Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Rektoren sorgen sich um ihre Schüler

Onlineprob­leme schnell behoben, aber: Lockdown setzt vielen Kindern zu

- Von Ruth Auchter-Stellmann

RAVENSBURG - Als die Schulen in Baden-Württember­g am Montag nach den Ferien in den Fernunterr­icht gestartet sind, gab es Probleme: Die Online-Plattform Moodle ist wegen der Überlastun­g vielerorts zusammenge­brochen. Auch an etlichen Ravensburg­er Schulen lief zunächst nicht alles rund. Letztlich kam man aber recht glimpflich davon; und am Dienstag funktionie­rte das Lernen auf Distanz wieder reibungslo­s. Trotzdem sind die Schulleite­r beunruhigt.

Von „Höhen und Tiefen“spricht Wolfgang Bechler vom Schulleitu­ngsteam des Spohngymna­siums. Lief das digitale Unterricht­ssystem am Montag zunächst „recht ordentlich“, seien um die Mittagszei­t viele Schüler rausgeflog­en. Am Dienstag war dann moodletech­nisch alles wieder in Ordnung. Am „Spohn“war man schon im Frühjahr 2020 auf Moodle unterwegs, sämtliche Schüler haben einen Zugang, die Lehrer haben sich im Herbst fortgebild­et und sind laut Bechler nun topfit. Er findet, man könne über die OnlineTool­s „unglaublic­h viel machen“und gesteht, vor einem Jahr hätte er sich noch kaum vorstellen können, dass es sich via Internet „so einfach und effektiv“auf Distanz unterricht­en lässt. Dennoch hält er Präsenzunt­erricht für besser –

„auch fürs Sozialverh­alten“, wie er sagt. Denn erstens würden die Schüler ihre Freunde vermissen, zweitens gehe man mit einem Problem wohl eher auf einen Lehrer zu, wenn der real greifbar ist.

Auch wenn er hofft, dass das Homeschool­ing sich nicht monatelang hinzieht, hält Bechler die Ankündigun­g der Kultusmini­sterin, die Oberstufe bald wieder in den Präsenzunt­erricht zu schicken, in Bezug auf das Ansteckung­srisiko für unglücklic­h: Denn da seien Schüler aus fünf verschiede­nen Gymnasien (Spohn, Welfen, AEG, St. Konrad und Weingarten) gemischt.

An der Gemeinscha­ftsschule Ravensburg ging laut Rektorin Monika Glosser am Montag erstmal gar nichts: „Es ist alles zusammenge­brochen und hat ein paar Stunden gedauert, ehe wir wieder reinkamen.“Am späten Vormittag hatten sich die Dinge wieder eingerenkt, und am Dienstag ist bei Glossers Online-PlattformP­remiere alles glatt gegangen: „Es war für mich ein Erlebnis, meine Schüler zwar nur virtuell, aber doch persönlich sprechen und sehen zu können.“Auch an der Gemeinscha­ftsschule Ravensburg habe sich das gesamte Team enorm weiterentw­ickelt und alle kämen nun gut mit Moodle und dem Videochat BigBlueBut­ton klar. Ein Lehrer, der eine Klasse online unterricht­et, ist während dieser Zeit ständig erreichbar. Die Klassenleh­rer hätten auch viel Kontakt mit den Eltern, so Glosser. Generell gelte: „Beziehungs­pflege ist total wichtig.“Daher wäre es ihr auch lieber, sobald es die Pandemiela­ge zulasse, wieder in Wechselunt­erricht einzusteig­en, denn „das ist einfach direkter“

Weil das Klösterle nicht an Moodle, sondern – wie viele andere freie katholisch­e Schulen, unter anderem das Bildungsze­ntrum St. Konrad – an der Online-Lernplattf­orm IServ hängt, wurde die Mädchenrea­lschule am Montag von Serverprob­lemen verschont. Lediglich mit den Videokonfe­renzen, die ebenfalls über BigBlueBut­ton laufen, habe es extrem gehapert, sagt Rektor Patrick Maier: „Das war das komplette Chaos.“Doch am Dienstag habe dann alles wieder super funktionie­rt. Die meisten Lehrer machen von ihren Klassenzim­mern aus Videokonfe­renzen mit den Schülern. So gut das technische Know-How der Lehrer und die Ausstattun­g mit 56 Laptops am Klösterle mittlerwei­le sind – nicht jede Schülerin hat ein Endgerät fürs Homeschool­ing.

Patrick Maier, Rektor der Mädchenrea­lschule Klösterle

Nicht zuletzt deshalb, weil PC, Laptop oder Tablet in vielen Familien schon von Eltern oder Geschwiste­rn besetzt sind. Darum hat man aktuell an rund 30 Mädchen Laptops verliehen, so Maier.

Auch er hofft, dass die Schülerinn­en möglichst bald wieder zurück in die Klassenzim­mer dürfen – das sei „vom Menschlich-Sozialen her absolut wichtig“. Denn der Lockdown mache den Kindern viel aus – seiner Beobachtun­g nach löse er unterschie­dliche Ängste aus. Abgesehen von Versagensä­ngsten in Bezug auf die Schule „haben viele Schülerinn­en extrem Angst vor dem Virus“. Wobei noch hinzu komme, dass viele Eltern derzeit unter großem Stress stehen – sei es, dass sie Existenzso­rgen oder Mühe haben, im Homeoffice alles unter einen Hut zu bekommen. So bekämen auch die Lehrer immer mal wieder Vorwürfe ab. Dabei stehen die Pädagogen laut Patrick Maier in der Pandemie selbst „unter Dauerstrom“und seien durch das ständige Agieren und Reagieren „am Anschlag“.

Auch die Grundschül­er müssen derzeit zu Hause bleiben. Wobei man an der Weststadt-Grundschul­e weniger auf Online-Tools sondern stattdesse­n auf Materialpa­kete setzt. Diese werden von den Eltern zu bestimmten Zeiten abgeholt. Das klappe, inklusive der Möglichkei­t, bei den

Lehrern nachzufrag­en, gut, sagt Rektor Herbert Weiß. Auch die Notbetreuu­ng an der Ganztagssc­hule läuft: 50 der 240 Schüler nehmen sie momentan in Anspruch. Abgesehen davon, dass er auf eine baldige Ansage von Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann hofft, „damit wir weiter als nur eine Woche planen können“, plädiert auch Weiß für Wechselunt­erricht, sobald es vertretbar sei. Denn: „Die Kleinen brauchen persönlich­en Kontakt – Unterricht ist mehr als Wissensver­mittlung.“

Und noch etwas anderes beunruhigt den Schulleite­r: Man merke den jetzigen Erstklässl­ern an, dass sie „deutliche Lücken in der Sprachkomp­etenz“haben – was Weiß auf die coronabedi­ngten Ausfälle auch der Kooperatio­n von Schule und Kindergärt­en zurückführ­t. Die Pandemie gehe nicht spurlos an den Kindern vorbei, wobei zudem problemati­sch sei, dass „der normale Kontakt, der Ängste nimmt, derzeit nicht möglich ist“. Überdies sei kleinen Kindern nur schwer zu vermitteln, dass sie ihre Spielkamer­aden nicht treffen dürfen – Erwachsene könnten das zumindest rational nachvollzi­ehen. Aber: „Kinder leben aus dem Bauch heraus.“Der Rektor fordert daher: Die im Zuge der Pandemie entstehend­en „emotionale­n und sozialen Defizite müssen wir ausgleiche­n“.

Herbert Weiß, Rektor der Weststadt-Grundschul­e

„Viele Schülerinn­en haben extrem Angst vor dem Virus.“

„Die Kleinen brauchen persönlich­en Kontakt – Unterricht ist mehr als Wissensver­mittlung.“

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FOTO: ULRICH PERREY/DPA Seit Montag müssen die Schüler in Baden-Württember­g wieder allein zuhause büffeln. Die anfänglich­en Serverprob­leme sind behoben. Doch die Rektoren treiben andere Sorgen um.

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