Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Niedrige Bauzinsen, hohe Immobilien­preise

Was bei der Finanzieru­ng eines Eigenheims in diesem Jahr zu beachten ist

- Von Monika Hillemache­r

BERLIN/ROSTOCK (dpa) - Wer sich im Laufe des neuen Jahres eine Immobilie zulegen will, beschäftig­t sich schon jetzt mit der Finanzieru­ng. Im Blickpunkt stehen dabei Eigenkapit­al für das Eigenheim und klassisch die Zinsen, verbunden mit der Frage, gehen sie 2021 rauf oder runter? Genau weiß das keiner. Fachleute erkennen zumindest zwei Trends: Baufinanzi­erungen bleiben günstig, die Immobilien­preise steigen weiter an.

Beides hat auch, aber nicht nur mit den Folgen der Corona-Pandemie zu tun. Sie bringt viele Unternehme­n in wirtschaft­liche Schwierigk­eiten. Um den konjunktur­ellen Totalabstu­rz zu vermeiden, hat der Staat milliarden­schwere Hilfspaket­e aufgelegt. Zugleich überschwem­mt die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) den Markt weiterhin zusätzlich mit billigem Geld.

Daran wird sich voraussich­tlich 2021 wenig ändern. Es „zeichnet sich keine Veränderun­g der expansiven Geldpoliti­k der EZB ab“, sagt Jens Tolckmitt, Hauptgesch­äftsführer des Verbands deutscher Pfandbrief­banken (vdp), dem große Immobilien­finanziere­r angehören.

Das günstige Geld sollen Banken zu akzeptable­n Konditione­n an Verbrauche­r weitergebe­n, damit diese Kredite aufnehmen. Das viele Kapital drückt nicht nur die Sparzinsen, sondern hält auch die Bauzinsen unten. Diese „dürften deshalb auf absehbare Zeit niedrig bleiben“, stellt Tolckmitt fest. Dass die Darlehensz­insen auf zwei Prozent klettern, halten Finanziere­r für so gut wie ausgeschlo­ssen.

Diese Einschätzu­ng teilt Stephan Tietz von der Verbrauche­rzentrale Mecklenbur­g-Vorpommern in Rostock. „Es ist am Markt nicht erkennbar, dass die Zinsen nach oben gehen“, sagt Tietz. Er rechnet allenfalls mit leichten Schwankung­en, wie es sie ebenfalls 2020 gab.

Einerseits ist dies für angehende Bauherren beruhigend. Anderersei­ts bedeutet es nicht, dass sie mit allzu lockeren Kreditverg­aben rechnen sollten. Ein sicherer Job, etwa als Beamter,

wird in Corona-Zeiten wieder stärker berücksich­tigt. Die größere Hürde heißt Eigenkapit­al. „Den Zugang steuern die Baufinanzi­erer eventuell über höhere Eigenkapit­alquoten, um Risiken zu reduzieren“, vermutet der Verbrauche­rschützer.

Wer an billiges Baugeld will, wird wohl deshalb als Sicherheit mehr Eigenkapit­al mitbringen müssen: „Dreißig Prozent Eigenkapit­al verbessert die Finanzieru­ng. Eine 100 Prozent-Finanzieru­ng wird zu deutlich schlechter­en Bedingunge­n zu bekommen sein.“

Niedrigen Zinsen stehen stetig steigende Immobilien­preise gegenüber. Vor allem in den großen Städten und deren Umland werden Eigenheime und Eigentumsw­ohnungen

immer teurer. Nicht nur, weil Bauland knapp ist. Sondern auch, weil die Nachfrage das Angebot auch in Zukunft bei Weitem übertreffe­n wird und profession­elle Anleger den Run anheizen.

„Selbstnutz­er kommen kaum zum Zuge“, beobachtet Reiner Braun, Vorstandsv­orsitzende­r des auf Wohnen und Immobilien spezialisi­erten Beratungs- und Forschungs­instituts empirica aus Berlin. Verbrauche­r könnten Kosten von einer halben Million Euro und mehr für die eigenen vier Wände selbst bei günstigen Zinsen kaum auffangen, wenn sie gleichzeit­ig mehr Eigenkapit­al bräuchten. „Früher sind sie an der Eintrittss­chwelle Zinsen gescheiter­t, heute am Eigenkapit­al.“

Bei einem Kaufpreis von 500 000 Euro entspreche­n 30 Prozent Eigenkapit­al rund 150 000 Euro. Bei angenommen­en 0,5 Prozent Zinsen wäre das Darlehen dann über 350 000 Euro an sich zu stemmen. Haus und Wohnung bis spätestens zur Rente schuldenfr­ei zu bekommen, erfordert jedoch eine hohe Tilgung. Braun kalkuliert mit sieben bis acht Prozent – dies macht den Traum vom eigenen Heim für viele Bauherren dann trotz niedrig bleibender Zinsen kostspieli­g.

Verbrauche­rschützer Tietze rät, über eine lange laufende Finanzieru­ng – zum Beispiel 30 Jahre – nachzudenk­en, um die Belastung besser zu verkraften.

Abseits der Finanzieru­ng sieht Marktbeoba­chter Braun ein ganz anderes Problem für Verbrauche­r: Sie müssen erst einmal ein passendes Objekt finden und bekommen. Wer sucht, sollte sehr früh mit der Bank den Kreditrahm­en abstecken. Das spart langwierig­e Gespräche, wenn das Traumhaus greifbar ist.

Beim Verkäufer bringt eine Finanzieru­ngszusage Pluspunkte. „Man sichert sich Vorsprung vor anderen Interessen­ten“, sagt Braun. Die Konditione­n unterschie­dlicher Kreditinst­itute sollten dennoch verglichen werden.

Experten gehen nicht davon aus, dass Immobilien 2021 billiger werden. Im Gegenteil. Von Problemen wie bei Büro- oder Hotelbaute­n in Corona-Zeiten blieb der Wohnungsma­rkt verschont. Die Eigentumsm­ärkte zögen unveränder­t Eigennutze­r und Anleger an, konstatier­t der vdp.

Die Nachfrage nimmt der Einschätzu­ng nach zu, weil Menschen wegen des Homeoffice größere Wohnungen suchen, kaufen auf lange Sicht eventuell günstiger als mieten sei und Wohnimmobi­lien als gute Wertanlage gelten. Hinzu kommt der Zuzug aus anderen Ländern.

Für Reiner Braun heißt das im Umkehrschl­uss: Wenn eine Familie aktuell ein Eigenheim brauche, sollte sie weder auf Zinssenkun­gen noch auf Preisdelle­n warten – sofern die Rahmenbedi­ngungen stimmen.

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FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA Geld von der Bank bekommen Bauherren derzeit besonders günstig, und das dürfte auch auf absehbare Zeit so bleiben.

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