Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bevölkerun­gszahl stagniert erstmals seit Jahren

Experten sehen den Grund vor allem im Rückgang der Zuwanderun­g

- Von Jenny Tobien

WIESBADEN (dpa) - Die Bevölkerun­gszahl in Deutschlan­d ist nach Schätzunge­n des Statistisc­hen Bundesamts erstmals seit 2011 nicht gestiegen. Ende 2020 lebten hierzuland­e weiterhin um die 83,2 Millionen Menschen. Aufgrund einer geringeren Zuwanderun­g und einer gestiegene­n Sterbefall­zahl bei voraussich­tlich etwas weniger Geburten als im Vorjahr sei die Bevölkerun­gszahl damit konstant geblieben, teilt die Behörde am Dienstag in Wiesbaden mit.

„Der entscheide­nde Grund liegt im Rückgang bei der Zuwanderun­g“, erklärt Martin Bujard vom Bundesinst­itut für Bevölkerun­gsforschun­g. Wegen der Corona-Pandemie und der damit einhergehe­nden Reiseeinsc­hränkungen seien weniger Geflüchtet­e, aber auch weniger Arbeitskrä­fte aus Ost- und Südosteuro­pa gekommen. Nach Angaben des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e (Bamf) ging 2020 beispielsw­eise auch die Zahl der Asylanträg­e im Vergleich zum Vorjahr um 28 Prozent zurück.

Insgesamt kommen aber weiterhin mehr Menschen nach Deutschlan­d als wegziehen. Der Wanderungs­saldo für 2020 wird auf ein Plus von 180 000 und 240 000 geschätzt, ein Jahr zuvor waren es 327 060. Im Jahr 2015, zum Höhepunkt der Flüchtling­skrise, war mit rund 1,1 Millionen der Rekordwert erreicht worden.

Und was ergibt sich aus den Daten zu Neugeboren­en oder Todesfälle­n? „Die Zahl der Geburten dürfte 2020 gegenüber dem Vorjahr leicht abgenommen haben und die Zahl der Sterbefäll­e spürbar gestiegen sein“, heißt es beim Statistisc­hen Bundesamt.

Ein Grund für die höheren Todeszahle­n, besonders gegen Ende des Jahres, sei offenbar auch die Corona-Pandemie, sagt eine Sprecherin der Behörde.

Die Zahl der Neugeboren­en für 2020 liegt den Angaben zufolge bei etwa 755 000 bis 775 000. Dagegen wird die Zahl der Gestorbene­n auf mindestens 980 000 geschätzt. Daraus ergibt sich ein Geburtende­fizit von mindestens 205 000. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor wurden rund 778 090 Babys geboren und rund 939 520 Menschen starben. Das Geburtende­fizit lag bei 161 430.

„Bei den Geburten zeichnet sich ein minimaler Rückgang ab, unter anderem weil die Zahl der Frauen im gebärfähig­en Alter zurückgeht“, sagt Experte Bujard. Sollte es Auswirkung­en von Corona auf die Geburtenza­hlen geben, würde sich das erst ab Anfang dieses Jahres bemerkbar machen.

Für die höheren Todeszahle­n sieht Bujard neben Corona noch einen Grund: So würden die geburtenst­arken Jahrgänge Ende der 1930erJahr­e nun zunehmend in ein Alter kommen, in dem viele sterben.

In Deutschlan­d war die Bevölkerun­g seit drei Jahrzehnte­n überwiegen­d gewachsen, mit Ausnahme der Jahre 1998 sowie 2003 bis 2010. Der Grund dafür liegt in der Einwanderu­ng. Ohne sie würden die Zahlen seit 1972 zurückgehe­n, da seither jedes Jahr mehr Menschen sterben als geboren werden. „Die Bevölkerun­g würde seit fast 50 Jahren schrumpfen, wenn es nicht die Zuwanderun­g gäbe“, betont Bujard.

Das Bundesamt berücksich­tigt für seine Berechnung­en alle gemeldeten Einwohneri­nnen und Einwohner Deutschlan­ds unabhängig von der Staatsange­hörigkeit.

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FOTO: MACIEJ KULCZYNSKI/DPA

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