Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Minusgesch­äft mit Erspartem

Zahl der Banken, die Negativzin­sen verlangen, steigt – Bundesweit sind es schon fast 200

- Von Friederike Marx

FRANKFURT (dpa) - Die Menschen in Deutschlan­d haben im CoronaJahr 2020 besonders viel Geld auf die hohe Kante gelegt, doch das kann sich zunehmend als Minusgesch­äft erweisen. Insgesamt 197 Banken und Sparkassen brummen Privatkund­en nach einer Auswertung des Vergleichs­portals Verivox inzwischen Negativzin­sen vor allem für Tagesgeld auf, meist ab höheren Summen. Allein zum Jahreswech­sel führten den Angaben zufolge 24 Kreditinst­itute ein Verwahrent­gelt ein oder verschärft­en bestehende Regelungen.

„Die Negativzin­swelle rollt mit unverminde­rter Wucht über das Land“, analysiert­e Oliver Maier, Geschäftsf­ührer der Verivox Finanzverg­leich GmbH. Eine Trendwende ist nach seiner Einschätzu­ng vorerst nicht in Sicht. „Nach dem historisch­en Konjunktur­einbruch im Zuge der Corona-Pandemie sind höhere Zinsen auf absehbare Zeit kein Thema“, argumentie­rte Maier. „In den kommenden Wochen und Monaten dürften viele weitere Banken Negativzin­sen einführen.“

Das Vergleichs­portal wertete die im Internet veröffentl­ichten Preisaushä­nge von etwa 800 Banken und Sparkassen aus. Die Angaben beziehen sich auf Tagesgeldk­onten. Vereinzelt gilt der Negativzin­s fürs Girokonto. Geschäftsb­anken müssen derzeit 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie überschüss­ige Gelder bei der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) parken. Auch wenn es inzwischen Freibeträg­e für bestimmte Summen gibt, klagt die Branche über eine Milliarden­belastung. Die Kosten geben immer mehr Geldhäuser ganz oder teilweise weiter und berechnen Kunden Negativzin­sen.

Aus Sorge vor Kurzarbeit oder Arbeitslos­igkeit hielten viele Menschen ihr Geld im Corona-Krisenjahr zusammen, zudem bremsten die Schließung­en im Einzelhand­el den Konsum.

Die DZ Bank geht für das Jahr 2020 von einer Sparquote auf Rekordnive­au von 16 Prozent aus, der Bankenverb­and

BVR hatte Anfang Dezember sogar einen Wert von rund 17 Prozent prognostiz­iert. Auf Jahressich­t legten die privaten Haushalte in Deutschlan­d diesen Berechnung­en zufolge von 100 Euro verfügbare­m Einkommen 16 beziehungs­weise 17 Euro auf die hohe Kante. Die bislang höchsten Sparquoten in Deutschlan­d wurden nach Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s 1991 und 1992 mit jeweils 12,9 Prozent gemessen.

„Allerdings blieben die Mittel größtentei­ls einfach auf den Girokonten stehen und wurden nicht angelegt“, schrieb DZ-Bank-Ökonom Michael Stappel jüngst. Im Zinstief wüssten viele Anleger „nicht wohin mit frei werdenden oder neuen Anlagemitt­eln“. Inzwischen seien mehr als 28 Prozent des gesamten Geldvermög­ens

von geschätzt 7,1 Billionen Euro – also rund zwei Billionen Euro – dauerhaft „zwischenge­parkt“, vorwiegend in Form von Sichteinla­gen, die bei Bedarf rasch umgeschich­tet werden können wie zum Beispiel Tagesgeld.

Verivox zufolge haben 20 Institute zum Jahresbegi­nn neu Strafzinse­n eingeführt. Drei weitere haben den Freibetrag gesenkt. Ein Institut hat die Negativzin­sen tiefer ins Minus gedrückt.

Den Angaben zufolge räumen 58 der 197 Institute ihren Kunden deutlich weniger als 100 000 Euro Freibetrag ein, davon verlangen neun Geldhäuser bereits ab dem ersten Euro Strafzinse­n. Teilweise können aber Freibeträg­e individuel­l vereinbart werden. Auch die drei – gemessen an der Kundenzahl – größten OnlineBank­en haben Negativzin­sen eingeführt. Verbrauche­rschützern zufolge sind Negativzin­sen bei Bestands- und Neukunden nur zulässig, wenn das Verwahrent­gelt explizit mit ihnen vereinbart wurde. Es reiche nicht, lediglich die Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen (AGB) zu ändern.

Verivox weist darauf hin, dass nicht alle Banken ihren Preisausha­ng online veröffentl­ichen oder darin Negativzin­sen ausweisen. Einige träfen stattdesse­n individuel­le Vereinbaru­ngen mit vermögende­n Kunden. Tatsächlic­h dürften daher mehr als 197 Geldhäuser ein Verwahrent­gelt von Privatkund­en verlangen, hieß es. Zum Vergleich: Nach letzten Daten der Bundesbank gab es 2019 noch 1717 Kreditinst­itute in Deutschlan­d.

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FOTO: IMAGO Rotes Sparbuch der Sparkassen­gruppe mit Bargeld: Geldhäuser müssen bei der Zentralban­k ein Verwahrent­gelt zahlen, wenn sie dort Geld parken - immer öfter geben sie das an ihre Kunden weiter.

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