Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Zukunft des Theaters ist unsicher
Nicht nur Corona, auch Eigenbedarf des Vermieters plagt das Ravensburger Ensemble
RAVENSBURG - Am Theater Ravensburg herrscht Corona-Stillstand. Scheinbar. In Wirklichkeit wird dort fleißig geprobt. Bloß, wann die Schauspieler wieder vor Publikum agieren dürfen, steht in den Sternen. Genauso unsicher ist, ob das Theater am angestammten Standort in der Nordstadt bleiben kann. Denn der Verein Arkade, dem das Grundstück in der Zeppelinstraße 7 gehört, will dort selbst erweitern. Wie man sich durch die Krise hangelt und wie Oberbürgermeister sich für das Theater einsetzt.
Bisher hat das Theater mit seinen fünf Ensemblemitgliedern und den drei Festangestellten den Lockdown mit einem blauen Auge überstanden, sagt Bauer: Kaum wurden im März 2020 die Schotten dicht gemacht, sammelte der Freundeskreis schon 20 000 Euro an Spendengeldern. Damit konnte man die Ausfallhonorare für die Schauspieler bezahlen. Auch die Bürgerstiftung des Kreises Ravensburg, Firmen und Privatpersonen griffen dem Theater immer wieder unter die Arme: „Das war toll“, freut sich Bauer. Und schließlich flossen diverse Corona-Hilfen von Bund und Land. Folge: Wer am Theater Ravensburg arbeitet, „weiß, er stürzt nicht ab“und stehe finanziell in jedem Fall besser da als viele SoloSelbstständige, wie Bauer einräumt. Und: Die bislang aufgelaufenen rund 200 000 Euro an Einnahmeausfällen konnten mit den Geldern ebenfalls einigermaßen aufgefangen werden.
Trotzdem weiß man nun nicht, wie und vor allem wann es weiter geht – dürfen Theater doch erst wieder öffnen, wenn der Inzidenzwert zwei Wochen lang stabil unter 50 liegt. Weil er das bisher nicht tut, werden die Spielpläne immer wieder über den Haufen geworfen. Und angesetzte Premieren verschoben. Das könne man den Schauspielern nicht ewig zumuten, findet Bauer. Daher sollen die nächsten beiden Premieren – „Alte Liebe“mit Jutta Klawuhn und Bernd Wengert am 1. April und „Alles was sie wollen“mit Ana Schlaegel und Tobias Bernhardt am 15. April – nun über die Bühne gehen, komme was da wolle. „Sonst“, erläutert der Geschäftsführer“, „arbeiten die Schauspieler ständig für die Katz“.
Im Idealfall läuft es wie im Oktober vergangenen Jahres: Da waren alle Aufführungen in einer kurzen Lockdown-Pause ausverkauft. Wobei wegen der pandemiebedingten Abstandsregeln lediglich maximal 40 statt 150 Zuschauer kommen konnten. Das Intermezzo habe gut geklappt, sagt Bauer – wohl auch, weil das Theater Ravensburg einiges umgestellt und unter anderem Luftfilter für Saal, Kassenbereich, Café, Büro und Backstage angeschafft hat. Trotz aller Ungewissheit, wie es mit Corona weiter geht, steht der Spielplan jetzt erstmal bis Sommer.
Mindestens genauso sehr plagt die Theater-Truppe, dass sie ihr Zuhause nach 25 Jahren vielleicht bald räumen muss: Läuft der Zwei-Jahres-Vertrag des Café-Pächters bereits im Juli aus, hat das Theater selbst eine Kündigungsfrist von 15 Monaten – wobei die Kündigung wie ein Damoklesschwert über den Mitarbeitern hängt. Denn der Vermieter, der Verein Arkade, braucht Platz: „Wir haben jetzt dringenden Bedarf an Wohnraum für unsere Klientel, nämlich psychisch kranke Menschen, den wir in einem Neubau zeitnah verwirklichen wollen“, sagt Arkade-Geschäftsführer Hubert Kirchner auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Erschwerend kommt hinzu, „dass wir außer der Fläche, die vom Theater genutzt wird, keine bebaubaren Flächen in der Stadt Ravensburg zur Verfügung haben“, so Kirchner weiter.
Weil aber der Stadtspitze daran gelegen ist, dass „ihr“Theater möglichst zentrumsnah an Ort und Stelle bleibt, ist Ravensburgs Oberbürgermeister Daniel Rapp im Gespräch mit der Arkade. Ziel: „Den Mietvertrag möglichst lange – also um weitere fünf bis zehn Jahre – zu verlängern.“Wünscht sich der OB doch eine „sichere Zukunft“für den „erfolgreichen Kulturakteur“, und zwar „dort, wo er bereits ist“. Kirchner wiederum ist grundsätzlich aufgeschlossen dafür, den Erweiterungsbau auch woanders hinzustellen – „es muss nicht zwingend das Theatergelände sein“. Er stellt allerdings klar: Wohin auch immer die Arkade ausweiche, man wolle auf der Gemarkung Ravensburg bleiben. „Ein Außenbereich kommt für uns definitiv nicht in Frage.“Dennoch verspricht der Arkade-Geschäftsführer: „Wir werden das Theater Ravensburg keinesfalls auf die Straße setzen.“
Und so hofft der OB, dass man gemeinsam eine „gute Lösung“findet. Dies zumal, da das Theater und die
Mitarbeiter des Theaterpädagogischen Zentrums laut Kulturamtsleiterin Verena Müller auch ein „wichtiger Bildungspartner“für die Schulen seien. Und die Besucher (zumindest in „normalen“Zeiten) nicht zuletzt die Innenstadt bevölkern. Darum ist auch für Müller klar, dass das Theater nicht „auf die grüne Wiese“auswandern sollte.
Ein bisschen tun die Schauspieler das aber doch, und zwar freiwillig: Um überhaupt spielen zu können, hat sich das Ensemble ein neues Format ausgedacht. Das Gartentheater. Es funktioniert folgendermaßen: Wer mag, kann sich kleinere Produktionen in den eigenen Garten holen und Gäste dazu einladen. Das Ganze hat keinen Fixpreis, dafür geht am Ende der Hut rum. Albert Bauer kann sich gut vorstellen, dass das Theater dieses das Angebot, sollte es ankommen, auch über Corona hinaus im Portfolio behält.
Auch auf dem eigenen Terrain soll die Freiluftsaison heuer so weit wie möglich ausgedehnt werden: Schon im Mai gehen im Theater-Hinterhof die ersten Aufführungen an den Start. Und die Theaterferien im August sind in diesem Jahr gestrichen, „weil wir so viel Zeit verloren haben“, wie Bauer ausführt. Er hofft, dass die Zuschauer draußen noch weniger vor einer etwaigen Ansteckung fürchten als im Gebäude. Zumal das Reservierungsprogramm die Abstände automatisch berücksichtige.