Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Eindringling steht plötzlich im Wohnzimmer
Uwe Strobel verjagt mutmaßlichen Einbrecher – Unheimliche Begegnung an Silvester
WEINGARTEN - Nichts ahnend sitzt Uwe Strobel am späten Sonntagabend auf der Couch in seiner Wohnung in der Weingartener Oberstadt, als plötzlich ein Lichtkegel in sein Wohnzimmer strahlt. Im ersten Moment kann der 62-Jährige das nicht ganz zuordnen. Doch schnell realisiert er: Das Licht stammt von einer Taschenlampe, die ein Mann in der Hand hält und gerade dabei ist, in sein Wohnzimmer zu blicken. Dabei steht der mutmaßliche Einbrecher nicht auf der Straße, im Garten oder auf der Terrasse. Schlimmer: Der Mann befindet sich bereits in der Wohnung und schaut vom dunklen Flur aus ins Wohnzimmer zu Uwe Strobel: „Ich hatte ein leises Knacken gehört, dachte aber, dass es vom Kamin kommt. Und auf einmal sehe ich den Lichtschein von einer Taschenlampe und da schaut er um die Ecke.“
Dann geht alles blitzschnell. Der Eindringling macht direkt kehrt und verschwindet aus der Wohnung. Während andere Betroffene vor Angst geschrien oder in Schockstarre verharrt hätten, macht sich Strobel an die Verfolgung. Als er aus seinem Hauseingang heraustritt rennt der Flüchtige aber bereits die Straße herunter. „Er hatte schon einen großen Vorsprung und ich nur meine Hausschuhe an“, erinnert sich Strobel.
Also lässt er von der Verfolgung ab und alarmiert die Polizei. Diese kommt auch direkt mit einer Streife und leitet die Fahndung ein. Allerdings ohne Erfolg. Der Eindringling ist nicht zu finden. Also nimmt die Polizei die Anzeige wegen Hausfriedensbruch auf. Denn da weder etwas gestohlen wurde, noch Einbruchsspuren zu finden sind, handelt es sich rechtlich nicht um einen Einbruch. Wie der vermeintliche Einbrecher in die ebenerdige Wohnung des Zwei-Parteien-Hauses mit separaten Eingängen gelangt ist, ist unklar. Da es jedoch nirgends Einbruchsspuren gibt, könnte er durch die Eingangstüre gekommen sein. Diese hatte Strobel nicht abgeschlossen. Allerdings ist er sich sicher, dass die Tür ins Schloss gefallen war, als er kurz zuvor noch etwas aus dem Auto geholt hatte.
„Ich glaube, das war geplant“, mutmaßt er. So hatte Strobel in der Silversternacht einen Mann auf der anderen Straßenseite stehen sehen, der auffallend häufig in die Richtung des Hauses von Strobel schaute, sonst aber nichts machte. Also ging der 62-Jährige nach draußen und stellte den Mann zur Rede, auch wenn nichts dabei herauskam. „Wenn ich das in Verbindung bringe, waren das die gleichen Klamotten, der gleiche Habitus“, meint Strobel. „Der sah verdammt ähnlich aus.“
Allerdings ging in der Nacht des Hausfriedensbruchs alles so schnell – auch war die gesamte Wohnung mit Ausnahme des Wohnzimmers nicht beleuchtet – dass der 62-Jährige das Gesicht des Eindringlings nicht erkennen konnte. Die Gestalt selbst konnte er aber recht gut beschreiben. So ist der mutmaßliche Täter schlank, etwa 1,70 bis 1,75 Meter groß und zwischen 20 und 30 Jahre alt.
Dank der präzisen Beschreibung des Eindringlings sowie des Tatgeschehens sieht Polizeirevierleiter Nicolas Riether auch eine gewisse Chance, den Täter zu überführen. Schließlich gibt es bei der Polizei auf Einbrüche spezialisierte Einheiten. Bei größeren Fällen macht das die Kriminalpolizei in Friedrichshafen, bei kleineren die Reviere selbst. „Manche Leute kommen der Polizei immer wieder vor die Linse. Man kennt die Einbrecher am Ort. Das sind glücklicherweise nicht so viele“, sagt er.
Wenn dann ein Einbruch stattgefunden hat, hat der meist gravierende Folgen. Dabei fallen weniger der materielle Verlust, sondern vielmehr die seelischen Schäden ins Gewicht. „Manche Leute sind dann auch traumatisiert. Das ist ein unangenehmes Gefühl, wenn jemand in ihrem privaten, geschützten Bereich war“, erklärt Riether.
Glücklicherweise trifft das nur bedingt auf Strobel zu. „Das verschafft einem schon ein Unsicherheitsgefühl. Das ärgert mich“, sagt der 62-Jährige, der aber vor allem eins ist: sauer. „Erstmal kriegt man eine Granatenwut. Ich ärgere mich, dass ich ihn nicht erwischt habe.“
Das sieht Riether etwas anders. Man solle in solchen oder ähnlichen Fällen lieber vorsichtig sein und den Einbrecher durch lautes Schreien verjagen. „Auf jeden Fall keine eigenen Schritte einleiten. Das kann zu schwersten Verletzungen führen“, sagt der Revierleiter. Auch wenn der Eindringling keine Waffen dabei habe, könne auch ein Schraubenzieher oder ähnliches in einer Extremsituation spontan als ebensolche genutzt werden.
Lieber soll man die Polizei rufen. Dennoch kann ein Geschädigter der Polizei helfen. Je besser man sich Aussehen, Kleidung, Gangart oder sonstige Merkmale einprägen kann, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Polizei den oder die Täter in der Folge überführt.
Das würde sich auch Uwe Strobel wünschen, der sich von dieser unangenehmen Erfahrungen nicht einschüchtern lassen will. „Ich lasse mich nicht ins Bockshorn jagen“, sagt der 62-Jährige, der nun allerdings darüber nachdenkt, nachts doch abzuschließen. „Wenn ich schlafe, kriege ich es nicht mit. Wegen so einem Idioten muss man sich jetzt einschränken.“