Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Dann eben die Testpflich­t

- Von Daniel Hadrys d.hadrys@schwaebisc­he.de

So verspielt man Vertrauen. Markus Söder will über eine Corona-Impfpflich­t für Pflegekräf­te diskutiere­n. Nur die Hälfte von ihnen will sich aus Angst vor Nebenwirku­ngen impfen lassen, führt Bayerns Ministerpr­äsident an. Das ist in der Tat wenig.

Doch Söder vernachläs­sigt eine andere Zahl: Einer Studie der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenscha­ften zufolge denkt aktuell jeder sechste Pfleger über einen Berufsauss­tieg nach. Zu hoch sei die Belastung derzeit. Harte Arbeitsbed­ingungen gibt es zwar nicht erst seit der Corona-Pandemie. Das Virus, das in Altenheime­n wütet und Krankenhau­smitarbeit­er ans Limit bringt, verdunkelt Schattense­iten eines wichtigen Berufs aber weiter. Überarbeit­eten und beunruhigt­en Pflegern jetzt noch mit der Spritze zu drohen, dürfte einige von ihnen endgültig verschreck­en und den Pflegenots­tand gerade jetzt verschärfe­n.

Dabei sollte medizinisc­hes Personal für die Gesundheit der Bevölkerun­g alles in seiner Macht stehende tun. Dazu gehört, sich impfen zu lassen – selbst wenn noch nicht endgültig geklärt ist, wie gut eine Impfung der Pfleger die Betreuten schützt. Wenn aber schon Medizinpro­fis den Eindruck erwecken, bei den Impfstoffe­n handle es sich um unberechen­bares Gift, schadet das dem Ansehen von Impfungen insgesamt. Das könnte andere davon abhalten. Und die Herdenimmu­nität, die für die weitgehend­e Rückkehr in eine Prä-Corona-Normalität nötig ist, in weite Ferne rücken.

Dabei sind die Impfstoffe sicher. Das sagen selbst vorsichtig­e Experten. Und das sollte Pflegekräf­ten kommunizie­rt werden. Denn sie sind, auch darauf weisen Experten hin, über die neuartigen mRNA-Vakzine nicht besser informiert als der Rest der Bevölkerun­g. Wer sich als Pfleger trotz aller Aufklärung partout nicht impfen lassen möchte, sollte sich vor Dienstbegi­nn testen lassen müssen. Das Prozedere ist unangenehm, aber nebenwirku­ngsarm. Was für Besucher zumutbar ist, sollte für Pflegeprof­is eine Selbstvers­tändlichke­it sein. Denn kurzfristi­g kann ein Test Leben retten – und langfristi­g Druck aus den Einrichtun­gen nehmen.

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