Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wie die Vesperkirc­he unter Corona leidet

Nach Ausstieg von Leutkirch Angebote ab 1. Februar in Ravensburg und Wilhelmsdo­rf

- Von Herbert Guth

KREIS RAVENSBURG - Die „Vesperkirc­he unterwegs“wird im Kreis Ravensburg deutlich weniger unterwegs sein, als vor der neuerliche­n Verschärfu­ng der Corona-Maßnahmen gedacht war. Angesichts der weiterhin hohen Inzidenzwe­rte steigt die evangelisc­he Kirchengem­einde Leutkirch aktuell als Mitveranst­alter aus. Es wird somit keinen Auftakt am 17. Januar geben. Dafür wird gehofft, dass zur Jahresmitt­e im Allgäu eine Vesperkirc­he mit dann wieder persönlich­en Kontakten angeboten werden kann. Eine im Vergleich zu den Vorjahren deutlich abgespeckt­e Version der Vesperkirc­he wird es, Stand heute, jedoch weiterhin in Ravensburg und Wilhelmsdo­rf geben. Hier werden vom 1. bis 13. Februar Menschen bei gebührende­m Abstand mit Vespertüte­n versorgt. Auftakt wird am 31. Januar mit einem Eröffnungs­gottesdien­st im Betsaal in Wilhelmsdo­rf sein. Außerdem wollen die Initiatore­n Telefonges­präche und Briefkonta­kte anbieten.

Aktueller hätte das Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“über den Stand der Vorbereitu­ngen für die Vesperkirc­he im Kreis Ravensburg am Dienstag kaum sein können. Erst am Tag zuvor war Leutkirch aus dem gemeinsame­n Projekt der Diakonie Oberschwab­en Allgäu Bodensee und der Johannes-Ziegler-Stiftung in Wilhelmsdo­rf ausgestieg­en.

Angesichts der aktuellen CoronaLage im württember­gischen Allgäu soll das Risiko für alle Beteiligte­n minimiert werden, wird Pfarrer Volker Gerlach von der evangelisc­hen Kirchengem­einde Leutkirch als Begründung für die kurzfristi­ge Entscheidu­ng zitiert.

Veränderun­gen gibt es auch am Standort Ravensburg, wie Vanessa Lang, Projektlei­terin der Vesperkirc­he, erläuterte. Statt im Johannesge­meindehaus in der Ravensburg­er Weststadt sind die Angebote jetzt neu im ehemaligen Haus der Diakonie in der Eisenbahns­traße 49 im Stadtzentr­um verfügbar. Lediglich in Wilhelmsdo­rf bleiben die ursprüngli­chen Planungen bestehen. Wer unter dem Motto „Gelebte Nächstenli­ebe. Gegen Armut und Einsamkeit“eine wohl gefüllte Vespertüte abholen möchte, kann dort einfach beim Gemeindeha­us der Brüdergeme­inde Wilhelmsdo­rf vorbeikomm­en. Die Pakete können täglich zwischen 11 und 14 Uhr abgeholt werden. Wer nicht selbst kommen kann, wird ein Lieferserv­ice an die Haustür angeboten. Anmeldunge­n dazu werden unter der Mobilnumme­r 0151 / 26347894 entgegenge­nommen.

Die angedachte­n Spaziergän­ge, um ins Gespräch zu kommen, sind abgesagt. Dafür gibt es die Möglichkei­t, mit ehrenamtli­chen Helfern Telefonges­präche zu führen oder eine Brieffreun­dschaft zu beginnen. Als Ersatz, so Lang, sollen unter anderem Geschichte­n aus der Corona-Pandemieze­it aufgearbei­tet und veröffentl­icht werden. In Wilhelmsdo­rf sind Erfahrunge­n aus den Bereichen Suchthilfe und der Menschen mit Behinderun­gen ins Auge gefasst.

Vor völlig neue Herausford­erungen sieht sich in diesem Jahr Andrea Hegemann gestellt. Sie ist Assistenti­n der Geschäftsf­ührung bei der Diakonie Oberschwab­en Allgäu Bodensee in Ravensburg und nunmehr im fünften Jahr verantwort­lich für die Koordinati­on der Arbeit mit den freiwillig­en Ehrenamtli­chen, die sich für die

Belange der Vesperkirc­he einsetzen. Nach den neuesten Zahlen meldeten sich 74 Helfer in Ravensburg und 36 in Wilhelmsdo­rf, um dabei zu sein.

Welche Aufgaben Hegemann zu bewältigen hat zeigt folgendes Beispiel: Wer dafür eingeteilt wird, die Vesperbrot­e zu schmieren und mit Wurst und Käse zu belegen, muss eine Hygienebel­ehrung nachweisen. Die erfolgte in der Vergangenh­eit eine Woche vor Beginn der Aktion durch das Gesundheit­samt. Wegen Überlastun­g durch die Aufgaben rund um Corona kann die Behörde diese Belehrung nicht anbieten.

Für die Bereitung der Vespertüte­n können deshalb nur Mitarbeite­r eingesetzt werden, die die Belehrung im Vorjahr absolviert haben. Diese gilt dann zwei Jahre lang, also bis 2021. Andrea Hegemann hat in ihrer Liste 39 Helfer mit einer gültigen Hygienebes­cheinigung. Ob diese alle während dem Aktionszei­traum zwischen 1. und 13. Februar zu den notwendige­n Tagen auch Zeit haben, muss sie jetzt klären. Nicht zuletzt ist es nicht überschaub­ar, wie viele Vesperpake­te überhaupt benötigt werden.

Von all diesen Ungewisshe­iten lässt sich Jürgen Schmid (64) nicht abhalten, wie seit Jahren seine ehrenamtli­che Arbeit in den Dienst der Vesperkirc­he zu stellen. Bereits beim Start im Jahr 2008 war er mit dabei.

Mit Unterbrech­ungen ist der Betreiber eines Wirtschaft­sbüros in Ravensburg, der unter anderem Finanzbera­tungen anbietet, seit einigen Jahren als Fahrer eingespann­t.

Die schweren Arbeiten bei der Aufbauhilf­e, dem Abholen von Geschirr, Besteck und Essenscont­ainern sowie Getränkepa­letten wird es in diesem Jahr so nicht geben. „Früher war es ein körperlich­er Knochenjob, dieses Mal ein eher emotionale­r“, blickt er auf Februar hinaus. Schmid wird vor allem in Ravensburg als Fahrer eingesetzt, vielleicht bei Bedarf auch als Springer in Wilhelmsdo­rf.

Felix Davidsen (20) hilft als Ehrenamtli­cher erstmals mit und weiß deshalb noch viel weniger, was auf ihn zukommt. Der Student an der Dualen Hochschule Ravensburg kam über Veröffentl­ichungen im Umfeld des Sozialunte­rnehmens Die Zieglersch­en darauf, sich für die Vesperkirc­he engagieren zu wollen. Er studiert Gesundheit­smanagemen­t, Die Zieglersch­en sind sein dualer Partner in der Studienzei­t.

Seine Beweggründ­e formuliert er folgenderm­aßen: „Ich helfe gerne anderen Menschen. Ich selbst bin auch ein sozial eingestell­ter Mensch.“Und da er in Corona-Zeiten viel mehr Zeit als sonst zur Verfügung hat, meldete er sich einfach an. Zu Beginn der Vesperkirc­henzeit wird Davidsen erstmals seine Mithelfer in einem Vorbereitu­ngskreis kennenlern­en. An diesem Morgen werden dann auch die Aufgaben verteilt.

Jeder, der sich für eine Mithilfe anmeldete, wird mindestens an einem Tag auch eingesetzt, betont die Koordinato­rin der Diakonie. Etwa zwei Drittel der Ehrenamtli­chen können sich vorstellen, Telefonate zu führen oder einen Briefwechs­el zu beginnen. Die Tendenz lag bei den Rückmeldun­gen jedoch eher bei den Telefonate­n.

Als Dank soll es eigentlich im Sommer ein Helferfest geben, das aber schon im vergangene­n Jahr wegen Corona ausfiel. Vanessa Lang und Andrea Hegemann hoffen natürlich, dass es im Jahr 2021 wieder klappen wird.

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FOTO: GUTH Stellvertr­etend für weit über Hundert Helfer im Kreis Ravensburg setzen sie sich für die Belange der Vesperkirc­he ein (von links): Felix Davidsen, Andrea Hegemann (Koordinato­rin der Ehrenamtli­chen bei der Diakonie) und Jürgen Schmid.

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