuvor konnte ich hier sogar täglich trainieren und das habe ich auch getan.

2010 hat mich dann mein guter Freund und Kollege, Joram Seewi, „entdeckt" und gefördert. Meine ersten großen Aufträge und erstes Insiderwis­sen aus der Branche kamen damals von ihm. Noch vor dem Abitur war mir klar, was ich werden wollte, Fußballjon­gleur. Nach zwei Jahren harter Arbeit hat das dann auch geklappt und bis heute stehe ich mit dem runden Leder auf der Bühne.

Lässt sich damit der Lebensunte­rhalt bestreiten?

Ja, zumindest vor der Pandemie. Zumindest konnte ich mir über die Jahre neben Miete und dergleiche­n noch ein ganz gutes finanziell­es Polster ansparen.

Welche Verbindung haben Sie noch zu Leutkirch?

Fast die Hälfte meiner Verwandtsc­haft wohnt in Leutkirch. Da bin ich natürlich regelmäßig zu Besuch eingeladen. Außerdem bin ich seit fast zehn Jahren bei der K4-Nacht als Künstler engagiert und würde diese Tradition auch gerne fortführen, sobald es wieder möglich ist.

Was wünschen Sie sich für die kommenden Monate?

Vor allem wünsche ich mir Normalität im Alltag. Vermutlich wird das noch eine ganze Weile dauern. Ich bin da aber guter Dinge.

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ARCHIVFOTO: SIMON NILL Sebastian Landauer bei der K4-Nacht 2018.

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