Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Industrie gegen Zwang zum Homeoffice

BDI warnt außerdem vor einer coronabedi­ngten Schließung von Betrieben

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Der Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI) lehnt strengere Vorgaben für mehr Homeoffice oder gar die Schließung von Betrieben ab. Über Möglichkei­ten der Heimarbeit könnten die Betriebspa­rteien am besten entscheide­n, sagt der neue BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Es gebe keine Hinweise darauf, dass in den Industrieb­etrieben Hotspots entstehen. Der BDI warnt auch davor, Betriebe wie im vergangene­n Frühjahr stillzuleg­en. Nach einer vierwöchig­en

Pause würden dann weitere vier

Wochen zum Hochfahren der Produktion gebraucht.

Zugleich er- wartet der BDI mehr Verlässlic­hkeit der Politik im Umgang mit der Pandemie. Spätestens im Februar müssten differenzi­erte und kreative Lösungen für einen mittelfris­tigen Zeitraum an die Stelle pauschaler Schließung­en rücken.

Von einem Stillstand der Wirtschaft will auch die Bundesregi­erung nichts wissen. „Die Bänder laufen“, versichert Arbeitsmin­ister Hubertus Heil. Allerdings seien die Unternehme­n dringend aufgerufen, die Arbeit wo immer es geht ins Homeoffice zu verlagern. Dies könne die Kontakthäu­figkeit weiter senken.

Insgesamt zeigt sich die Industrie trotz der Krise robust und zuversicht­lich. In diesem Jahr rechnet der BDI mit einem Wachstum um 3,5 Prozent. Die Exporte legen sogar um sechs Prozent zu. Mitte 2022 kann demnach das Niveau von vor der

Krise wieder erreicht werden. Ob es doch noch zu einer großen Pleitewell­e kommt, können auch die Volkswirte des Verbands noch nicht abschätzen.

Langfristi­g sieht die Industrie in Deutschlan­d allerdings erhebliche­n Handlungsb­edarf, damit die Unternehme­n wettbewerb­sfähig bleiben. „Corona verschärft die Anforderun­gen an den Strukturwa­ndel“, warnt Russwurm. Der Staat müsse deshalb die öffentlich­en Investitio­nen erhöhen. Der BDI sieht eine Lücke von 20 Milliarden Euro im Jahr bei den staatliche­n Investitio­nen.

Als Hemmnis sieht die Industrie auch die vergleichs­weise hohen Steuersätz­e in Deutschlan­d. Während die Belastung der Unternehme­n im europäisch­en Durchschni­tt bei 22 Prozent des Gewinns liegt, müssen die hiesigen Firmen 31 Prozent an den Staat abführen. Der Verband fordert daher eine Absenkung der Körperscha­ftsteuer sowie eine Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s für die Wirtschaft. Auch würde die Industrie gerne Verluste aus dem vergangene­n und diesem Jahr mit früheren Gewinnen verrechnen. Das brächte eine weitere Steuerersp­arnis.

Internatio­nal keimt in der Exportwirt­schaft die Hoffnung auf bessere Zeiten. Hoffnungsf­roh registrier­t der BDI das Ergebnis der US-Wahl. „Die Wahl von Joe Biden erleichter­t den Weg für multilater­ale Lösungen und gemeinsame Initiative­n für faire Wettbewerb­sbedingung­en auf den Weltmärkte­n“, schätzt Russwurm. Der BDI verteidigt auch das jüngste Abkommen der EU mit China. Es sei erstmals gelungen, humane Arbeitsbed­ingungen überhaupt zur Sprache zu bringen. In China erwartet die Industrie große Marktchanc­en. Das Land sorge allein für ein Drittel des Wachstums in diesem Jahr.

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Siegfried Russwurm

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