Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Neue Tiefpunkte werfen ihre Schatten voraus

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Das unangenehm­ste – beziehungs­weise auch immer wieder unterhalts­ame für die nicht involviert­e und eher voyeuristi­sche Seite – an den meisten Tiefpunkte­n ist es ja, dass es beinahe immer noch tiefer geht. Anders als zum Beispiel eine Limbo-Stange, kann das Niveau, auf dem viele Menschen agieren, anscheinen­d unbegrenzt nach unten verschoben werden. Vor allem im Sport ist es erstaunlic­h zu beobachten, wenn sich Athleten oder Mannschaft­en aufmachen, scheinbar für alle Ewigkeit aufgestell­te Negativrek­orde zu brechen.

Dass es an dieser Stelle – nein, nicht um den VfB und die Wiederentd­eckte Freude an der Streitkult­ur –, sondern einmal mehr um den FC Schalke 04 geht, dürften nicht nur die härtesten Sportnerds erahnen. Eben jenen stolzen Club aus dem Ruhrpott, den ab sofort nur noch das Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim vom Ewig-Rekord von Tasmania Berlin und ihren 31 sieglosen Spielen in Folge trennt. Allerdings soll nach der 0:3-Niederlage gegen die anderen Krisenkick­er von Hertha BSC der Fokus nicht etwa auf das Geschehen auf dem Rasen gelegt werden – das wäre zwar ebenso frustriere­nd, aber ist ja in dieser Saison eher die Regel. Vielmehr

geht es um die Umstände, die so eine Abwärtsspi­rale, die es zuletzt so 1965/65 gab, mit sich bringt.

Da hätten wir zum Start Neu-Trainer Christian Gross, der bereits nach einem Spiel einen berühmten Satz der Zuversicht von Bundeskanz­lerin Angela Merkel bemühen musste. „Wir schaffen das“, sagte der Trainer der Krisen-Knappen: „Aber wir schaffen das nur gemeinsam.“Was nach üblichen Fußballphr­asen klingt, könnte genau das sein. Dass der Schweizer alleine kein Heilsbring­er ist, dürfte niemanden überrasche­n. Der 66-Jährige bemühte noch die Floskel: „Die Hoffnung stirbt bekanntlic­h zuletzt.“Doch genug der Banalitäte­n. Denn mit dem Schicksal von Gross ist so einiges verknüpft. Abstieg klar, Wirtschaft, Arbeitsplä­tze, Freud und Leid der Fans.

Und nicht zuletzt die berufliche Zukunft von Jochen Schneider. Der Sportvorst­and steht angesichts der misslungen­en Spieler- und Traineraus­wahl (bereits der Vierte in dieser Saison) in die Kritik. Noch schließt er einen Rücktritt aus, sagt aber auch:. „In dem Moment, wo jemand hier sagt: ,Du bist nicht mehr der Richtige’ – alles in Ordnung! Dann schütteln wir uns die Hände und bleiben Freunde. Aber bis dahin werde ich kämpfen.“Von Gross, den Schneider aus gemeinsame­n Zeiten beim VfB Stuttgart kennt, ist der Sportvorst­and überzeugt, sagt aber, dass dessen Schicksal mit seinem eigenen verknüpft sei: „Das ist doch klar, da brauchen wir doch nicht um den heißen Brei herumreden.“

Ähnlich klare Worte fand Mark Uth, der drei Wochen nach seiner

Gehirnersc­hütterung als einziger Schalker überzeugen konnte. Der Angreifer forderte nach dem Abpfiff im Berliner Olympiasta­dion öffentlich Verstärkun­gen. „Die Verantwort­lichen müssen auf dem Transferma­rkt unbedingt tätig werden. Wir brauchen Spieler, die uns sofort helfen“, sagte der Ex-Nationalsp­ieler. In der Verfassung der erbärmlich­en zweiten Halbzeit sei man nämlich „nicht wettbewerb­sfähig“. Eigentlich ein nötiger Weckruf, doch handelte er sich auch direkt Kritik ein – allerdings aus Leverkusen. „Auch wenn er es nicht böse gemeint hat. Aber das macht man eigentlich nicht. Nicht fordern – Leistung abliefern macht mehr Sinn“, sagte Bayers Sportchef Rudi Völler.

Oder eben keine Leistung abliefern und sich den unrühmlich­en Tasmania-Rekord sichern. Dass sich so eine Wahrnehmun­g jedoch auch mit der Zeit umkehren kann, zeigt gerade dieser alte Berliner Verein. Am Sonnabend demonstrie­rten sogar etwa ein Dutzend Tasmania-Fans vor der Partie im Olympiasta­dion, wollten Schalke Mut machen. Denn die Fans wollen den Rekord behalten. Tasmanias 1965er-Kapitän HansGünter „Atze“Becker sagte nun der „Bild“gar: „Grundsätzl­ich hängen wir anderersei­ts inzwischen am Tasmania-Rekord“Der 82-Jährige weiß: „Die Menschen erinnern sich deswegen an uns.“

Erinnerung­en, auf die der FC Schalke dennoch lieber verzichten würde.

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FOTO: TIM REHBEIN/MAGO IMAGES Geht voran und ist doch ganz hinten: Schalkes Mark Uth.
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