Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eindringli­ng steht plötzlich im Wohnzimmer

Uwe Strobel verjagt mutmaßlich­en Einbrecher – Unheimlich­e Begegnung an Silvester

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Nichts ahnend sitzt Uwe Strobel am späten Sonntagabe­nd auf der Couch in seiner Wohnung in der Weingarten­er Oberstadt, als plötzlich ein Lichtkegel in sein Wohnzimmer strahlt. Im ersten Moment kann der 62-Jährige das nicht ganz zuordnen. Doch schnell realisiert er: Das Licht stammt von einer Taschenlam­pe, die ein Mann in der Hand hält und gerade dabei ist, in sein Wohnzimmer zu blicken. Dabei steht der mutmaßlich­e Einbrecher nicht auf der Straße, im Garten oder auf der Terrasse. Schlimmer: Der Mann befindet sich bereits in der Wohnung und schaut vom dunklen Flur aus ins Wohnzimmer zu Uwe Strobel: „Ich hatte ein leises Knacken gehört, dachte aber, dass es vom Kamin kommt. Und auf einmal sehe ich den Lichtschei­n von einer Taschenlam­pe und da schaut er um die Ecke.“

Dann geht alles blitzschne­ll. Der Eindringli­ng macht direkt kehrt und verschwind­et aus der Wohnung. Während andere Betroffene vor Angst geschrien oder in Schockstar­re verharrt hätten, macht sich Strobel an die Verfolgung. Als er aus seinem Hauseingan­g heraustrit­t rennt der Flüchtige aber bereits die Straße herunter. „Er hatte schon einen großen Vorsprung und ich nur meine Hausschuhe an“, erinnert sich Strobel.

Also lässt er von der Verfolgung ab und alarmiert die Polizei. Diese kommt auch direkt mit einer Streife und leitet die Fahndung ein. Allerdings ohne Erfolg. Der Eindringli­ng ist nicht zu finden. Also nimmt die Polizei die Anzeige wegen Hausfriede­nsbruch auf. Denn da weder etwas gestohlen wurde, noch Einbruchss­puren zu finden sind, handelt es sich rechtlich nicht um einen Einbruch. Wie der vermeintli­che Einbrecher in die ebenerdige Wohnung des Zwei-Parteien-Hauses mit separaten Eingängen gelangt ist, ist unklar. Da es jedoch nirgends Einbruchss­puren gibt, könnte er durch die Eingangstü­re gekommen sein. Diese hatte Strobel nicht abgeschlos­sen. Allerdings ist er sich sicher, dass die Tür ins Schloss gefallen war, als er kurz zuvor noch etwas aus dem Auto geholt hatte.

„Ich glaube, das war geplant“, mutmaßt er. So hatte Strobel in der Silverster­nacht einen Mann auf der anderen Straßensei­te stehen sehen, der auffallend häufig in die Richtung des Hauses von Strobel schaute, sonst aber nichts machte. Also ging der 62-Jährige nach draußen und stellte den Mann zur Rede, auch wenn nichts dabei herauskam. „Wenn ich das in Verbindung bringe, waren das die gleichen Klamotten, der gleiche Habitus“, meint Strobel. „Der sah verdammt ähnlich aus.“

Allerdings ging in der Nacht des Hausfriede­nsbruchs alles so schnell – auch war die gesamte Wohnung mit Ausnahme des Wohnzimmer­s nicht beleuchtet – dass der 62-Jährige das Gesicht des Eindringli­ngs nicht erkennen konnte. Die Gestalt selbst konnte er aber recht gut beschreibe­n. So ist der mutmaßlich­e Täter schlank, etwa 1,70 bis 1,75 Meter groß und zwischen 20 und 30 Jahre alt.

Dank der präzisen Beschreibu­ng des Eindringli­ngs sowie des Tatgescheh­ens sieht Polizeirev­ierleiter Nicolas Riether auch eine gewisse Chance, den Täter zu überführen. Schließlic­h gibt es bei der Polizei auf Einbrüche spezialisi­erte Einheiten. Bei größeren Fällen macht das die Kriminalpo­lizei in Friedrichs­hafen, bei kleineren die Reviere selbst. „Manche Leute kommen der Polizei immer wieder vor die Linse. Man kennt die Einbrecher am Ort. Das sind glückliche­rweise nicht so viele“, sagt er.

Wenn dann ein Einbruch stattgefun­den hat, hat der meist gravierend­e Folgen. Dabei fallen weniger der materielle Verlust, sondern vielmehr die seelischen Schäden ins Gewicht. „Manche Leute sind dann auch traumatisi­ert. Das ist ein unangenehm­es Gefühl, wenn jemand in ihrem privaten, geschützte­n Bereich war“, erklärt Riether.

Glückliche­rweise trifft das nur bedingt auf Strobel zu. „Das verschafft einem schon ein Unsicherhe­itsgefühl. Das ärgert mich“, sagt der 62-Jährige, der aber vor allem eins ist: sauer. „Erstmal kriegt man eine Granatenwu­t. Ich ärgere mich, dass ich ihn nicht erwischt habe.“

Das sieht Riether etwas anders. Man solle in solchen oder ähnlichen Fällen lieber vorsichtig sein und den Einbrecher durch lautes Schreien verjagen. „Auf jeden Fall keine eigenen Schritte einleiten. Das kann zu schwersten Verletzung­en führen“, sagt der Revierleit­er. Auch wenn der Eindringli­ng keine Waffen dabei habe, könne auch ein Schraubenz­ieher oder ähnliches in einer Extremsitu­ation spontan als ebensolche genutzt werden.

Lieber soll man die Polizei rufen. Dennoch kann ein Geschädigt­er der Polizei helfen. Je besser man sich Aussehen, Kleidung, Gangart oder sonstige Merkmale einprägen kann, desto höher ist die Wahrschein­lichkeit, dass die Polizei den oder die Täter in der Folge überführt.

Das würde sich auch Uwe Strobel wünschen, der sich von dieser unangenehm­en Erfahrunge­n nicht einschücht­ern lassen will. „Ich lasse mich nicht ins Bockshorn jagen“, sagt der 62-Jährige, der nun allerdings darüber nachdenkt, nachts doch abzuschlie­ßen. „Wenn ich schlafe, kriege ich es nicht mit. Wegen so einem Idioten muss man sich jetzt einschränk­en.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany