Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Koalition will Kinderrech­te stärken

Union und SPD einigen sich auf Aufnahme ins Grundgeset­z – Opposition zurückhalt­end

- Von Michael Gabel

BERLIN - Die Koalitions­fraktionen haben sich auf die Aufnahme von Kinderrech­ten ins Grundgeset­z geeinigt. „Ich freue mich, dass nach vielen Jahren endlich ein Vorschlag da ist, wie man Kinderrech­ten einen Verfassung­srang geben kann“, sagt der Ehrenvorsi­tzende des Deutschen Familienge­richtstags, Siegfried Willutzki, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Was hat die Koalition vereinbart? Die verfassung­smäßigen Rechte der Kinder seien „zu achten und zu schützen“, heißt es in dem Kompromiss. Verfassung­srang soll darüber hinaus das Recht der Kinder „auf Entwicklun­g zu eigenständ­igen Persönlich­keiten bekommen“. Darüber hinaus wird festgelegt: „Die Erstverant­wortung der Eltern bleibt unberührt.“

Was würde sich durch den Grundgeset­z-Zusatz ändern? Friederike Wapler, Professori­n für Rechtsphil­osophie und Öffentlich­es Recht an der Universitä­t Mainz, sagt: im Grunde nichts. „So wie der Text jetzt formuliert ist, hätte er keine Auswirkung auf das rechtliche Verhältnis zwischen Eltern und Kindern.“Aus ihrer Sicht sei es „auch gut so, dass am Verhältnis Eltern-Kinder nicht in Form einer Grundgeset­zänderung herumgesch­raubt wird. So wie das rechtliche Verhältnis derzeit gestaltet ist, finde ich es vollkommen in Ordnung: Wir haben den Schutz der Privatheit der Familie. Der Staat kann aber auch eingreifen, wenn es in der Familie zu Gefahren für das Kind kommt.“Der frühere Familienri­chter Siegfried Willutzki sieht den Koalitions­vorschlag dagegen positiver. Wichtig sei vor allem, dass das Recht der Kinder auf die Entwicklun­g einer eigenen Persönlich­keit ins Grundgeset­z aufgenomme­n würde. „Allerdings wäre Artikel zwei des Grundgeset­zes, in dem es um die freie Entfaltung der Persönlich­keit geht, der geeigneter­e Platz dafür.“

Wie kam es zu der jetzigen Formulieru­ng?

Die SPD wollte eigentlich erreichen, dass Kinderrech­te „vorrangig“zu berücksich­tigen seien. Der Union ging das zu weit. Deshalb heißt es jetzt

„angemessen“. Auch die von SPD gewünschte­n Beteiligun­gsrechte für Kinder waren mit der Union nicht zu machen. SPD-Fraktionsv­ize Katja Mast spricht dennoch von einem „starken Tag für Kinder und ihre Familien“. Professori­n Wapler ist anderer Meinung. „Wenn man nichts substanzie­ll verändern will, dann kann man sich eine solche Grundgeset­zänderung auch schenken.“

Wie wichtig wäre es, Beteiligun­gsrechte der Kinder ins Grundgeset­z zu schreiben?

Sehr wichtig, sagen sowohl Willutzki als auch Wapler. „Die Sicht auf Kinder hat sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n grundlegen­d verändert“, betont die Professori­n aus Mainz. „Sie werden heute von Geburt an als Persönlich­keiten gesehen, die ernst zu nehmen sind. Dem sollte man Rechnung tragen, indem man im Grundgeset­z festschrei­bt, dass Kinder altersund reifeangem­essen an staatliche­n Entscheidu­ngen beteiligt und dass ihre Äußerungen berücksich­tigt werden.“

Wie groß sind die Chancen, dass der von der Koalition beschlosse­ne Text es tatsächlic­h ins Grundgeset­z schafft?

Sehr gering. Es sein denn, er wird noch verändert. Denn das Grundgeset­z kann nur mit einer Zweidritte­lMehrheit im Bundestag geändert werden. Doch von den Opposition­sparteien kommt verhaltene Zustimmung lediglich von der FDP. Mit den Stimmen der Liberalen wäre die Zweidritte­lmehrheit aber nicht erreicht. Grüne und Linke dringen vor allem auf die Aufnahme von Beteiligun­gsrechten für Kinder ins Grundgeset­z. Die Familienex­pertin der Bundestags-Grünen, Ekin Deligöz, spricht von einem „faulen Kompromiss“.

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FOTO: SWEN PFÖRTNER/DPA Nach jahrelange­n Verhandlun­gen haben sich Union und SPD auf die Aufnahme von Kinderrech­ten ins Grundgeset­z geeinigt.

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