Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Hoffen auf die Tribünen-Eintracht
Der VfB verliert gegen Leipzig, aber im Machtkampf der Bosse gehen Hitzlsperger und Vogt aufeinander zu
STUTTGART (dpa/SID) - Diesmal verhielten sich Thomas Hitzlsperger und Claus Vogt ganz friedlich. Mitten in der schweren Führungskrise des VfB Stuttgart verfolgten der Vorstandschef und der Präsident sogar nebeneinander die 0:1-Niederlage gegen RB Leipzig. Viel zu sagen hatten sich die zerstrittenen Protagonisten eines beispiellosen Machtkampfs auf der Tribüne zwar nicht. Doch anstatt erneut in aller Öffentlichkeit verbal übereinander herzufallen, waren sie immerhin vor dem Spiel einen Schritt aufeinander zugegangen.
Von einem „Gespräch unter Männern“schrieb Vogt auf Twitter, und dass man nun nach „einem gemeinsamen Weg im Sinne des Clubs“suche. Auch Hitzlsperger berichtete über seinen Twitter-Kanal von dem persönlichen Austausch. „Waren nicht die besten Tage, die hinter uns liegen“, schrieb der Ex-Nationalspieler. Aber das Gespräch mit Vogt stimme ihn „zuversichtlich, dass wir die anstehenden Aufgaben im Sinne des VfB lösen“. Woher gerade bei ihm der überraschende Sinneswandel rührte, blieb zunächst unklar.
Trotz dieser ersten Annäherung bleiben viele Fragezeichen. Mit der Ankündigung seiner Kandidatur für das Präsidentenamt und einer gnadenlosen Abrechnung mit Vogt hatte Hitzlsperger den Konflikt am Mittwoch in die Öffentlichkeit getragen. Sein Ziel: Bei der nächsten Mitgliederversammlung im März zum Präsidenten gewählt zu werden und dadurch den aus seiner Sicht inkompetenten Vogt aus dem Club zu drängen. Ob der 38-Jährige nach dem Gespräch mit Vogt nun doch auf seine Kandidatur verzichtet, blieb zunächst ebenfalls unklar.
Dass der VfB nach der Niederlage gegen Leipzig in dieser Saison weiter ohne Heimsieg in der Bundesliga ist, rückt angesichts der Dimension des Konflikts ein wenig in den Hintergrund. Dani Olmo (67. Minute) bescherte den überlegenen Gästen den verdienten Erfolg. Stuttgart dagegen rutschte in die untere Tabellenhälfte ab. „Wir haben eine gute erste Halbzeit gespielt, da war es fast ein Spiel auf Augenhöhe, in der zweiten mussten wir ein bisschen leiden. Da hatten wir vor allem in der Anfangsphase
ein paar Fehler“, analysierte Pellegrino Matarazzo das Sportliche: „Am Ende hat man unsere ComebackQualität gesehen, wir haben viel Leidenschaft gezeigt und viel investiert. Die Niederlage geht nach so einem Spiel in Ordnung. Gegen Leipzig ist es schwierig, ein Tor zu schießen.“In Bezug auf die Unruhen in der Führungsetage setzt der VfB-Trainer weiter auf seine Strategie: „Wir brauchen nicht lange herumreden, wir müssen die Aufmerksamkeit richtig lenken. Unser sportlicher Weg hat nichts mit dem Weg oben zu tun. Es ging nur darum, den Fokus auf das zu richten, was wichtig ist.“
Auch aus Sicht von Sportdirektor Sven Mislintat hatte die Führungskrise aber keinen Einfluss auf den insgesamt harmlosen Auftritt der Schwaben. „Das von der Mannschaft fernzuhalten, das ist gar nicht so schwierig“, sagte der 48-Jährige, der Bestätigung aus Spielerkreisen erhielt. „Es ist nicht unser Bereich, wir lassen uns davon nicht beeinflussen und konzentrieren uns auf den Fußball.
Alles andere wird sich in der Zukunft schon klären“, sagte Kapitän Gonzalo Castro. Und Törhüter Gregor Kobel meinte: „Wir werden abgeschirmt und können uns auf unsere Arbeit konzentrieren. Wir sind auf dem Platz und versuchen, da Gas zu geben.“Dort ist die Energie auch besser aufgehoben als bei öffentlichen Angriffen per Brief. Zum Gespräch zwischen Hitzlsperger und Vogt hat Mislintat daher eine deutliche Meinung: „Die beiden sind smart genug, dass sie verstanden haben, dass man da noch drüber reden muss“, sagte Mislintat . „Für mich liegt das in der Natur der Sache, wenn zwei der wichtigsten Personen in unserem Club in der Öffentlichkeit gesprochen haben, dass man irgendwann in einen geschlossenen Raum zurückkehrt.“
Zudem ist sich der Sportdirektor bei einem Fakt sicher: „Ich glaube, dass das Thema damit nicht erledigt, aber am richtigen Platz ist.“Er hoffe nun, dass sich das Thema „ein bisschen beruhige“.
Doch dürfte den Verein das Thema noch für einige Zeit beschäftigen. Was Hitzlsperger dazu bewog, Vogt zunächst mit einem öffentlichen Brief massiv zu beschädigen, um dann schließlich doch das persönliche Gespräch mit dem 51-Jährigen zu suchen, wird zunächst sein Geheimnis bleiben. In seiner Reaktion auf das Hitzlsperger-Schreiben an Silvester wiederum machte Vogt deutlich, was aus seiner Sicht der Hauptgrund für die heftige Attacke des ExProfis war: „Die Aufklärung des Datenskandals.“
Im Vorfeld der Mitgliederversammlung 2017 sollen persönliche Daten etlicher Mitglieder an Dritte weitergegeben worden sein. Damals trieb der VfB die geplante Ausgliederung seiner Profifußball-Abteilung voran, wofür der Verein jedoch die Zustimmung seiner Mitglieder benötigte. Mit der Weitergabe der Daten sollen diese beeinflusst worden sein, damit sie für die Ausgliederung stimmen – was letztlich gelang. Vogt machte die Aufklärung der Affäre zur Chefsache und beauftragte eine externe Kanzlei damit.
„Man kann zu dem Eindruck kommen, dass es im und um den VfB Menschen/Personen gibt, die diese Aufklärung nicht wollen“, schrieb er. Die ersten Ergebnisse werden dennoch für die nächsten Wochen erwartet. Auch im Machtkampf dürfte viel von ihnen abhängen.