Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Özil ist dankbar für Kellers Mission
DFB-Präsident möchte das zerrüttete Verhältnis kitten – Wechsel rückt näher
LONDON (SID) - Mesut Özil hatte den Schalke-Fans gerade ihre Illusionen von einer Rettermission genommen und von seiner Jugendliebe Fenerbahce geschwärmt, als ihm plötzlich eine vermeintlich unangenehme Frage gestellt wurde. Ob er es inzwischen bereue, für die deutsche Nationalmannschaft gespielt zu haben? Doch statt die Vorlage für eine neue Spitze in Richtung des Deutschen Fußball-Bundes zu nutzen, ging der Rio-Weltmeister auf Kuschelkurs – ganz im Sinne von Fritz Keller.
Der DFB-Präsident hatte Özil wohl im Oktober im zeitlichen Umfeld des Länderspiels gegen die Türkei (3:3) in der Hoffnung auf Wiederannäherung einen Brief geschrieben. Damit nimmt er die Rolle des „neutralen“Vermittlers zwischen dem Verband und Özil ein. Schließlich, so seine Idee, war er bei dessen geräuschvollem Rückzug aus dem DFBTeam im Zuge des historischen WMDesasters 2018 mit der unrühmlichen Erdogan-Affäre noch nicht im Amt. Und Özil sei ein zu verdienter (ehemaliger) Nationalspieler, um die Sache auf sich beruhen zu lassen.
Kellers diplomatische Mission hatte offenbar Erfolg. Özil schwärmte bei Twitter geradezu von seinen „vielen fantastischen Erinnerungen“an die Zeit im deutschen Trikot, vom WM-Triumph 2014 und „einer großen Ära des deutschen Fußballs. Ich würde nie sagen, dass ich es bereut habe, für Deutschland zu spielen.“Keine Rede mehr von den Rassismus-Vorwürfen, die er im Zuge seines Abschieds erhoben hatte. Klar, über das unrühmliche Ende seiner
DFB-Karriere nach 92 Länderspielen sei „viel geredet“worden, bekannte Özil, aber: „Im Leben geht es weiter, und ich bin dankbar, dass ich vor Kurzem einen schönen persönlichen Brief des DFB-Präsidenten Fritz Keller bekommen habe, der all die Themen von damals aufgreift.“
Keller, so ist zu hören, habe mit seinem Schreiben keineswegs Bundestrainer Joachim Löw und Direktor Oliver Bierhoff in die Parade fahren wollen. Deren Versuche, das Verhältnis zu kitten, waren gescheitert. Vielmehr sei es dem Präsidenten darum gegangen, dass der Verband bei Özil über seinen Schatten springe.
Dass Özils frisch geknüpfte zarte Bande in die alte Heimat zu einer sportlichen Rückkehr führen könnten, ist aber ausgeschlossen; und das gilt auch für eine mögliche Rolle als
Schalke-Retter. „Ich will Sead Kolasinac nicht die Show stehlen“, schrieb der 32-Jährige humorvoll mit Bezug auf die Leihe seines Kumpels zu S04. Ein eigenes Comeback bei Königsblau sei trotz aller Sympathie für Schalke „gerade keine Option“. Stattdessen zieht es ihn nach Istanbul.
Seit Tagen sucht die Özil-Seite nach Wegen, den bis Sommer laufenden Vertrag des Mittelfeldspielers beim FC Arsenal zu aller Zufriedenheit zu lösen. Özil befeuert die Hoffnung der begeisterungsfähigen Fener-Fans mit verschiedenen Beiträgen im Netz wie jenem, dass er schon als Kind für die „Wellensittiche“geschwärmt habe. Fener-Präsident Ali Koc zumindest macht Andeutungen, sagt: „Es ist immer noch ein Traum.“Aber „wir können bestätigen, dass wir in dieser Sache ein bisschen weitergekommen sind. Aber es ist noch nichts perfekt.“Sein Club wolle sich grundsätzlich aber in dieser Sache öffentlich zurückhalten, ergänzte der Vereinsboss, um den Wechsel nicht zu gefährden. „Es ist wichtig, dass Mesut die Dinge mit seinem aktuellen Club bespricht“, betonte er.
Özil jedenfalls schwärmt derzeit kräftig: „Es gibt zwei Länder, in denen ich noch Fußball spielen will, bevor ich aufhöre: Die Türkei und USA. Wenn ich in die Türkei gehe, dann nur zu Fenerbahce“, schrieb er. DC United aus Washington ist ebenfalls eine Option, aber erst für Sommer. Am liebsten ginge Özil ohnehin zu Fenerbahce, einem Verein „wie Real Madrid in Spanien. Der größte Club des Landes.“Dabei heißt der türkische Rekordmeister Galatasaray.