Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Und plötzlich war mein Auto weg“
Eine kuriose Kriminalgeschichte rund um einen Fahrzeugdiebstahl in Wilhelmsdorf
WILHELMSDORF/OBERTEURINGEN - Stell dir einmal vor: Dir wird in Wilhelmsdorf dein Auto gestohlen. Tage später bekommst du vom Landratsamt eine Verwarnung wegen zu schnellen Fahrens an einem Blitzgerät in Ravensburg. Auf dem Foto siehst du ganz offensichtlich den mutmaßlichen Dieb. Und der will sich dann wieder Wochen später in Erbach in der Nähe von Ulm einer Polizeikontrolle entziehen. Das gestohlene Auto ist nach dem Fluchtversuch, der an einer Mauer endete, schrottreif und der Innenraum vermüllt. Dann ist dies die Kurzfassung eines oberschwäbischen Kriminalfalls, wie es ihn in dieser Konstellation kaum noch einmal geben dürfte.
Hier die Langfassung, in deren Mittelpunkt die 35 Jahre junge Martina Hoppe aus Oberteuringen steht. Sie ist seit 2015 als Schulsozialarbeiterin an der Grundschule Wilhelmsdorf beschäftigt. Es schien ein ganz normaler Arbeitstag zu werden, mit Kontakten zu den Schülern sowie dem Lehrerkollegium, als sie am Dienstagmorgen, 10. November, mit ihrem schwarzen Polo wie gewohnt auf den Parkplatz der Grundschule gegenüber des Sportgeländes einfuhr. Als sie sich nach Schulschluss gegen 12.30 Uhr auf den Heimweg machen wollte, nahm der Tag einen anderen Verlauf als gedacht. „Da fiel mir auf, dass mein Autoschlüssel fehlt“, erinnert sich Martina Hoppe im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Sie stellte ihr Büro auf den Kopf, suchte im Papierkorb, ob der
Schlüssel aus ihrer Tasche gefallen sein könnte, so ein Gedanke.
Schließlich ging sie zum Parkplatz, in der Hoffnung, dort den Schlüssel zu finden. Der tauchte nicht auf, dafür war ihr Polo verschwunden. „Das kann doch nicht sein“, war ihr erster Gedanke. In ihrer Not wandte sie sich an Hausmeister Wolfgang Diesing. Es begann eine neue Suche, erst nach dem Schlüssel, dann nach Zeugen. Auch der Theorie wurde nachgegangen, dass der mutmaßliche Autodieb Martina Hoppe sah, als sie am Vormittag in die Sporthalle ging und dort kurzzeitig ihre Jacke ablegte. Auch Nachbarn wurden von Diesing
befragt, ob sie etwas beobachtet hatten. Doch auch dies ohne Erfolg.
Schließlich wurde die zuständige Polizei in Altshausen angerufen. Zwei Beamte kamen und nahmen den Sachverhalt auf. Viele Fragen, aber natürlich noch keine Antworten. Das änderte sich aus Sicht der Sozialarbeiterin etwa zwei Wochen später. In der Post lag ein Schreiben von der Bußgeldstelle am Landratsamt Ravensburg. Anbei ein Zeugenfragebogen, weil ihr als Halterin ihres Polos eine Ordnungswidrigkeit zur Last gelegt wurde. Ihr Auto war mit erhöhter Geschwindigkeit in Ravensburg geblitzt worden. Auf dem beiliegenden Blitzerfoto war deutlich eine männliche Person zu erkennen. Es handelte sich zweifelsfrei um den Autodieb, der am Tag des Diebstahls in der Kreisstadt zu schnell unterwegs war. Das war also eine erste Spur. Die Polizei war schon früher aufgrund des Nummernschildes am geblitzten Auto auf den Fall aufmerksam geworden. Vom Landratsamt wurde ein deutlicheres Bild angefordert, um die Fahndung zu unterstützen.
Vier Wochen nach dem Diebstahl, am 11. Dezember, erhielt die 35Jährige einen Anruf vom Polizeiposten in Altshausen: „Frau Hoppe, wir haben ihr Auto gefunden.“Doch die
Freude währte nur kurz, als die Bestohlene Einzelheiten erfuhr. Der mutmaßliche Dieb ihres Polos geriet in eine normale Verkehrskontrolle in Erbach in der Nähe von Ulm. Der Fahrer geriet in Panik und versuchte zu fliehen. Er beschädigte dabei ein Polizeiauto. Schließlich stieß er mit dem Polo gegen eine Mauer und konnte festgenommen werden. Nach Informationen von Martina Hoppe handelt es sich bei dem Mann um kein unbeschriebenes Blatt. Er stammt wohl aus der Gegend von Ulm, hatte aber auch Kontakte nach Wilhelmsdorf. Er hatte schon mehrere, teils langjährige Gefängnisstrafen hinter sich. Zur Tatzeit befand er sich offenbar auf freiem Fuß.
Bei der Besichtigung ihres Autos zusammen mit der Spurensicherung konnte Martina Hoppe kaum glauben, wie ihr Auto aussah. Innen vermüllt, außen demoliert. „Ich war erschüttert, wie vergammelt und kaputt mein Auto war.“Ein Gutachter bestätigte einen wirtschaftlichen Totalschaden am Fahrzeug. Wie die Teilkasko-Versicherung für den Polo reagieren würde, war zunächst unklar. Doch kurz vor Weihnachten die gute Nachricht: „Ich habe telefonisch erfahren, dass ich eine Entschädigung erhalten werde. Das hört sich erst mal sehr gut an“, freut sich die Bestohlene. Ein positives Erlebnis nimmt Martina Hoppe mit ins neue Jahr: „Es war total schön, wie die Kollegen an der Schule und auch die Schüler Anteil an meinem Unglück nahmen. Für die Kinder war das alles wie in einem kleinen Krimi!“