Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Was vom großen Großwallstadt übrig blieb
Ohne Klassenerhalt in der 2. Handball-Bundesliga sieht es für den TVG düster aus
KONSTANZ - Schon in der Saison 2019/20 der 2. Handball-Bundesliga gab sich die hinter dem FC Barcelona zweitbeste Vereinsmannschaft der Welt, der VfL Gummersbach, die Ehre. Vor 1600 Zuschauern siegte der Serienmeister des vergangenen Jahrtausends in der Konstanzer Schänzle-Halle. Nun war ein weiterer großer Club der internationalen Handballhistorie zu Gast. Der TV Großwallstadt ist mit sieben deutschen Meisterschaften, vier DHB-Pokalsiegen sowie fünf internationalen Titeln einer der erfolgreichsten Handballvereine Deutschlands. Der Unterschied zum Zweitliga-Spitzenreiter Gummersbach: Die Unterfranken kommen aus Liga drei und sind im Abstiegskampf. Im direkten Duell holte sich der Tabellenvorletzte Konstanz einen wichtigen Sieg.
Der TV Großwallstadt, erster deutscher Meister der eingleisigen Bundesliga 1978 sowie Europapokalsieger der Landesmeister 1979 und 1980, stieg 2013 nach 44 Jahren Bundesligazugehörigkeit ab und stellte im Mai 2015 einen Insolvenzantrag, infolge dessen der Zwangsabstieg in die 3. Liga feststand. Florian Eisenträger ist seit 2011 beim TVG. „Ich habe in dieser Zeit schon alles mitgemacht: Bundesliga gespielt, die Insolvenz miterlebt, den Wiederaufstieg und den Zweitligaabstieg 2018/19 – und jetzt sind wir wieder oben.“Doch auch der 28-Jährige konnte mit seinen fünf Toren die Niederlage in Konstanz nicht verhindern. „Wir hatten das Spiel halbwegs im Griff – aber eben nur halbwegs“, ärgerte sich Trainer Ralf Bader. „Zehn technische Fehler, drei, vier Tempogegenstöße, bei denen immer einer frei rumturnt. Wir spielen in letzter Zeit russisches Roulette gegen uns, das hat auch was mit Cleverness zu tun.“
Der Diplom-Sportwissenschaftler spricht von „hochprofessionellen Strukturen“in Großwallstadt, mit Trainings- und Fitnesszentrum, Wellness und Ärztebetreuung. Von den Sponsoren erfahren die Verantwortlichen wie auch in Konstanz in diesen Zeiten fast ausnahmslos eine positive Resonanz. Bader weiß aber um die extremen Nöte – nicht nur des TVG: „Ein Abstieg 2021 würde ziemlich sicher kein Verein überleben.“Auch Konstanz’ Präsident Otto Eblen sowie dem Finanzchef und Sportmanager Frank Meisch ist bewusst, dass die Saison zu Ende gespielt werden muss. „In einer Telefonkonferenz kurz vor Weihnachten haben sich alle Vereine der 1. und 2. Bundesliga dafür ausgesprochen, weiterzuspielen. Viele befürchten, dass ansonsten die Sponsoren abspringen“, sagt Meisch.
Hilfreich war da die Crowdfunding-Aktion unter dem Motto „Gemeinsam zurück in die SchänzleHölle“, die der HSG von mehr als 400 Unterstützern 62 000 Euro eingebracht hat. Sorgenfalten wiederum bereitet Otto Eblen die nun beginnende WM in Ägypten, an der rund 120 Spieler der ersten beiden deutschen Ligen teilnehmen werden. „Man hat ja schon bei den Länderspielreisen der Fußballer und auch Handballer gesehen, wie viele Corona-Fälle danach bekannt wurden. Ich befürchte, dass da ein großes Problem auf uns zukommen wird“, sagt der 72-Jährige. Probleme gab es in der 2. Liga auch so schon. Am 2. Weihnachtsfeiertag waren die HSGSpieler bereits die 600 Kilometer zum ASV Hamm-Westfalen gereist, als wegen eines Corona-Verdachtsfalls die Partie abgesagt wurde. Der einst so große TV Großwallstadt gewann derweil zwar im alten Jahr noch beim Mitaufsteiger TuS Fürstenfeldbruck (40:31), verlor dann aber noch gegen Lübeck. Bei drei Spielen mehr als der Drittletzte Konstanz hat Großwallstadt nur zwei Punkte Vorsprung vor der Abstiegszone. Ab Anfang Februar soll es in der 2. Liga weitergehen. Nicht nur der TVG muss dann um seine Zukunft bangen. Mal wieder.